A-se-ität,
Sein aus sich selber,
Schlussfolgerungen zum Ausgangspunkt.

I.





Wir haben bei unseren Gedankengängen, vor allem im Triptychon: unter „Determiniert? Durch was denn?“ bis zu den „Schlussfolgerungen zur Fortdauer nach dem Tod“, den Begriff der Aseität, des „Seins aus sich selber“, zugrundegelegt. Jetzt zeigt sich mir wieder die Notwendigkeit, gerade diesen Begriff zu wählen; denn kein anderer Terminus könnte im gleichen Ausmaß Grundlage und Ausgangspunkt rationaler und zugleich allumfassender Überlegungen sein. Und gerade darum geht es dieses Mal noch mehr als sonst.
      Nun ist es nicht notwendig, als Grundlage für unsere Überlegungen das ganze Triptychon ins Auge zu fassen. Aber repetieren wir von dem dort verdeutlichten „Sein aus sich selber“ so viele Brennpunkte, dass es auf jeden Fall ausreicht; und fügen wir bei der Gelegenheit auch gleich eine Reihe neuer Gesichtspunkte und Gedanken hinzu, die geeignet sind, unsere Überlegungen zu bereichern und zu festigen.
      Niemand braucht, gerade dieses Mal, zu fürchten, vor allem in der zweiten Hälfte der Datei, er werde zu wenig Neues zu Gesicht bekommen.

II. Die Aseität und die Existenz Gottes.

      René Descartes (in der dritten „Meditation über die Metaphysik“, der dritten „Meditatio de prima philosophia“) knüpft an den existenziellen Grundgedanken des „Seins aus sich selber“ folgende Überlegung:
      Wenn ich aus mir selber wäre, würde ich weder zweifeln, noch etwas wünschen, noch würde mir überhaupt irgendetwas fehlen, denn ich hätte mir alle Vollkommenheiten gegeben, von denen ich irgendeine Vorstellung hätte, und wäre damit höchst selbst Gott: ich brauche auch nicht zu denken, das, was mir fehlte, sei vielleicht schwerer zu erlangen als das, was schon zu meinem Wesen gehörte, denn ganz im Gegenteil, es war offensichtlich weitaus schwerer für mich, als denkende Sache oder denkende Substanz aus nichts hervorzugehen, als Kenntnisse von den vielen Dingen zu erwerben, die ich nicht weiß und die nur Akzidenzien der besagten Substanz sind. Und sicher hätte ich mir, wenn ich jenes Größere aus mir selber hätte, jene Dinge, die leichter zu haben sind, erst recht nicht versagt: aber ebenso wenig irgendetwas anderes von dem, was, wie ich es verstehe, in der Idee von Gott enthalten ist.
      Und selbstverständlich! Ein Wesen, das allein und ausschließlich bestimmt, was es qualitativ ist und wie viel es quantitativ ist, macht entweder sich selbst zu einem vollkommenen Wesen, bestimmt sich also als Gott. Oder es weiß jedenfalls genau, dass und auf welche Weise es das könnte, und wäre dann auch schon deswegen und aus dem Grunde Gott oder etwas, was Gott mehr als ähnlich wäre. Soweit die Richtigkeit der Logik und Konsequenz. Nun hatten wir im zweiten und ersten Teil des Triptychons, in „Kreationismus, Intelligent Design und Kierkegaard“ sowie in „Determiniert? Durch was denn?“ gerade begründet und deutlich gemacht, dass wir tatsächlich „aus uns selber“ sind.
      Aber kommen wir noch einmal auf unsere Gedankengänge zurück. Zur Einleitung könnten wir sagen, dass wir ethisch verantwortlich sind, dass wir das aber nur sein können, wenn wir frei sind, dass wir aber nun wieder auch frei nur sein können, wenn uns kein anderer gemacht, geschaffen hat; denn wer uns macht oder schafft, legt unser Wesen fest, aus dem unser Handeln ebenso fest, also determiniert hervorgeht, soweit es unser Handeln, und nicht sonst irgendetwas sein sollte; und endlich können wir schließen, wenn nun doch wieder kein anderer uns gemacht hat, dass wir dann „aus uns selber“ sind: dass uns dann „A-se-ität“ eigen ist.
      Dass nun aber ein Wesen „aus sich selber“, für manchen gegen den ersten Anschein, alles andere als absurd ist, kann man mit der Überlegung deutlich machen, dass es ohne Aseität, ohne „aus uns Selber“, eine unendliche Kette von Wesen geben müsste, von denen jedes immer wieder „aus einem anderen“ wäre; was bei Weltwesen, die „an sich“ sind, die Kantisch oder nicht: „Ding an sich“ sind, ganz sicher das Allerabsurdeste und sogar völlig unmöglich wäre.
      Und – um nun schließlich ins Innerste der Sache einzudringen – so haben wir unter anderem im Triptychon die Erfahrung registriert, und zwar die innere Erfahrung, also, wie schon oft gesagt, die allersicherste Erfahrung, weil sie uns am allernächsten ist:
erstens dass unser Wille etwas pur und rein Dynamisches ist – oder meint man, im Begriff des Willens liege auch nur irgendetwas Passives? –
      und zweitens die Erfahrung, dass der Wille das Allersubjektivste ist, das sich denken lässt – wir werden alsbald sehen, dass die Freiheit von jeglicher Passivität und die Eigenschaft als „Allersubjektivstes“ zwingend zusammenhängen –
      und siehe außerdem noch, einen vollen und ganzen Gedanken hierüber hinausgehend: weiter unten (Nr. XI Punkt 2. im zweiten Absatz) den Gesichtspunkt des Voraussetzungslosen!
      Also, wir haben im Triptychon zweitens die Erfahrung registriert: dass der Wille das Allersubjektivste ist, das sich denken lässt; oder meint man, im Begriff des Willens liege auch nur irgendetwas, das vom Subjekt des Willens, also vom Willen selber, als etwas Gegebenes akzeptiert werden müsste? Der Wille ist etwas absolut und durch und durch Subjektives; das aber ist nur das Subjekt, das mit allen seinen Teilen und Aspekten aus eben diesem Subjekt selber und aus nichts anderem ist: das „aus sich selber“ ist und hervorgegangen ist, von nichts anderem bedingt und abhängig, und das auch nur deshalb voll und ganz und hundertprozentig und in jeder Hinsicht es selbst ist.
      Nach all dem fehlte nur noch, dass alles, vom Wasserstoffatom bis zum Menschen, reine Energie, reine Dynamik, ist; ein Satz, der absolut nicht aus Schopenhauers oder aus meiner Willens-Philosophie stammt; der jedoch mit solchen Philosophien vollkommen übereinstimmt, im Übrigen aber erst aus der modernen Physik herstammt – wo er stillschweigend allgegenwärtig ist; man lese, nur zu Beispiel, im Glossar von Stephen Hawkings neuestem Buch „The Grand Design“, ohne dass Hawking der Schöpfer des Gedankens wäre: „Antimaterie – jede Partikel der Materie hat eine entsprechende Anti-Partikel. Wenn sie zusammenkommen, vernichten sie sich gegenseitig, und was übrigbleibt, ist reine Energie.“    Wie gesagt, es fehlten nur noch Sätze wie dieser, wonach im Endergebnis, wenn man solche Sätze nach üblicher, nicht nach durchdachtester Logik versteht, alles Energie ist. Alles! wonach also alles reine! Energie, ist. Sodass alles demnach ja wohl auch „rein dynamisch“ ist, nicht nur das Menschengeschlecht, und auch aus dem Grund „aus sich selber“; denn was “aus anderem“ ist, ist zumindest zum Teil auch passiv, also nicht reine! Energie, nicht reine Dynamik – was alles Seiende aber ist, wie wir sehen. Also!
      Wir sehen hier, wie gerade angekündigt, den zwingenden Zusammenhang zwischen der Freiheit von jeglicher Passivität und der Eigenschaft als „Allersubjektivstem“ = „aus sich selber Seiendem“ – was man nämlich schon sein muss, wenn man von jeglicher Passivität frei sein will.
      Aber kurz und gut – wir sind zu dem Ergebnis gekommen: dass der Wille das „aus sich selber seiende“ „Dynamische“ ist und dass alles „dynamisch“ und „aus sich selber“ ist, dass also alles Wille ist.
      Und nun Descartes mit seinem Gedankenexperiment: „ ... wenn ich aus mir selber wäre ... so hätte ich mir ... alle ... Vollkommenheiten gegeben und wäre ... selber Gott ... “ „ ... si a me essem … omnes … perfectiones … mihi dedissem, atque …ipsemet deus essem … . » Mit dem Ergebnis, bei Descartes : Aber ich bin nicht Gott, also bin ich nicht „aus mir selber“.
      „Ich bin nicht Gott“? Aber wer sagt denn, dass auch jeder einzelne, individuelle Mensch, weil er „aus sich selber“, weil er „a se“ ist, also mit Aseität ausgestattet ist, deshalb schon bestimmen kann, was und wie viel er ist, sodass er also Gott wäre? Das würde eine vollständige Pervertierung von Descartes´ eigener theistischer Konsequenz aus der Aseität der Welt bedeuten! Denn dann müssten wir auch gleich für jedes andere Weltwesen dieselbe Konsequenz ziehen und hätten, so oder so, zahllos viele höchste und vollkommene Wesen! ohne dass irgendeines von ihnen auch nur annähernd wirklich vollkommen wäre, weil keines die Inhalte der zahllosen restlichen Wesen hätte. Daher im Übrigen der Monotheismus! Thomas von Aquin räsonniert übrigens an einschlägiger Stelle (etwa unter „An Deus unus sit“ „Ob Gott einer ist“, ich sehe jetzt nicht nach) ganz genauso, wenn auch ohne jeden Zusammenhang mit dem Begriff der Aseität.
      In jedem Fall aber braucht die Gottwerdung als Konsequenz, die Descartes zwecks reductio ad absurdum unseres „Seins aus uns selber“ auf jeden Einzelmenschen anwendet, nur für die Gesamtheit des Seins zu gelten; das heißt>: der Gottwerdung als notwendig ablaufender Konsequenz ist Genüge getan, wenn nur diese Gesamtheit, und nicht jeder Einzelne von uns ausschließlich in der Person oder Überperson eines anderen, als wir alle es sind, die Unendlichkeit und Vollkommenheit erreicht, die dem „aus sich Selber“ allerdings entspricht.


Einlage: zu geistesgeschichtlichen Zusammenhängen.

1.) Ein Stück rationaler Mystik.

