12.08.19
Überlegungen zum nichtenglischen Sprachstudium in Europa Die folgenden Gesichtspunkte sollen das Thema im Kreise einiger
unserer nächsten europäischen Nachbarn beleuchten,
die selbstverständlich ihre eigene Muttersprache im Zentrum der entsprechenden Fragestellung sehen;
so kann uns dann – unter anderem! – ein politisch und historisch begründeter Unterschied zu unseren Nachbarn bewusst werden. I in DÄNEMARK: „Kaum eine Regelung der deutschen Integrationspolitik ist bis heute so umstritten wie jenes Überleitungsgesetz aus dem Jahr 2007, das von Frauen (und auch Männern) Deutschkenntnisse verlangt, die aus dem Ausland zu ihrem Ehepartner nach Deutschland ziehen wollen – und zwar schon wenn sie einen Visumsantrag stellen. ‚Keine Liebe ohne Deutsch!’ So bringen es viele Zuwanderer auf den Punkt. Sie kritisieren die Regelung als Diskriminierung von bestimmten Zuwanderer-Gruppen – das Ziel, Zwangsheiraten zu erschweren, verfehle sie. Die SPD hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Abschaffung der Tests vorsieht.” Wobei Matthias Makowski, früherer Leiter der Abteilung Sprache im Goethe-Institut, eine kleine Verteidigungsrede zugunsten der Pflichtkurse hält, bevor er dann am Ende seines Artikels wieder beinahe resigniert feststellt: „Möglicherweise aber ist der Zwang zum Sinnvollen juristisch nicht zu halten." Und schließlich nun IV meine Erfahrungen in Frankreich: Die offizielle wie auch die private Haltung der Franzosen zu ihrer eigenen Muttersprache, deren ungeheurem Wert, und das damit verbundene Sendungsbewusstsein brauchen an dieser Stelle nicht erläutert zu werden. Was die Haltung zu unserer deutschen Muttersprache angeht, so muss man unbedingt zwischen der privaten und der offiziellen unterscheiden: privat habe ich im Laufe der Jahre nur günstige und sogar sehr freundliche Bemerkungen zu Wert und Schönheit der deutschen Sprache gehört. Offiziell jedoch gingen die Töne in eine ganz andere Richtung, es wurde zunehmend auf den auffälligen Rückgang des Deutschen an den Schulen verwiesen (als ob das etwas mit Vorsehung zu tun hätte), parallel zu einer Begrenzung auf eine winzige Schar von Erlauchten: Die Anforderungen in den Abschlussprüfungen des europäischen Referenzrahmens waren so festgesetzt, dass nur hochqualifizierte Germanisten oder Muttersprachler sie zu bewältigen vermochten, trauriger noch, dass die spärlich angebotenen Vorbereitungskurse in einer Pariser Handelsschule in keinem Verhältnis zu den Brüsseler Anforderungen standen. Das war der allgemeine Rahmen zumindest gegen Ende meiner Zeit; um dies in der Praxis umzusetzen, auch gegen die ausgeprägt schöne Lernbereitschaft bei den Studierenden und gegen die gute Stimmung, die bei Sprachkursen ja weit verbreitet ist, ging die Schule, an der ich tätig war, höchst versteckt, aber darum nicht weniger effizient vor: hinter meinem Rücken (was relativ leicht war, da ich nicht bestellt war, bei den schriftlichen Prüfungen Aufsicht zu führen) ließ jemand von der Verwaltung unter den Studenten Prüfungsdokumente für das Fach Deutsch verteilen, deren Deckblätter jeweils mit einer überwiegend schwarzen Fahne „geschmückt" waren; erst nachdem die Prüfungsarbeiten abgegeben worden waren, bekam ich sie (samt Deckblatt) zur Korrektur. Dass die betreffende Person in der Verwaltung im Rahmen ihrer durchaus unanständigen psychischen Beeinflussung der Studenten vorsichtig zu Werke ging, sieht man daran, dass sie nicht alle Prüfungsbögen mit schwarzen Fahnen schmückte, dass sie bisweilen auch ganz neutrale Deckblätter ausdrucken ließ. Unter uns Kollegen herrschte übrigens ein natürlicher, freundschaftlicher Umgangston – die Stimmung war oft überdurchschnittlich gut. Die oben beschriebene ungeheure anonyme Feindschaft richtete sich, wie sich auch aus dem Vorhergehenden ergibt, ganz ausschließlich gegen das Fach Deutsch in seinem europäischen Rahmen. Interessanter- oder sollte ich nicht lieber sagen: traurigerweise beobachte ich nun seit meiner Rückkehr in Nordrhein-Westfalen genau die entsprechende Entwicklung mit dem Fach Französisch. Von 27 Schülern wählen 20 Französisch am Ende der 9. Gymnasialklasse endgültig ab. Die Bewertungsmaßstäbe wurden plötzlich nach oben gezogen (- was übrigens keine große Intelligenz erfordert), so dass die sonst „mittelmäßigen" Französischstudierenden jetzt plötzlich mit einem mangelhaft dasitzen und psychologische Unterstützung brauchen oder auch für den Rest ihres Lebens einen unüberwindlichen Widerwillen gegen alles Französische entwickeln. – Und viele könnten sich auch fragen, vor allem, wenn man Gelegenheit hat, die parallele, zeitgleiche Entwicklung in Frankreich und in Deutschland zu beobachten, wem das wohl nutzt – cui bono? Annette Rochol im Juli 2012. |