Oder bleibt dann immer noch etwas von dem gerade gehabten Einwand übrig; der jetzt zwar nicht mehr so weit ginge, dass keines der zahllosen angeblich vollkommenen Wesen den Inhalt und Reichtum der übrigen zahllosen und angeblich ebenfalls vollkommenen Wesen in sich schlösse; aber bleibt etwa nicht immer noch der, wenn auch schwächere, Einwand übrig, dass der Eine, Andere, Unendliche und Vollkommene dann jedenfalls nicht den Reichtum und den Inhalt der Wesen auf den Seinsstufen unter ihm mit in sein Wesen einschlösse? Man könnte zunächst – und mit Recht! – antworten „Und wenn schon! Damit könnte der Allerhöchste leben!“ Aber es ist nicht einmal entschieden, dass der Allerhöchste von den Reichtümern auf den Stufen unter ihm wirklich getrennt wäre: Die dortigen Wesen könnten ausschließlich seinetwegen ins Dasein getreten sein, voller unbewusster Sehnsucht nach seiner physischen, nicht unbedingt auch nach seiner ethischen Vollkommenheit – also nach seiner physischen Vollkommenheit, an der sie unter gewissen Bedingungen teilzunehmen hofften; er, der Vollkommene selbst, könnte dieses Verhältnis spüren und auf diese Weise, als der selbstlos Liebende, mehr daran teilnehmen, als wenn er alles in direkter Weise selbst umschlösse. Und genau das könnte denn auch, ins Mystische übersetzt, in den Bereich von Thomas´ Gedanken gehören: „Dir unterwirft sich ganz mein Herz: Weil es, dich betrachtend, ganz zunichte wird“ „Tibi se cor meum totum subicit: Quia te contemplans totum deficit.“

2.) Der historische Entwicklungsgedanke
im Unterschied zur Entwicklung im Augenblick der Ewigkeit.


Also gut, es ist – auf dem Weg vom Nichts zum Allerhöchsten – eine Unendlichkeit und Vollkommenheit sozusagen „von Anfang an“; in unmittelbarer Terminologie: Unendlichkeit und Vollkommenheit sind zeitlos und „von Ewigkeit her“; die Weltwesen, die ihrer in dem einen oder anderen Sinne habhaft sind, kennen keine verzögernde, hemmende, hinhaltende Sukzessivität; wie sollten sie auch? Sie selbst bestimmen ja, kraft ihres “aus sich Selbst“, ob ihre Natur von der Art ist, dass sie eine solche hinhaltende Sukzessivität nötig hat, oder will, oder nicht; und sie bestimmen nun also, ebenfalls „aus sich selbst“, dass ihre Natur eine solche Sukzessivität nicht nötig hat und nicht will; mit anderen Worten: sie wissen nichts von dem, was wir in unserer empirischen Schicht als endlose Zeiträume der so genannten „Entwicklung“ im Sinne der Geschichtswissenschaft und der Geschichtsphilosophie kennen.
      Und wir sind nun gerade hier, angesichts dieser „Wissenschaft“, bei einem zweiten Punkt der abendländischen Geistesgeschichte. Jetzt nicht mehr bei der Mystik – die aber wahrhaftig dazugehört! Man komme ihr gegenüber nicht mit der üblichen, ebenso unbegründeten wie schicken Besserwisserei und Selbstgefälligkeit! – . Sondern wir sind jetzt beim „Entwicklungsgedanken“; und spätestens, wenn wir ihn einigermaßen durchdacht haben, werden viele sehr gut verstehen – viele auch schon vorher – was der Allerhöchste damit zu tun hat, und was nicht; zumal wir es gerade wieder mehr als angedeutet haben.
      Betrachten wir als einfachstes Beispiel die „Entwicklung“ der Technik. Sie entwickelt sich tatsächlich: kraft immer weiterer und besserer menschlicher Kenntnis von den Naturgesetzen, solange nicht kosmische oder andere übermenschliche Naturkatastrophen oder besonders krasse historische Umwälzungen das, was wir „Menschengedenken“ nennen, unterbrechen oder beeinträchtigen: die Menschheit ist vielleicht Millionen Jahre alt, vielleicht sogar noch älter, da geht manches wieder verloren. Aber, wie gesagt: soweit menschliches Gedenken reicht, gibt es die besagte Entwicklung, auf Grund immer besserer Erfahrung – in einem Fall sogar in potenzierter Weise, als der richtige Menschenschlag hinzukam, nachdem er bestimmte vorbereitende geistige Stadien, unter anderem in Gestalt europäisch-mittelalterlicher Träumereien, durchlaufen hatte. So weit, so gut!
      Aber „das Weltall entwickelt sich“ nicht! zunächst einmal genauer: das physikalische und chemische Weltall entwickelt sich nicht! Im Gegensatz zur Technik. Es durchläuft nur Zyklen, innerhalb deren dann abgezirkelte Entwicklungen stattfinden können, durch Naturgesetze begrenzt, und durch sie jeweilig wieder zurückgenommen. Wir wissen das mit Sicherheit! Und woher? Wir wissen, dass die Naturgesetze der Physik und Chemie ewig und unveränderlich sind. Wie nennt man es im Gegensatz dazu, wenn die Natur ihre Gesetze nicht einhält? Man nennt es ein Wunder; der Begriff ist völlig klar; eine Unsicherheit in dieser Hinsicht besteht nicht, allerdings besteht Unwissenheit: Sobald man eine kontinuierliche und unbegrenzte Entwicklung, vor allem in der unbelebten Natur, festzustellen glaubt, behauptet man ein Wunder – ohne zu wissen, dass es eben das ist, was man tut.
      „Aber die einzelnen Lebewesen entwickeln sich.“ Durchaus; auch hier indessen ist die Natur zyklisch! Allerdings nennt man den Aufstieg des Zyklus im Fall der Lebewesen „Entwicklung“: „Fritzchen entwickelt sich.“ Dagegen, wenn jemand vom modernen Begriff der „Entwicklung“ Gebrauch macht, denkt er an einen grundsätzlich unbegrenzten Aufstieg, während die Entwicklung bei Pflanzen, Tieren und Menschen in Wahrheit nur von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter verläuft, sich hier physisch nicht! fortsetzt, sondern in allen wesentlichen Punkten stehen bleibt! um dann schließlich im Alter mit der einen oder anderen Art des Abstiegs zu enden, der glücklicherweise sehr oft nur partielle Ausmaße hat.
      So also ist es in der unbelebten Natur; und so ist es bei den einzelnen Lebewesen.
      Und wie ist es bei den einzelnen biologischen Gruppierungen: den Spezies, den Genera, den Pflanzen- und den Tierfamilien? Bei den Spezies, Genera und Familien als solchen? Wir haben nicht den geringsten Grund anzunehmen, dass sich in ihrem Rahmen nun schließlich doch so etwas wie ein grundsätzlich unbegrenzter Aufstieg im Sinne des modernen Entwicklungsgedankens unmerklich verwirkliche – „unmerklich“ im wahrsten Sinne des Wortes ist jede moderne „Entwicklung“, sie besteht nur in der Phantasie über Zeiträume, die man nie erreicht – es mag, zum Beispiel innerhalb der Spezies des Pferdes, eine Analogie zur Entwicklung vom Kindesalter bis zum Erwachsenenalter geben; so glaubt man zu wissen, dass die Urpferde nicht größer waren als Füchse: aber auf eine unbegrenzte Entwicklung deutet auch hier nichts hin; unsere gegenwärtigen Pferde werden sich voraussichtlich nicht zu „Überpferden“ weiter„entwickeln“; jedenfalls hat man dafür, wie immer bei modernen Vorstellungen und Ideen, nicht die geringsten Anhaltspunkte bei den Tatsachen.
      Und schließlich – o namenloser Schrecken für Geister, die das milde, wenn auch nicht reale Licht einer gewissen Moderne gewohnt sind! – schließlich also ist es auch beim Menschen nicht anders. Ein kontinuierlicher biologischer Aufstieg im Sinne des modernen „Entwicklungsdenkens“ lässt sich auch bei ihm nicht feststellen. Es geht immer nur um dieselben Mischungen von Schwarz und Gelb und Weiß und Schwarz und Weiß und Gelb, mit ungefähr gleichbleibender kultureller Höhe, nur nicht untereinander, seit dem zweiten Jahrtausend vor Christus – es kommt hier auf ein Jahrtausend nicht an – bis, ja bis vor nur ganz wenigen Jahrhunderten ein einziger europäischer Menschenschlag dasjenige schuf, was man die moderne europäische Technik nennt, wir sprachen soeben davon, ich denke man hat es gemerkt. Es handelt sich dabei aber eben nicht um eine kontinuierliche biologische Entwicklung, geschweige denn um eine unbegrenzte in immer lichtere Höhen – siehe die unmittelbar vorhergehende ungefähr gleichbleibende kulturelle Höhe – sondern es geht ganz offensichtlich um ein einmaliges, wenn auch grundsätzlich der Fortsetzung fähiges historisches Ereignis: um die Entwicklung der modernen Technik , die, wie vorhin schon gesagt, auf einer wachsenden Einarbeitung in die Naturgesetze und auf ebenso wachsender Erfahrung mit ihnen beruht, solange es gut geht, das heißt: solange der Planet, auf dem wir leben, ein „Menschengedenken“, auch für den besagten „Menschenschlag“, zulässt – wir definierten es ja schon – und gegebenenfalls, soweit ganz genau eben die neue Technik selbst, über die ursprünglichen Möglichkeiten des Planeten hinaus, die Möglichkeiten für ein neues, längeres „Menschengedenken“ sogar erst schafft.
      Das alles heißt: wir haben bis jetzt nur drei Arten der Entwicklung festgestellt, zwei, die biologischer Natur sind, und eine lediglich auf Erfahrung, Einsicht und glücklichen Umständen beruhend; nämlich: erstens die Entwicklung in Kindheit und Jugend bis zum Eintritt ins Erwachsenenalter, sowie zweitens analog dazu die Ausbildungen der jeweiligen Spezies, Genera und Familien als solchen des Lebendigen, aber ohne Steigerungen bis zu „Übermenschen“ oder sonstigen „Über“lebewesen; und drittens haben wir die völlig andersartige Entwicklung, nämlich der Technik, im großartigsten Fall durch einen bestimmten Menschenschlag, vielleicht mit Schülern, in allen Fällen auf Grund von stetig wachsender menschlicher Kenntnis und Erfahrung mit den ewig gleichbleibenden Gesetzen der Natur. Darüber hinaus lässt sich in dieser Hinsicht nichts feststellen: die verrückten, teils zählebigen, teilweise aber auch nur modischen Vorstellungen von der Weiterentwicklung selbst des nicht lebendigen Teils des Weltalls oder der Lebewesen oder beider in unbegrenzte Höhen bis zu göttlichen Wesen und Zuständen – unter anderem bis zu Teilhard de Chardins „Punkt Omega“, wer erinnert sich noch? – gehören ins Reich realitätsferner typisch moderner Fabeln und Märchen.


Rückkehr
II. zur Aseität und zur Existenz Gottes.


1.) Die wahre Entwicklung ins Unendliche.

Allerdings gibt es zählebige Verrücktheiten, die dennoch irgendwo im weiten Reich des Seienden, vielleicht außerhalb der empirischen Schicht, zwar kein deckungsgleiches Abbild, aber ihren real existierenden Verwandten haben – von dessen Entdeckung gerade die Verfechter der Verrücktheiten, typischerweise, um Lichtjahre entfernt sind.
      Das Weltall und die Welt des Lebendigen, kurz: die Dinge dieser Welt, die „Erscheinungen“ und die „Vorstellungen“ zusammen mit dem „Ding an sich“ in ihrer Gestalt, verändern sich zwar – „Alles fließt“, sagt Heraklit – aber sie „entwickeln“ sich nicht, nicht ins Unendliche (wie wir es in der „Einlage“ verdeutlicht haben). Andererseits aber entwickelt sich (wie wir auch hier unter Nr. II wieder gesehen haben) alles, was ist – gleichgültig, ob als „Ding an sich“ oder als „Erscheinung“ – in einem einzigen Augenblick der Ewigkeit „aus sich selber“ auf dem Weg über das Weltall, einschließlich der Welt der Lebendigen, und überhaupt über alle weiteren Zwischenstufen hinaus, bis zum Allerhöchsten, dem vollkommenen und ewigen Wesen; das heißt:
      Das „aus sich Selber“, das in jeder Hinsicht nur „von sich“ abhängt, macht und schafft „aus sich“, zugleich aber auch in Gestalt seines endgültigen „aus sich Selber“, alles und jedes, einschließlich des Allerhöchsten, Ewigen und Vollkommenen, der insofern quasi von Anfang an, das heißt: im Augenblick der Ewigkeit schon alle Vollkommenheiten in sich schließt. Es schafft sich selbst, in Gestalt seiner Selbst von Anfang an, und schafft andererseits genauso auch schon das, was eben zu diesem Machen und Schaffen fähig ist; es führt alles das genau so und genauso augenblicklich aus, im zeitlosen Augenblick der Ewigkeit, wie es selber will. Und dabei bedeutet auch die Zeit kein Hindernis und keinerlei Verzögerung, da das „aus sich Selber“ eben kraft dieses seines „aus sich Selber“, mit Wirkung für sein eigenes Wesen, an ihre Stelle ohne Weiteres den „Augenblick der Ewigkeit“ setzt, in dem es keine „geschichtliche“ Verzögerung und keine „historischen“ Hindernisse gibt – auch ganz abgesehen davon, dass Kant die Zeit (in der „Transzendentalen Ästhetik“ am Anfang der Kritik der reinen Vernunft“) als bloßen Modus unserer Vorstellungen erkannt hat.
      Und wir Menschen? Sind nur der, in sich ebenfalls zeitlose, aber „dynamische“ Weg zu diesem Ziel der Unendlichkeit und Vollkommenheit – wir sprachen ja schon von der „Dynamik“ – ; ganz und gar im Sinne der für uns bezeichnenden „Existenz“: unserer Unvollkommenheit und Fehlerhaftigkeit, unserer Sehnsucht und unseres Versagens; und unseres „ständigen Strebens und Werdens“: Wir sind dieser zeitlose Weg im Sinne der „Innerlichkeit“ und der „Subjektivität“ unseres Willens, die „die Wahrheit ist“, so wie zwei der besten Geister unserer Zeit und Kultur, jeder auf seine Weise es erkannt haben, wenn auch im Fall des einen von ihnen ohne den theistischen Zusammenhang, und so wie jeder es im Triptychon (u.a. im achtletzten Absatz von „Kreationismus und Intelligent Design“), wenn nötig, noch einmal durchdenken kann.
      Freunde, damit haben wir den ersten der beiden Brennpunkte des „aus sich Selber“ noch einmal, zusammen mit einigen neuen Aspekten, durchdacht. Und man merkt es schon, soweit man es nicht überhaupt schon vorher weiß: Es geht nicht um den Gott, der uns „erschafft“, aus „Lehm der Erde“ oder richtiger: sogar „aus Nichts“, und der deshalb – begrifflich absolut zwingend – uns, so auch unser Wesen und so auch unser Verhalten festgelegt hätte und damit unsere Willensfreiheit und unsere Eigenschaft als moralischer Wesen ausgeschlossen hätte: „Das Verhalten ergibt sich aus dem Sein“ „Agere sequitur esse“. Sondern es geht um das, was man früher irrtümlich „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ nannte; es geht um „Freiheit, Gott und Fortdauer nach dem Tod“: um unsere Freiheit, von der wir auf die beiden anderen, Gott und Fortdauer, erst schließen.

2.) Das falsche Pathos des Kreationismus.

Alles klar? Von einer bestimmten Seite kommt Protest: „Wer hat denn das alles geschaffen?“ Es ist der Protest von Seiten des „Kreationismus“ und des „Intelligent Design“. Er lautet: „Bedenken wir die unermessliche Zahl der Pflanzen, Tiere und Menschen, mit ihrer noch unermesslicheren Anzahl von einzelnen Zellen, von denen jede wieder in sich unendlich klug und sinnreich aufgebaut ist! Und das alles soll ohne einen übermenschlich „einsichtsvollen Plan“, ja überhaupt ohne auch nur irgendeinen „intelligenten Plan“, möglich gewesen sein? Mancher denkt, das Argument ist überwältigend, jeder Widerspruch muss in sich zusammenbrechen, wir müssen uns beugen. Es ist doch so, wie es in „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“, und nicht so, wie es in „Freiheit, Gott und Fortdauer nach dem Tod“, in beiden Formulierungen noch versteckt, zugrunde lag.
      Aber der gute Geist, der uns vor einer solchen voreiligen Schlussfolgerung bewahrt, ist haargenau so nah wie der „einsichtsvolle Plan“. Denn eben dieser „Plan“ mit all seiner „einsichtsvollen“ Beschaffenheit würde, determiniert, wie er ist – denn er muss ja so oder anders geplant, beschaffen, also so oder anders festgelegt sein – er würde also unser Sein und Wesen ebenfalls festlegen. Und wir würden ihm auch unsere Substanz wieder nicht von uns aus angleichen; denn das Dogma – nennen wir es so, ich habe allerdings im Denzinger nicht nachgesehen – das Dogma also schließt ebenfalls in sich, dass der „Planer“, der „Designer“ unsere Substanz, unser Sein und Wesen, nicht nur „aus Nichts“ geschaffen hat, sondern dass er sie dem, was „einsichtsvoll“ ist im Sinne des „Intelligent Design“, außerdem durch Wirkursache (durch causa efficiens), also ebenfalls wieder mit determinierender Wirkung, angeglichen hat und angleicht. Und zwar bis in die letzten, allerletzten Einzelheiten, sowohl was den Plan wie auch, was unsere Angleichung an ihn betrifft. Denn wer etwas schafft, „erschafft“, kann an seinem Geschöpf nichts offen lassen – um den gesamten Sachverhalt gerafft zu wiederholen.
      Aber selbst wenn der „Planer“, der „Schöpfer“, an unserer Natur etwas offen ließe – was er aber laut Dogma nicht darf und laut Logik nicht kann, weil er der Schöpfer ist – so müssten wir es von uns aus ergänzen und wären insoweit! „aus uns selber“, und er wäre nicht mehr der Schöpfer. Aber wir wären entweder erstens dieses Mal sogar gegen das Dogma „aus uns selber“, oder wir blieben zweitens trotzdem durch und durch determiniert, nach „Agere sequitur esse“ „Das Verhalten ergibt sich aus dem Sein“: da unser Ergänzungsakt voll und ganz von der teilweisen Natur determiniert wäre, die der Schöpfer uns bis dahin schon gegeben hätte.
      Also: Determination bis zum Letzten, nach Moses, und ganz sicher erst recht nach den auf ihr „Wissen“ und ihren „Verstand“ so stolzen Theologen!
      Und wenn nun jemand die Richtigkeit des Gesagten einsieht oder schon immer eingesehen hat, dann gut; wenn nicht, empfehle ich ihm: „Ein weiteres Mal: Schlussfolgerungen zur Willensfreiheit“ (im unmittelbaren Anschluss an das Triptychon, hier unter rochol.net : ungefähr zu Beginn des letzten Drittels „Keine Determination durch andere“, „Zur Bedeutung Gottes“). In jedem Falle aber hätte ein „Schöpfer-Gott“, bildlich „aus dem Lehm der Erde“ erschaffend, oder: ein „Schöpfer-Gott“, rein begrifflich formuliert: „aus dem Nichts“ erschaffend, für uns Menschen und alle anderen Wesen, und damit für die gesamte Schlechtigkeit und das gesamte Elend der Welt, allein die Verantwortung zu tragen; und für uns Menschen käme es gar nicht erst in Frage, dass wir von dem, was Ethik und Moral bedeuten, auch nur einen Begriff, eine Vorstellung oder eine Ahnung hätten.
      Die Konsequenzen wären ungeheuerlich, und die einzige andere Möglichkeit wäre: ein Gott, der uns nicht durch Wirkursache schafft, der Vollkommene an der Spitze des „aus sich Selber“ und kraft des „aus sich Selber“ – : mit der Welt als zeitlosem Weg des „aus sich Selber“ im Augenblick der Ewigkeit; und auch diesen „Augenblick“ gäbe es nur kraft des „aus sich Selber“, vom ersten Anfang bis zur höchsten Stufe des Seins für den Vollkommenen und Allerhöchsten.
      Oder stört auch hier noch etwas? Sinn, Ordnung, Organisation der endlos vielgestaltigen und dennoch zweckmäßigen Welt, der zahllosen lebenden Wesen und ihrer noch zahlloseren Welt aus lebendigen Zellen! Und dennoch alles ohne Einsicht, ohne „Intelligent Design“? Der Allerhöchste könnte eine solche Einsicht haben, und so könnten wir uns das erklären, was man „ Schöpfung“ nennt; aber unsere Einsicht und die Einsicht der Gesamtheit des „aus sich Selber“ reicht dafür nicht aus: die allermeisten Dinge verlaufen unbewusst in unseren Organismen, und so weiter abwärts, zweckmäßig bis zum untersten Ende und dennoch am selben untersten Ende völlig unbewusst und ohne jede „Einsicht“. Ist das nicht genauso unbegreiflich wie der Herrgott, der durch Wirkursache, also determinierend Menschen schafft, die dennoch einen freien Willen haben?
      Freunde, die Frage schließt die Antwort in sich! Im letzteren Fall widersprechen sich die Begriffe – „schaffen“ und dennoch: „ohne festzulegen“ –ein Widerspruch der Begriffe aber lässt sich nie in Realität umsetzen! Wir müssen die Möglichkeit der Umsetzung ausschließen. Und, andererseits: wir wissen (auf Grund von Nr. II vor der „Einlage“), dass der Wille nicht festliegt, sondern „aus sich selber“, also frei und unendlich schöpferisch ist – mit Möglichkeiten und Denkbarkeiten, die wir zwar nicht erkennen, die wir aber auch niemals ausschließen können.
      Im ersteren Fall dagegen haben wir nur Eines: Wir schaffen Ordnung und Zweckmäßigkeit durch „Einsicht“, „Intelligenz“, durch „intelligente“, „einsichtsvolle“ Planung, „intelligent design“. Aber nichts und niemand sagt uns, dass unser unbewusster Wille nicht auch auf andere Weise Zweckmäßigkeit und Ordnung schaffen kann; und wäre es auch nur, indem er kraft seines „aus sich Selber“ zahllose Versuche machte, von denen einige naturgemäß gelingen; oder sei es auf anderen und tieferen Wegen – die wir zwar nicht kennen, von denen wir aber jedenfalls auch keinen als widersprüchlich erkennen!
      Auch Kant unterscheidet (im Zweiten Teil der „Kritik der Urteilskraft“: in der „Kritik der teleologischen Urteilskraft“) – im Ergebnis – zwischen unserer menschlichen oder auch der göttlichen „Einsicht“ auf der einen Seite, die jedenfalls Eines auf keinen Fall zulässt, nämlich begriffliche Widersprüche, und den Möglichkeiten andererseits, die die „Welt als Wille“ abseits unserer intellektuellen Möglichkeiten, aber wirklich und wahrhaftig haben muss – da wir ja wissen, dass der Wille (Nr. II vor der „Einlage“) frei und „aus sich selber“ ist und dass er sich, wenn unsere Ratio ihm im Übrigen auch nicht immer folgen kann, tatsächlich und widerspruchsfrei entscheidet.
      Freunde, folgen wir auch hier der Ratio! Und das bedeutet dieses Mal: entscheiden wir uns gegen den begrifflichen Widerspruch der Schöpfung eines freien Willens durch determinierende Wirkursachen, gegen das falsche Pathos des Spruches „Wer hat denn das alles geschaffen?“ und dafür, dass der Wille die Möglichkeit hat, sich einen Intellekt zu schaffen, unseren Intellekt zu schaffen, so wie wir ihn haben und kennen, und sich, vielleicht gerade deshalb, auch ohne einen solchen Intellekt an einsichtsvolle Projekte heranzutasten.


III. Die Aseität und die Fortdauer nach dem Tod.

1.) Die Fortdauer des Willens überhaupt.

Der Wille.


Unsere Freiheit lag schon in dem Gedanken, mit dem wir jetzt wieder zugleich auch die Existenz Gottes begründet haben: nämlich darin, dass alles, der gesamte Bereich des Seienden, den wir vor Augen haben, und so denn auch unser eigenes Wesen, „aus sich selber“ ist oder auch: „aus sich selber“ ständig wird. Wer will, kann dazu im Triptychon “Determiniert? Durch was denn?“ lesen. Und soweit nun also diese beiden Themen: Freiheit und Gott.
      Was nun das dritte und letzte Thema, nach Freiheit und Gott, betrifft: unsere Fortdauer nach dem Tod, unsere so genannte „Unsterblichkeit“, so legt sie ebenfalls das „aus sich Selber“, die Aseität, unseres Inneren und überhaupt unseres ganzen Wesens zugrunde; einschließlich eines Vergleiches mit der Aseität des vor unseren Augen liegenden Seienden in der Außenwelt. Oder liegen „Sein aus sich selber“ und „Fortdauer nach dem Tod“ etwa nicht nahe genug beieinander? Man kann es aber auch an Hand der letzten Schrift des Triptychons noch einmal neu durchdenken.
      Und was das Gesamtbild des „aus sich Selber“, unseres Inneren und der außermenschlichen Außenwelt betrifft, so braucht man zur Begründung ja nur die naturwissenschaftliche Tatsache zu bedenken, die inzwischen mehr als ein offenes Geheimnis ist, dass alles und jedes im empirischen Bereich letzten Endes auf reine Energie hinausläuft, mit anderen Worten: letzten Endes reine Energie ist – und dass das, was „aus anderem“, also nicht „aus sich selber“ wäre, Passivität zumindest mit einschließt, wenn nicht überhaupt restlos in ihr besteht, also auf keinen Fall reine Energie ist. Worauf aber eben letzten Endes alles hinausläuft. Ergo!
      Das allein würde schon genügen. Es reicht aber weitgehend auch schon die nicht einmal spezifisch naturwissenschaftliche, sondern lediglich empirische Tatsache aus, dass im Falle alles dessen, was vor unseren Augen liegt, immer zugleich auch das Dynamische, Bewegte, niemals Ruhende sichtbar wird; ferner auch, dass das „Dynamische“, Bewegte, Strebende in unserem, menschlichen, von uns selbst gefühlten und erlebten Fall, aber auch in den darüber hinaus analog zu beobachtenden Fällen, ganz genau unsere Innerlichkeit, unser Wille ist – oder ihr und ihm entspricht; nicht nur mit allen seinen Kräften, Freude und Leid, Liebe und Hass usw., sondern auch mit der dem Willen begrifflich eigenen absoluten Subjektivität, die sich begrifflich nicht anders denn als „aus sich Selber“ erfassen lässt. Und es drängt sich schließlich ebenso auf, dass in den uns ferner stehenden Wesen: Tieren, Pflanzen und unbelebten Natur- und Weltwesen, ebenfalls nichts anderes als das „dynamische“ „aus sich Selber“ wirksam ist. In den Tieren, vor allem in den höheren, doch schon einmal ganz sicher nicht! Und wo sollte zwischen ihnen und den übrigen Bereichen die Grenze sein? Aber im Übrigen, wir wissen ja genau, dass es diese Grenze nicht gibt: wir sprachen ja schon von der „reinen Energie“ als allumfassender Grundlage, ohne alle Passivität, also nicht „aus anderem“. Ergo!
      Oder glauben wir, die Welt bestehe weiter abwärts ab irgendeinem Punkt doch aus Bauklötzchen, statt aus reiner Energie, die notwendig ohne jede Passivität ist, die also nicht „aus anderem“ ist, weil sie dann zugleich auch passiv wäre, die also nichts als „aus sich selber seiende und werdende“ „Energie“ ist, unser gutes altes „dynamisches aus sich Selber“, das nach allem die Definition des Seienden und so auch unseres Inneren ist.
     Das alles also gilt allein schon auf Grund des naturwissenschaftlichen Gedankens, alles und jedes im empirischen Bereich sei reine Energie, weil es auf sie hinausläuft; mit der Konsequenz, dass es als „reine“ Energie nicht die Passivität in sich schließt, „aus anderem“ zu sein, und dass es deshalb „aus sich selber“ ist – auch ganz abgesehen davon, dass schon unser menschliches „aus uns Selber“, ohne die unter uns liegenden Stufen, die tierischen, pflanzlichen usw., für den jetzt folgenden Gedankengang unserer Fortdauer nach dem Tode ausreicht.


Das Leben.

Und fassen wir nun – da es ja um Leben und Tod geht – nach dem Willen, nach der „Welt als Wille“, das „Leben“ im eigentlichen Sinne ins Auge, ohne jede metaphorische Anwendung und Ausdehnung! So setzt sein Begriff auf jeden Fall und zumindest immer auch den Aspekt der Fortpflanzung voraus: nämlich aa) die Fortpflanzung ganzer Organismen innerhalb ihrer Spezies, zur Erhaltung eben dieser Spezies, und bb) die Fortpflanzung einzelner Zellen innerhalb ganzer Organismen, zur Erhaltung eben dieser Organismen, einschließlich derjenigen – durchaus vorübergehenden – Eigenschaft des Willens in jedem einzelnen Organismus, die der Träger dieser beiden Arten der Fortpflanzung, dieses Stirb und Werde ist. Außerdem bedeutet „Leben“ dann schließlich auch noch alles das, was von der besagten begrifflich weit gefassten „Fortpflanzung“, die aber in sinnvoller Weise weit gefasst ist, unmittelbar vorausgesetzt wird, also vor allem zu bb) die Nahrungsaufnahme und zu aa) die üblichen geschlechtlichen Dinge. Und machen wir uns im Unterschied dazu klar, dass alles andere , wie „ewiges Leben“, „Leben“ nach dem Tod, also auch die vorhin erwähnte so genannte „Unsterblichkeit“ usw. Metaphern sind – ohne dass wir in die Idiotie verfallen, Metaphern seien etwas Minderwertiges.
      – Hat jemand konventionalistische, ästhetisierende, moralinistische Bedenken gegen den Denkstil? Es gibt ja immer Menschen mit vorgeschütztem spitzigen Feingefühl, die auf andere Art geachtet werden wollen, als es angebracht ist. Aber wenn jemand trotz allem Bedenken hat, so lese er Matth.22,23-33(29-31), Mark.12,18-27(24-26) und Luk.20,27-40(34-37); ich übersetze die entscheidenden Worte beim erstgenannten dieser drei Synoptiker: „ ... wenn sie auferstanden sind“, der jüdische Begriff anstelle der einfachen Fortdauer nach dem Tod, „heiraten sie nicht und werden sie nicht geheiratet, sondern sind wie die Engel im Himmel ... .“ Trotzdem verwendet auch der Nazarener den Begriff des Lebens in metaphorischer Bedeutung, er tut es sogar besonders oft und immer wieder. Warum auch nicht? Wie schon gesagt, wer sollte etwas gegen Metaphern haben? Man sollte nur etwas dagegen haben, wenn jemand Metaphern und unmittelbare Anwendung nicht auseinanderhalten kann. Oder wenn er intellektuell richtige Unterscheidungen, vor allem solche, die die Voraussetzung für entscheidende Einsichten sind, aus engstirniger Gesinnung zu unterdrücken sucht, weil sie ihm ungewohnt sind oder weil er jetzt die Gelegenheit gekommen glaubt, so zu tun, als ob er ein besserer Mensch wäre. –
      Aber zurück zum Willen und zum Leben: Vergleichen wir nun also beide Begriffe und Wesenheiten miteinander, so ist der Wille mit seinem „aus sich Selber“ erstens gerade die Grundkraft und insofern die Grundsubstanz – nur nicht im statischen Sinne – die allen übrigen zugrunde liegt; auch dem Leben. Es gibt, wie wir verdeutlicht haben, Weltwesen mit Willen, aber ohne Leben; ersteres durchaus im Sinne Schopenhauers, aber keine mit Leben ohne Willen. Das heißt: der Wille ist der weitere Begriff, das, was allen gemeinsam ist; das Leben ist nur eine seiner Modalitäten, die hinzukommen kann, die aber oft auch fehlt.
      Und fassen wir bei all dem ins Auge, dass der Wille bei diesen Verhältnissen eine Voraussetzung des Lebens ist, dass er weitgehend auch sein Träger ist und als solcher von den lebenden Wesen wahrgenommen wird, soweit sie voll auf der Höhe sind; dass aber das Leben nicht seine Voraussetzung ist und dass erst recht sein Wesen nicht das des Lebens ist: Er ist das „dynamische Sein oder Werden aus sich Selber“, aber für sich betrachtet, kennt er aa) nicht die soeben gehabte Fortpflanzung – der Zellen im Einzelnen und der Einzelnen in der Spezies – mit ihrem Stirb und Werde. Er selber lebt also nicht eigentlich! Es sei denn, bb), soweit er der „Wille“ eines „Lebewesens“ ist; aber auch dann lebt er in demselben Sinne nicht, in dem der Seefahrer nicht die Seefahrt ist; er „lebt“ so, wie der Seefahrer „zur See fährt“. Wir haben cc) auch nicht den geringsten Grund zu glauben, dass der Wille sich im Fall bb) auf das Interesse an der Fortpflanzung der Zellen im Einzelnen und der Einzelnen in der Spezies beschränkt. Er stirbt infolgedessen nicht, der Wille erliegt und unterliegt dem Tode nicht, es fehlt ihm jede Beziehung zu ihm, wie es besonders deutlich und unmittelbar am „dynamischen aus sich Selber“ der Mineralien und der übrigen nicht lebenden Weltwesen sichtbar wird!
     – Vielleicht hat der eine oder andere nachdenkliche Mensch schon einmal das Gedankenerlebnis gehabt: es sei eine Anomalie, dass anorganische Körper nicht sterben, nicht verschwinden, oder wie man es auch nenne, sondern dass sie grundsätzlich unbegrenzt weiter existieren, Umwandlungen mit inbegriffen; wir wissen ja: „Kein Wesen kann zu nichts zerfallen. /Das Ewige regt sich fort in allen“ (Goethe) – während diese Regel bei Lebewesen, und so auch beim Menschen, in tragischer Weise versage. Vielleicht hat der Betreffende sich das Phänomen so klargemacht: das Leben sei, in überaus wesentlichem Ausmaß, eine höhere Stufe; und das „bezahle“ man mit dem „Zerfall zu Nichts“. Und vielleicht hat er diese Regelung der „Natur“, vor allem die Tragik, die darin liegt, für besonders weise und unausweichlich gehalten – wenn er sich „neurotisch gelesen“ hat, durch bösartigen Kitsch oder durch „das Rationale“, weil er es versäumt hat, sich im Laufe seines Lebens zur Logik hin- und folglich von modernem Denken wegzudenken, mit erzieherischer Härte gegen sich, aber neutral zwischen Optimismus und Pessimismus, so wie Logiker und Realisten eben denken.
      Oder er hat sich, weit davon entfernt, vor lauter Geschwätz neurotisch zu werden, ganz im Gegenteil gesagt: es stimmt weder hinten noch vorne, Höherentwicklung, zum Lebendigen, hat nichts und aber nichts mit Strafwürdigkeit oder Ähnlichem zu tun, etwa mit der Notwendigkeit, „dafür zu zahlen“. Ergo! Viel eher wird die Anomalie durch jene Ebenmäßigkeit behoben, die in Gestalt einer Fortdauer nach dem Tod über die empirische Schicht hinausgeht. Wir werden es sehen. –
      „Tot“ ist nur, was vorher gelebt hat; der Ausdruck „tote Materie“ ist wieder einmal nur eine Metapher; und zwar dieses Mal eine, die nicht angebracht ist; sondern die in eitler Übertreibung der gar nicht erst lebenden und infolgedessen auch nicht sterbenden Materie einen Nachteil andichtet, der ihr ebenso wenig eigen ist wie das Leben; und die uns mit dieser schlechten Art, wo möglich auf unbewussten Kanälen, dazu verleiten – oder dazu beitragen – könnte, dass wir den nach dem Tod verbleibenden Willen eines Menschen ebenfalls für tot erklären.
      Wie gesagt: Was nicht lebt, stirbt auch nicht! Der Tod entspricht dem Leben und dessen Manifestation, dem Organismus, als beider Ende; darüber hinaus, bis in den Willen der lebenden Wesen, reicht die Macht des Todes nicht!

Die Nichtwahrnehmbarkeit des Willens nach dem Tod.

Allerdings könnte es den einen oder anderen stören, dass dieser Wille, wenn der Tod seine Wirkung getan hat, nicht mehr empirisch wahrnehmbar ist; auch nicht mehr als allgemeines menschliches Streben außerhalb dessen, was am lebenden Menschen als Einzelzelle speziell auf die Zellfortpflanzung zur Erhaltung des Individuums und als Geschlechtsorgan auf die Erhaltung der Spezies hinwies, was also im Ganzen auf das Leben hindeutete.
      Die Frage ist also: Warum bleibt beim Tod des Menschen kein körperlich sichtbarer Wille übrig? Und die Antwort: Unter anderem deshalb nicht, weil auch während seines Lebens kein körperlicher Wille, sondern nur Leben als eine der frei gewählten teilweisen Modalitäten des Willens zu sehen war; nämlich: die Körperzellen, die sich fortpflanzen, um das Individuum zu erhalten; und: die Geschlechtsteile, Geschlechtsakte und Geburten, die die Spezies erhalten, gemäß unserer Definition des Lebens im eigentlichen, nicht-metaphorischen Sinne (siehe hier unter Nr. III im ersten Teil). Der nackte Leib zeigt keinen Willen schlechthin, sondern nur Leben, blühend oder verfallend oder erträglich, als eine seiner teilweisen Modifikationen, wie gesagt.
      Also keine empirische Wahrnehmung vom Willen im umfassenden Sinn? Keine äußere empirische Wahrnehmung von ihm! Denn es gibt ja auch eine nach innen gerichtete Erfahrung: die Wahrnehmung des jeweils eigenen Willens des Einzelnen, seiner Gefühle: Liebe, Hass, Freude, Trauer usw., seines gesamten Innenlebens, seiner inneren Kultur, oder auch seiner inneren Barbarei oder Schlechtigkeit. Alles dessen, soweit es in der entsprechenden teilweisen Ausrichtung des Willens, und nicht irgendeiner anderen Kraft, besteht. Ebenso gibt es die entsprechende Wahrnehmung des jeweils eigenen Willens anderer Menschen, hier allerdings nur mittelbar, über äußere Wege, Sprache, Musik usw. Und in beiderlei Sinne, des eigenen unmittelbar und des fremden mittelbar wahrgenommenen Willens, wird der Wille nun also auch nach dem Tod weiterbestehen.
      Nur haben wir naturgemäß, da es sich um innere empirische Wahrnehmung handelt, keine äußere empirische Wahrnehmung mehr von diesen Dingen; das heißt: unsere verstorbenen Mitmenschen können uns über ihr Inneres – normalerweise! – keine äußeren Zeichen mehr geben; und wir selbst können sie ihnen von uns aus – normalerweise! – ebenfalls nicht mehr geben, wenn wir verstorben sind. Alles das, wie gesagt, ist ausschließlich eine Folge dessen, dass der Wille von den Objekten oder Gegenständen seiner Kräfte nur das Leben nach außen gekehrt hatte und deshalb jetzt, nach dem Tod, dem Ende des Lebens, nichts mehr hat, mit dem er es genauso machen kann. Und dass er das also nicht mehr hat, dass folglich der Wille anderer für uns, und nach unserem eigenen Tod unser eigener Wille für andere, nicht mehr mittelbar sinnlich wahrnehmbar ist, bedeutet demnach nicht, dass der Wille selbst nach ihrem, beziehungsweise nach unserem Tod „zu Nichts zerfallen wäre“: als Kern unseres Wesens, ausgerechnet als das „dynamische aus sich selber Seiende oder immer von Neuem Werdende“, das wegen seines „aus sich Selber“ selbst darüber bestimmt, ob es im Sein verbleiben will oder nicht; und das sich bei seinem ewigen Entschluss – die Zeit ist ja nur der empirischen Schicht eigen – längst ein für allemal für das Sein entschieden hat.

Der Intellekt nach dem Tod.

Und alles das wirkt sich, vom Willen her, auch auf den Intellekt aus – der ja vom Willen ausgeht und von dem der Wille, umgekehrt, nicht ausgeht – : Derjenige Intellekt, der dem Willen während unseres Erdenlebens entspricht, mit der Einsicht in diese Seite unseres Willens, muss nicht unbedingt, und womöglich auch noch vollständig und völlig unverändert, nach dem Tod weiterexistieren. Dagegen ist das Vorhandensein eines andersartigen Intellektes, der uns vielleicht nur noch an gewissen Punkten unserer Existenz an unsere Präexistenz erinnert, oder der auch nicht einmal mehr das, in allen! Reife- oder Korruptionsstadien unseres Daseins, für uns leistet, der dafür aber unserem tiefinnersten Willen nach dem Tod besser entspricht – das Vorhandensein eines solchen Intellektes also ist auch nach unserem Tod das Normale: das, was der Norm entspricht. Und was ist diese Norm? Es ist das, was uns Menschen als Zwischenwesen zwischen dem Nichts und dem Allerhöchsten erfahrungsgemäß entspricht: einer Existenz nicht nur mit Willen – den alle haben, in dem alle bestehen – sondern auch mit einem Intellekt; und zwar „mutatis mutandis“ „mit den angemessenen Änderungen“; also vor dem Tode so, dass unser Intellekt diesem empirischen Leben angemessen ist, ihm entspricht, und nach dem Tod so, wie er unserem Willen dann entspricht; in beiden Fällen sind wir ja das besagte Zwischenwesen: das Vernunftwesen, das animal rationale. Die Norm nach dem Tod ist also ein Intellekt, der vielleicht nicht mit Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft, der aber mit entsprechend modifizierten Kräften und Kategorien für diejenige außerempirische Schicht ausgestattet ist, in der wir nach dem Tod existieren, soweit wir dann nicht doch wieder für ein weiteres Mal in die uns jetzt bekannte Empirie zurückgekehrt sein sollten (siehe dazu im Triptychon unter „Der Wille als Grundlage des Lebens“).
      Im Übrigen hat der Intellekt, im weitesten Sinne und einschließlich aller sinnlichen Wahrnehmungen, so wie er uns hier „auf Erden“ in der empirischen Welt dient, die Besonderheit, dass er diese empirische Schicht gleich mitumfasst. In welchem Sinne? Die empirische Schicht ist ausschließlich seine „Erscheinung“ oder „Vorstellung“; fiele diese „Vorstellung“ also weg, so wären wir auch schon nicht mehr in der empirischen Schicht; natürlich ist nur die innere „Vorstellung“ gemeint: Raum, Zeit und Kausalität nur als Intellektualität; bloße Blindheit entrückt uns nicht aus dieser Welt, und normalerweise können wir auch nicht entrückt werden, solange wir in unserem Leib sind. Ich denke, die Sache ist klar. Und die Folge? Eine massive und direkte Erinnerung an frühere Daseinsformen, geradezu ihr Erleben, nicht etwa bloße Träume, Ahnungen und Ähnliches, würde die ebenso massive und direkte Entrückung des sich Erinnernden voraussetzen, das Verschwinden der empirischen Welt, einschließlich seines eigenen Leibes, vor seinem geistigen Auge – während z.B. eine bloße parapsychologische Erinnerung, die ja vorkommen könnte, nur eine sehr schwache, vorübergehende und überdies mehrfach widergespiegelte Entrückung voraussetzen würde.
      Aber immerhin: wir hatten das Problem, warum wir uns nicht massiv an frühere Existenzen erinnern; und wir haben nun die Lösung des Problems mit Hilfe des Kantischen Idealismus, wonach die empirische Schicht, in der wir jetzt leben, ausschließlich „Erscheinung“, ausschließlich unsere „Vorstellung“ ist, bei der wir schon bleiben müssen, wenn wir in der empirischen Schicht bleiben wollen – bis wir irgendwann einmal, am Ende aller unserer Entwickelungen, denn auch alle unsere Daseinsstufen überblicken.


Hervorhebung der ersten Begründung für die Fortdauer.

Doch zurück zum Willen! verlassen wir den Intellekt wieder: wir haben ja nun schon, anlässlich der Schlussfolgerung vom „dynamischen“ „aus sich Selber“ auf die Existenz des Vollkommenen und Allerhöchsten, die Tatsache einer Zwischenstufe des „aus sich Selber“ kennen gelernt, zu der unter anderem wir Menschen gehören. Und in dieser Zwischenstufe als solcher, ganz abgesehen von ihren ethischen und kulturellen Inhalten, hatten wir denn auch eine Grundlage für den Gedanken der unerschöpflich und unergründlich tiefen Innerlichkeit des „aus sich Selber“. Denn in Wahrheit lässt sich ja wohl keine intensivere und wahrere Innerlichkeit denken als die eines Seienden „aus sich selber“. Wir brauchen dafür keine lange Begründung; es genügt eine bloße Besinnung: auf die unendliche Tiefe einer solchen „Verursachung“ seiner selbst, die schon keine eigentliche Verursachung mehr ist, weil jede eigentliche und für uns begreifliche Ursache innerhalb der empirischen Schicht von ihrer Wirkung numerisch unterschieden ist, und umgekehrt; was im Bereich des „aus sich Selber“ also nicht der Fall ist. Und auch die sozusagen sinnliche, wenn auch innere Wahrnehmung dieser Tiefen wird als Grundlage für einen modifizierten Intellekt nach dem Tod weiterbestehen, weil ja in Gestalt unseres „aus sich selber seienden“ Willens auch diese Tiefen selbst bestehen bleiben.
      – Im ersten Teil des Triptychons haben wir deshalb den Begriff des „aus sich selber Seienden“ zum ersten Mal genauer gerechtfertigt. Was aber andererseits auch nicht schwer war, weil wir nur die absurden Konsequenzen zu bedenken brauchten, die sich ergäben, wenn jedes Wesen, „an sich“, und nicht nur als „Erscheinung“ oder „Vorstellung“, „aus anderem“ wäre und folglich immer und unaufhörlich jedes weitere Wesen im rückwärtigen Anschluss an dieses „andere“ wieder aus einem „anderen“ entstanden sein müsste. –
      Also, kurz und gut, die unendliche Tiefe jedes „aus sich Selber“, auch des anorganischen, liegt auf der Hand. Auch insofern gilt Nietzsches Wort „O Mensch gib acht. Die Welt ist tiefer als der Tag gedacht“. Und unser Wille hat es unter anderem schon deshalb nicht nötig, gleichgültig, ob vor oder nach dem Tod, empirisch, nach außen, für die fünf Sinne von wem auch immer wahrnehmbar zu sein: er ist als „aus sich Selber“ für einen unfreiwilligen Untergang nicht geeignet; er hat in derselben Eigenschaft einen so genannten freiwilligen Untergang durch seinen zeitlosen, ewigen Entschluss, „aus sich selber“ zu sein, ausgeschlossen – alles ist „an sich“ ja zeitlos – und ihn insofern, zeitlich betrachtet, sogar unmöglich gemacht. Und das alles: unser menschlicher Wille, der Gegenstand unserer inneren Erfahrung, unser „dynamisches“ „aus uns Selber“, das Robusteste, was sich denken lässt, unsere gesamte menschliche Innerlichkeit, soweit sie dem Voluntativen, dem Willen, angehört, der eigentliche Mensch im Willen bestehend, alles das, wie gesagt, ist die Substanz – das Mindeste von einem „aus sich Selber“! – um deren Fortdauer nach dem Tod es geht.
      Und dafür, dass diese Substanz nicht durch den Tod „zu Nichts zerfallen“ ist, haben wir nun also einen ersten Grund: die Unterscheidung zwischen Leben und Willen: Der Tod trifft nur und ausschließlich das Leben, nicht den Willen, nicht ausgerechnet das „dynamische aus sich Selber“, ebenso wenig, wie er den Willen, das „dynamische“ „aus sich Selber“ des Steines oder irgendeines sonstigen anorganischen Körpers, trifft – falls es uns überhaupt, und von vornherein schon, als plausibel oder auch nur als denkbar erscheinen sollte, dass die gewaltige Differenz zwischen einem lebenden Menschen und seinem Leichnam, diese gesamte Kraft seines menschlichen Willens, erst recht vor seinem eigenen inneren Blick, sich ersatzlos in Nichts verwandelt.


Die zweite Begründung für die Fortdauer.

Der zweite Grund, weshalb wir nicht „zu nichts zerfallen“ können, besteht im „aus sich selber Sein“ des Willens, unabhängig davon, dass der Tod das Leben, und nicht den Willen trifft; der zweite Grund besteht darin, dass der Wille in Gestalt des „aus sich Selber“ schon von seinem allerersten Grund her, der über sein ganzes Sein und Wesen herrscht, voll und ganz selbst über sich und sein Dasein bestimmt, wie wir es in anderen Zusammenhängen oft begründet haben; der Wille hat auch die nötige Einsicht, oder er hat den Ersatz für diese Einsicht und weiß, in welches Dasein er sich sozusagen „flüchten“ muss und dass er es muss – wir werden gerade auf diesen Punkt, nach weiteren Ergänzungen, am Ende ausführlicher zurückkommen – sodass auf der Grundlage aller dieser tiefen Bereiche eine echte und wirkliche Furcht, „ins Nichts dahinzufließen“, objektiv nicht zu halten ist.
      Oder ließe sich einwenden, außer seinem „aus sich Selber“, seiner A-se-ität, brauche der Wille auch die Lebensfunktionen: Nahrungsaufnahme und Geschlechtlichkeit, um zu existieren? Nun hat sich aber soeben erstens ergeben, dass der Wille nicht nur etwas anderes ist als das Leben; sondern dass das Leben von ihm abhängt, nicht umgekehrt; und dass Nahrungsaufnahme und Geschlechtlichkeit Funktionen des Lebens sind. Also ist der Wille von diesen Funktionen nicht abhängig.
      Aber sollten wir es so kurz abmachen? Es handelt sich bei dem Einwand letzten Endes um eine Art Schopenhauerisch-Kantischer Kritik im Stil der „Kritik der reinen Vernunft“, wenn auch von uns selbst erdacht und angewandt auf einen von unseren Gedanken; die Kritik würde dann etwa lauten: „Der Wille hat seine Existenzfähigkeit nur in Verbindung mit lebendigen Organismen bewiesen, also nur in Verbindung mit dem, was wir das Leben nennen; dass er auch ohne diese Verbindung existieren kann, ist nirgendwo Gegenstand der Erfahrung und bleibt infolgedessen für immer unerweislich.“ Nun ist aber unser Wille, auch allein und für sich betrachtet, eine Erfahrung; sein Zusammenexistieren mit dem Leben ändert nichts daran; und wir haben nicht das geringste Recht, das Ergebnis dieser Erfahrung durch Vermengen mit der des Zusammenexistierens vorwegzunehmen, so wie wir es jetzt im Namen der gedachten Kritik Kants und Schopenhauers gerade getan hätten.
      Betrachten wir also den Begriff des Willens allein und für sich, unabhängig von der Frage, ob das Leben von ihm oder er vom Leben abhängig ist – und ziehen wir dabei rein theoretisch auch in Betracht, ob weder das eine noch das andere zutrifft!
      Also, wir sind immer zu dem Ergebnis gekommen, dass der Wille, seinem Wesen nach, sozusagen seiner Substanz nach, absolute und reine Subjektivität ist; und zwar ohne alle Intellektualität, sauber und genau getrennt vom Intellekt. Woher wissen wir, dass es sich mit den beiden Größen so verhält? Die Menschheit, jeder von uns, hat es immer so, und nicht anders, im Innern der Individualität jedes Einzelnen gespürt und vor allem erlebt, also „erfahren“, anders als die gerade wiedergegebene Kritik behauptet – oder vielleicht auch nur impliziert; wir haben es uns bis jetzt, bis vor einigen Jahrzehnten (bis zum Beginn der vier kommentierten Kierkegaard-Ausgaben zwischen 1984 und 2000 und vor den Ausführungen hier auf dieser der Netzseite) nur nicht klar und bewusst gemacht, geschweige denn ausgesprochen. Und wie geben wir die reine, von aller Intellektualität getrennte Subjektivität des Willens wieder? Als das reine, ausschließliche ontische, nicht-intellektuelle Ausgehen vom Subjekt, also als „Sein aus sich selber“! So also haben wir den Willen immer schon aufgefasst, ohne uns darüber Rechenschaft zu geben – nämlich sauber getrennt vom Intellekt; „getrennt“ gedacht, aber schadet das etwas? – ; wir brauchen nur den Begriff mit Worten so wiederzugeben, wie wir ihn ohne Worte, auch ohne in unserem Innern ausgesprochene Worte, schon immer „verstanden“: gefühlt und empfunden, also „erfahren“ haben. Dass es aber für unsere inneren Tatsachen vor ihrer Entdeckung und äußeren Dokumentierung keine bessere Dokumentierung gab, lag daran, dass es eben innere, und keine äußeren Tatsachen sind und dass sich vorher niemand in angemessener Weise auf sie besonnen hatte.
      Und was ergibt sich aus dem reinen, ausschließlich ontischen, nicht-intellektuellen Ausgehen vom Subjekt? Es ergibt sich daraus, dass die oberste Spitze der Gesamtheit der Subjekte allein bestimmt, was und wie viel sie ist, und infolgedessen auch, was und wie viel sie kann oder vermag; dass sie also frei und allmächtig ist – im Sinne des Satzes „Agere sequitur esse“ „Das Verhalten ergibt sich aus dem Sein“. Was nun also kein bloßer erhabener und erbaulicher Grundsatz ist, sondern eine Wahrheit, deren Grundlage die Menschheit unbewusst schon immer gekannt und sich nur noch nicht klar gemacht hatte.
      Und die Alternative wäre? Die Abhängigkeit der Existenz des Willens von den Lebensfunktionen, nämlich von der Nahrungsaufnahme, von der Geschlechtlichkeit oder von beidem, entweder aa) im Sinne der determinierten Wirkung seitens der stets determinierenden Wirkursache oder bb) im Sinne der Abhängigkeit des Bedingten von der Bedingung. Warum aber sollte es sich nicht gerade in diesem letzteren Sinne, zu aa) und zu bb), verhalten? Der ontisch zu verstehende Wille ist unabhängig vom Intellekt, gut; aber die Frage ist, woher wir wissen, dass er auch von den jedenfalls gleicherweise wie er ontisch zu verstehenden beiden Lebensfunktionen der Nahrungsaufnahme und der Geschlechtlichkeit unabhängig ist? Und die Anwort:
      Dann wäre das, was wir jetzt „Wille“ nennen, aber eben auch kein Wille, sondern ein Mechanismus; und zwar auch im Fall bb): wegen der Abhängigkeit von der Bedingung.
      Wille und Mechanismus – das sind die Alternativen, die Gegenbegriffe! Vor allem aber ist der Begriff des Mechanismus, in diesem Begriffspaar zusammen mit dem des Willens, das, was den Inhalt des ihm entgegengesetzten Willensbegriffes nun vollends greifbar und ein weiteres Mal zu etwas Bewiesenem macht; denn die beiden Begriffe erstens des Mechanischen als etwas Bedingten oder sogar wirkursächlich Bewirkten, jedenfalls Determinierten, und zweitens des Gegensatzes zwischen Willen und Mechanismus hatten wir auch bisher schon in voller Bewusstheit und begrifflicher Ausgestaltung – anders als es sich mit dem isolierten Begriff des Willens verhielt, von dem wir uns, wie gesagt, nur schwache, unbewusste Vorstellungen gemacht hatten. Und aus dem Mechanischen nun als etwas Determiniertem und dem kontradiktorischen Gegensatz des Willensbegriffes zum Mechanischen ergibt sich – wie gesagt: ein weiteres Mal – der Begriff des Willens als etwas Nichtdeterminierten, also Nichtverursachten, also „aus sich selber Seienden“, wenn wir uns gerade diesen zuletzt genannten Punkt auch noch nicht klargemacht hatten.
      Oder behauptet nun vielleicht jemand, das sei ja gerade der Sinn des Determinismus, dass alles mechanischer Natur sei und dass wir uns einen Willen, das heißt: etwas Nichtmechanisches, nur eingebildet hätten?
      Dann möge er aber auch die Konsequenz ziehen; das heißt: dann ergibt sich entweder die schon öfter angesprochene endlose Kette von „Seienden aus anderem“, in der bis ins Unendliche zu jedem Wesen wieder ein weiteres gedacht werden muss, „aus dem es ist“; was total absurd ist, wenn es um Wesen geht, die „an sich“ existieren – anders nur bei „Erscheinungen“ oder „Vorstellungen“ – Oder wir glauben an ein oder mehrere göttliche Wesen, die „aus sich selber“ sind und die alle anderen, die dann „aus anderem“ sind, wirkursächlich und determiniert ins Dasein bringen. Beide Möglichkeiten übrigens mit der weiteren Konsequenz, dass ethische Begriffe, ethisches Empfinden und Urteilen sowie ethische Verantwortung, und im weiteren Verfolg des Gedankens Justiz, Gerechtigkeit usw., für uns Menschen gar nicht erst in Betracht kämen. Entweder also so.
      Oder wir ziehen es vor, unseren Willen als das „dynamische“ „aus sich Selber“ auch begrifflich und in unserer Sprache als das zu akzeptieren, als was wir ihn erleben, mit allem Weiteren, wie bisher gehabt, einschließlich des Gedankens, dass jedes, auch anorganische Wesen „aus sich selber“ ist, wir wissen ja: alles auf Erden ist letzten Endes Energie, Dynamik; usf.
      Das heißt, es geht um die A-se-ität, das „aus sich Selber“, das „ens a se“, um die Unabhängigkeit des Willens angesichts dessen, was ihm durch den Tod genommen werden könnte und was eben in seinem Fall wegen absoluter Subjektivität: absoluter Selbstständigkeit und Voraussetzungslosigkeit, gleich Null ist. Es ist dieselbe A-se-ität, die wir soeben, vor Kurzem, an der Spitze der Gesamtheit des “aus sich Selber“, sogar als das Allmächtige erkannten. Mit anderen Worten und von einem anderen Blickwinkel her: das Neue ist (seit einigen Jahrzehnten) die erstmals konsequente Berücksichtigung des Willensbegriffes.
      Allerdings: der Wille ist „Ding an sich“; und Mechanismen gibt es nur in der „Erscheinung“ oder „Vorstellung“, Mechanismen sind abhängig, determiniert, bedingt; Determinationen kommen nur durch Ursachen zustande, nur durch Kausalität, und die Kausalität nur durch die Zeit: Raum, Zeit und Kausalität machen das Gewebe der „Erscheinungen“, der „Vorstellungen“ aus – eben mit ihren Mechanismen, den von Menschen gemachten und den natürlichen, allein schon von Raum, Zeit und Kausalität herrührenden.
      Und im ganzen gilt: jedes Weltwesen existiert als „Ding an sich“ so gut wie als „Erscheinung“ oder Vorstellung“; und ist als „Ding an sich“ immer und ausschließlich „aus sich selber“ – so gut wie alles und jedes als „Erscheinung“ oder „Vorstellung“, soweit es beides ist, determiniert „aus anderem“ ist.
      Aber diese Unterscheidung und Einteilung besagt nichts gegen irgendeinen der Sätze, die wir im Vorhergehenden aufgestellt haben.
      Und – um nun darauf zurückzukommen – sie besagt auch nichts gegen den soeben genannten zweiten Grund, aus dem wir nicht „zu nichts zerfallen“. Denn es ist ja klar: der Grund besteht im „aus sich selber Sein“ des Willens: darin, dass der Wille schon aus diesem ihn ganz beherrschenden Grunde voll und ganz über sich und sein Dasein bestimmt und es beherrscht; einschließlich des „Wissens“ oder eines gleichwertigen Weges, auf dem er sein Ziel erreichen kann – wir sagten es vorhin und kommen ganz am Ende ausführlicher darauf zurück – . Sodass eine Furcht von Seiten des Willens, „ins Nichts dahinzufließen“, wirklich und wahrhaftig nicht berechtigt ist.
      Unser Wille kann allerdings geteilt sein – um noch weitere Punkte durchzugehen – wir können zum Beispiel, sehr im Gegensatz zu unserem Bewusstsein, unbewusst wünschen, unseren Schirm zu vergessen oder zu verlieren, um die Illusion, sozusagen ein Psycho-Symbol dafür zu haben, es werde von da an ewig gutes Wetter sein. Aber die Teilung in einen Willen zur Selbstvernichtung und einen anderen zur Selbsterhaltung wäre deshalb ausgeschlossen und widersprüchlich, weil jeder dieser beiden sogenannten „Teile“ wegen der Totalität seines Zieles, des von ihm Gewollten, zugleich die Totalität des Willens bedeuten würde.
      Der Wille ist gar nicht imstande, sich selber aufzuheben. Er, müsste eine Selbstaufhebung dann jedenfalls zur Gänze wollen, wie wir sahen; und er müsste demnach, der er ja ein Wollen ist, sich selbst, und damit dieses selbe begrifflich zielbestimmte Wollen, aktivieren – mit dem Ziel, sich aufzuheben!
      Darüber hinaus leitet uns der Gedanke von der Widersprüchlichkeit einer Selbstaufhebung des Willens zu seiner Zeitlosigkeit, durch die die Widersprüchlichkeit in perfektester Weise deutlich wird: Man kann die Zeitlosigkeit des Willens, die ihm als „Ding an sich“ eigen ist, an Hand der ersten Schrift des Triptychons „Determiniert? Durch was denn?“ repetieren (siehe dort „Ein scheinbarer Widerspruch und seine Auflösung. Die Naturgesetze“). Die Zeitlosigkeit oder Ewigkeit des Willens wird sich danach aus der umfassenden, lückenlosen Kausalverkettung – und insofern schon aus der Einheit – der sukzessiven, naturgesetzlichen und insoweit determiniert „erscheinenden“ Vorgänge in der Zeit ergeben: aus der „Erscheinung“ der Willensakte – in denen die empirischen Vorgänge bestehen:
      Denn die Verkettung miteinander ist angesichts der Abwesenheit wirklich determinierender Faktoren in der Natur nur dann zu verstehen, wenn man sie als sukzessive, zeitliche „Erscheinung“ oder „Vorstellung“ ihrer nicht-sukzessiven, völligen Einheit und Freiheit in der zeitlosen Ewigkeit des „Dinges an sich“ versteht. Wieso „gibt es in der Natur keine wirklich determinierenden Faktoren“? Wieso „determiniert sich“ die Natur offenbar „selbst“, und zwar nicht als Ganzes – zumal sie als Ganzes kein Individuum ist – sondern in Gestalt jedes ihrer kleineren und kleinsten organischen und anorganischen Wesen? Woher also wissen wir, dass sich diese Wesen sämtlich einzeln selbst determinieren? Antwort: wir haben längst festgestellt, und die Feststellung immer wieder begründet, dass sie samt und sonders „aus sich selber“ sind und sich demnach einzeln selbst bestimmen – teils in Harmonie und teils auch ohne.
      Nun bedeutet aber „Selbstbestimmung“, Selbstdetermination, im Gegensatz zu „Determination“ oder „Determiniertheit“ nichts als „Freiheit und Selbstbestimmung“. Nur mit der Besonderheit, dass diese Selbstbestimmung „vom Anbeginn der Welt an bis zu ihrem Ende“, innerhalb der Schicht der „Erscheinung“, ein für allemal, immer nach demselben Muster, mit anderen Worten: nach unverbrüchlichen Naturgesetzen verläuft; und wir werden jetzt sehen, wie das möglich ist:
      „Die Natur gibt sich ihre Gesetze selbst“, mit Kant zu reden. Und wir befinden uns damit nun also unter anderem bei einem Kommentar zu eben diesem grundlegend Kantischen, wenngleich von Kant scheinbar ganz anders begründeten Ergebnis. Kant sagt zugleich – und meint damit dasselbe – : wir sind es, die die Naturgesetze: die Kausalität, die Ursachen und ihre determinierende Wirkung, ebenso wie Raum und Zeit, „in die Natur hineinlegen“; weshalb eben Raum, Zeit und Kausalität nur „Erscheinungen“, nur unsere! „Vorstellungen“ sind – etwas anderes ist aber auch „die Natur“ nicht, ganz wörtlich verstanden – wobei wir die „Vorstellungen“, die „Erscheinungen“ stets nach denselben, unverbrüchlichen Gesetzen „in die Natur“ – in unseren eigenen Kopf – „hineinverlegen“!
      Aber nun zunächst einmal: hat jemand Schwierigkeiten wegen der hier zum Ausdruck kommenden Identität der Natur mit, oder vielleicht vorsichtiger: ihrer Beherrschtheit von Raum, Zeit und Kausalität = Determination, als bloßen „Erscheinungen“ oder „Vorstellungen“ in unserem Kopf? Die Gleichung ist das Ergebnis der bisher unübertroffenen Philosophien Kants und Schopenhauers. Ich habe dafür (auch hier in dieser Datei) die sehr kurze und sehr klare „Transzendentale Ästhetik“ Kants am Anfang der „Kritik der reinen Vernunft“ zitiert und wiedergegeben. Aber wir brauchten das alles nicht einmal, wir sind inzwischen mit Klarheit, Einfachheit und Überzeugungskraft viel weiter. Schon der Wille mit seinem völlig unkausalen „aus sich Selber“ als „Ding an sich“ ist nicht von dieser Welt der „Natürlichkeit“ mit ihrer flächendeckenden Kausalität – und folglich Beweis genug für die Natur als bloße „Erscheinung“.
      Nur sind wir damit, wegen der jetzt gleichfalls zum Ausdruck gekommenen Unverbrüchlichkeit der Naturgesetze, noch nicht am Ende. Wie erklärt sich diese Unverbrüchlichkeit, trotz aller Freiheit der Natur, ganz direkt und ohne jeden Rest? Sie erklärt sich, indem die naturgesetzliche Verkettung der Selbstdeterminationen, der scheinbaren Determinationen, wegen deren „aus sich Selber“ und damit wegen des Fehlens wirklicher Determination in der Natur, als sukzessive, bloße zeitliche „Erscheinung“ ihrer nicht-sukzessiven Einheit zu verstehen ist: ihrer nicht-sukzessiven, folglich nicht-kausalen und nicht-determinierenden völligen Einheit und Freiheit, so wie diese Einheit in der zeitlosen Ewigkeit, in der Schicht des „Dinges an sich“ zu finden ist.
      Hier aber, in der Gleichzeitigkeit der Sukzessionslosigkeit: der Zeitlosigkeit: der Ewigkeit, wäre eine Selbstaufhebung des Willens, und demnach ein Eintritt ins Dasein zusammen mit einem Wiederaustritt – eben wegen der Gleichzeitigkeit oder mangels Aufeinanderfolge von beidem – nichts als ein klarer Widerspruch. Das heißt: wir haben hier, in der Zeitlosigkeit, in der Schicht des „Dinges an sich“, die Widersprüchlichkeit und damit die Unmöglichkeit einer Selbstaufhebung des Willens, von der wir schon am Anfang dieses Punktes sprachen, in potenzierter, in allerwahrster und perfektester Gestalt vor uns.
      Wir haben damit zugleich: das „aus sich Selber“, wie schon ausgeführt: als ausreichende Begründung für unsere Fortdauer nach dem Tod.
      – Und ganz nebenher gesagt: es ist auf dieser Grundlage auch nicht mehr schwer, das Argument zu klären, unsere Fortdauer nach dem Tod sei deshalb sicher, weil der Tod die Vergänglichkeit, und die Vergänglichkeit die Zeit voraussetze, von der wir in der Ewigkeit jedoch abzusehen hätten. –
      Der dänische Philosoph Kierkegaard, in einem gewissen Sinne der Vater der späteren so genannten Existenzialisten, schreibt in seiner Schrift über „Die Krankheit zum Tode“ (Hamburg 1995, Seite 17 unten f.): In diesem Sinne ist die Verzweiflung, diese Krankheit im Selbst, die Krankheit zum Tode. Der Verzweifelte ist todkrank. In einem ganz anderen Sinne, als es sonst von einer Krankheit gilt, hat die Krankheit gerade die edelsten Teile angegriffen; und doch kann er nicht sterben. Der Tod ist nicht das Letzte bei der Krankheit, sondern der Tod ist ständig das Letzte. Von dieser Krankheit durch den Tod erlöst zu werden, ist eine Unmöglichkeit, denn die Krankheit und ihre Qual – und der Tod bestehen gerade darin, nicht sterben zu können – ebenso, wie unsere ganze Existenz darin besteht, unseren Willen, unser Sein, auch im Tod nicht aufheben zu können.


Vertiefung zur Fortdauer des Willens überhaupt.

Fügen wir ganz beiläufig noch einige Überlegungen hinzu, die einerseits einfacher und weniger systematisch sind als manches von dem bisher Gehabten, die aber andererseits auch eine gewisse Vertiefung bedeuten können:
      Man sagt zum Beispiel, der Selbstmörder will nicht wirklich sterben, er will nur ein anderes Leben als das, mit dem er im Augenblick nicht fertig wird – das er aber von Ewigkeit her, so wie es ursprünglich war, selber gewollt hat und, ohne die Schwierigkeiten, die er hat, auch jetzt noch wollen würde.
      Oder man sieht im Streben des Willens nach Gott, nach der Teilhabe am Allerhöchsten, am höchsten Gut, im guten oder im bösen Sinne, eine Abhängigkeit des „aus sich Selber“; sodass der Einzelne sich mit seinem „aus sich Selber“ eben doch nicht ganz und vollständig in der Hand hätte. Allerdings geht es hier nicht um Sein oder Nichtsein nach dem Tod, sondern um die Gefahr eines Daseins ohne Gott, ohne die höchste Spitze des Seins, die einem ewig versagt bliebe, was auf die Dauer ein Inferno bedeuten würde. Aber das Streben nach einer Teilhabe am allerhöchsten, eigentlichen Sein geht aus dem Kern selbst des Willens hervor, aus nichts anderem als aus seinem „aus sich Selber“, er will es selbst und von sich aus (siehe vorhin unter II zur „Existenz Gottes“)! Und die Folge wäre? Dass es um manches gehen könnte, nur nicht um eine Abhängigkeit des Willens.
      Ähnlich mit der Einschränkung unserer A-se-ität, unseres „aus uns Selber“, die der eine oder andere darin sehen könnte – zu Unrecht allerdings – dass das höchste Wesen sich nicht auf unserer menschlichen Stufe, sondern erst in einer sehr viel höheren Schicht entfaltet. Denn was wäre die Antwort? Wenn wir uns einer solchen allgemeinen Seins-Notwendigkeit fügen, die wir selber durch unsere Teilhabe am allgemeinen „aus sich Selber“ mit allen seinen Abstufungen ständig mitbegründen (siehe vorhin Nr. II), so bedeutet das keine Abhängigkeit.
      Zurück zum Hauptgedankengang! Und soviel nun also erstens zur Unterscheidung zwischen Willen und Leben, mit anderen Worten: zwischen „dynamischem aus sich Selber“ und dem Leben – auch der Stein ist ja „dynamisch“ und „aus sich selber“, lebt aber nicht und stirbt genau deshalb auch nicht – und soviel denn auch zur Unterscheidung zwischen der Ebene des Willens und der des Todes. Und soviel zweitens zum Widerspruch zwischen dem „aus sich Selber“ des Willens und seinem Untergang.
      Wollten wir also anlässlich des Lebensendes oder Todes: nämlich anlässlich des Endes der Zellvermehrung und Individualerneuerung, der Individualvermehrung und Spezieserneuerung, nach einer weiteren Art des Untergangs suchen, nämlich auch für unseren Willen – den wir ja nun haben, der wir sind und der nicht deshalb unter den Tisch fällt, weil man ihn bei anderen nach dem Tod mit seinen fünf Sinnen nicht unmittelbar wahrnimmt, was man auch während des Lebens nicht tut – wollten wir also für diesen Willen, für uns selbst, nach einer anderen Art des Untergangs suchen, als der Tod es ist, der nicht sein Untergang ist, so hätten wir diese andere Art bis jetzt jedenfalls noch nicht gefunden.


Ein dritter Grund.

Es gibt, rein methodisch betrachtet, noch einen dritten Grund für unsere Fortdauer nach dem Tod, der rein inhaltlich allerdings nur eine Verstärkung des ersten Grundes ist. Er beruht auf bloßen empirischen Beobachtungen und hat deshalb etwas Volkstümliches; aber auch wissenschaftliche Mediziner erkennen ihn an, soweit sie nicht etwa durch hypermethodische „Wissenschaftlichkeit“, die oft auf bloßem sektiererischen Herkommen beruht, ein wenig unlogisch geworden sein sollten. Der Grund besagt: Nicht die Gesundheit trägt den Willen, sondern der Wille trägt die Gesundheit – so wie auch das Leben; nicht umgekehrt. Leben und Gesundheit können den Willen allerdings motivieren. Aber wozu? Dazu, dass er sie trägt.


2.) Die Fortdauer des individuellen Willens.

Soviel zur Fortdauer des Willens nach unserem Tod. Und mit dieser Auffassung stimmt zum Beispiel Schopenhauer, der erste bewusste und totale Voluntarist, überein; zwar nicht in den Begründungen, aber im Ergebnis. Allerdings tut er es auch hier nur zum Teil; denn nach seiner Auffassung besteht der Wille nach dem Tod nicht als individueller, sondern nur als kollektiver Wille fort, nur als eine Art Weltgeist oder Weltseele, als parmenideisches, spinozistisches „Ein und Alles“ „ἓν καì πᾶν“, in dem der Einzelne aufgeht, ohne einen Rest als Einzelner zu hinterlassen.
      Und Schopenhauers Begründung: Raum und Zeit, zwei Grundformen der „Welt als Vorstellung“ oder „als Erscheinung“, also der Welt, wie sie uns täglich gegenübertritt, solange wir leben, und danach nicht mehr, sollen das allein entscheidende „principium individuationis“ sein: der einzige Grund des Unterschiedes zwischen den Individuen; wir sollen also nur insoweit individuell verschieden sein, als wir hier im Leben aa) an verschiedenen Orten sind und bb) zu verschiedenen Zeiten leben („Die Welt als Wille und Vorstellung“ Band I §63 im 3. und 4. Absatz; Band II im 1. Absatz des 45. Kapitels).
      Nun bedarf Punkt aa) überhaupt keiner Erörterung: die Menschen sind nicht nur räumlich, sondern z.B. auch moralisch und dann noch in allen möglichen weiteren Rücksichten voneinander ganz offensichtlich geradezu atemberaubend verschieden. Punktum! Zumal sich der große Mann selbst nicht auf den Unsinn der Nicht-Unterscheidung im Übrigen beschränkt hat. Und Punkt bb) erfordert so viele Distinktionen und ist aus so vielen Gründen überflüssig, dass wir augenblicklich zu Schopenhauers schließlichem besseren Ansatz übergehen können, der aber bei Weitem nicht ausreicht – merkwürdig! der Punkt scheint Schopenhauer Kopfschmerzen der besonderen Art gemacht zu haben.
      Er folgert nämlich schließlich, gegen Ende seines Lebens (im II. Band der „Parerga und Paralipomena“ §116, 1. und 2. Absatz), „dass die Individualität nicht allein auf dem principio individuationis“, das heißt also bei ihm: nicht allein auf Raum und Zeit, „beruht und daher nicht durch und durch“ ! „bloße Erscheinung ist; sondern dass sie“ „im Dinge an sich, im Willen des Einzelnen, wurzelt: denn sein Charakter selbst ist individuell.“ Schopenhauer hebt im Laufe seines Schrifttums selber wiederholt die „große ethische Verschiedenheit“ der Charaktere hervor! Er fährt an der zitierten Stelle fort: „Wie tief nun aber hier“, „im Dinge an sich“, die „Wurzeln“ der Individualität „gehen, gehört zu den Fragen, deren Beantwortung ich nicht unternehme.“ Die Stelle ist schon psychologisch interessant, wegen der absolut nicht begründeten Weigerung, die Beantwortung der Frage auch nur zu „unternehmen“.
      Freunde, wir wissen ganz genau, Schuld und ethisches Verdienst sind individuell; eine Kollektivschuld gibt es nicht, wie jeder weiß – und wie nur niedrige, ewig moralisierende, weil amoralische, Gutmenschen sie dennoch wider besseres Wissen, oder wider bessere Ahnung, insinuieren! Also, keine Kollektivschuld, Schuld und Verdienst sind individuell, in jeder Hinsicht! Das ist, ewig honoriert von der gesamten Außenwelt, als Tatsache unseres Innern sicherer als jede Tatsache in der Außenwelt. Infolgedessen aber sind Verantwortung und Freiheit, als Voraussetzungen für die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung von Schuld und Verdienst, ebenfalls individuell; mit anderen Worten: ohne individuelle Freiheit – und dementsprechend individuelle Verantwortlichkeit – auch keine individuelle Schuld und kein individuelles Verdienst! Ist aber die Freiheit individuell, dann auch das mit ihr identische „aus sich Selber“ und überhaupt das gesamte „dynamische aus sich Selber“, das der Wille ist – wir wissen ja, ein Wesen „aus anderem“ ist nicht frei, sondern vom „anderen“ determiniert, während ein Wesen „aus sich selber“, und nur ein solches Wesen, frei ist. Da nun also Schuld und Verdienst individuell sind, ist auch unsere moralische Freiheit, und so auch unsere Freiheit überhaupt, von der die moralische nur ein Unterfall ist: ist auch unser „aus uns Selber“, das unsere Freiheit und unser Wille ist, aus dem Schuld und Verdienst hervorgehen, individuell; und so auch die Fortdauer dieses Willens, der erwiesenermaßen unsere Existenz ist, nach dem Tod.
      Sodass wir uns, wie vorhin (und wie im dritten Hauptteil des Triptychons) schon ausgeführt, auf dieser Grundlage wegen des entsprechenden intellektuellen Bewusstseins, das im fortexistierenden Menschen zum Willen hinzutritt, keine Sorgen mehr zu machen brauchen.
      Mit anderen Worten: die Individualität von Schuld und Verdienst erfasst unser ganzes „aus uns Selber“, bis auf unseren tiefsten, allertiefsten Grund; auch danach hatte Schopenhauer ja gefragt: „wie tief nun aber hier ihre Wurzeln gehen“: ein „aus sich Selber“ hat ja überhaupt, schon seiner Definition nach, außerhalb seiner selbst unmöglich einen Grund. Und so erfasst die Individualität von Schuld und Verdienst zugleich, als Individualität, unsere gesamte Fortdauer nach dem Tod – da wir mit einem anderen Grund, als es ein individuelles „aus uns Selber“, ein individueller Wille ist, der denn auch individuell nach dem Tode fortexistiert, nicht individuell frei, nicht individuell verantwortlich und so auch unsere Schuld und unser Verdienst nicht individuell wären.
      Was sie aber mit absoluter Sicherheit sind! – Ergo! – Und was wir ohne irgendeinen Zweifel wissen – da Freiheit, Verantwortlichkeit, Schuld und Verdienst uns besser als irgendeine äußere Wahrheit in unserem Innern gegenwärtig sind: als Eigenschaften unseres Willens, der wir selber sind; des gleichen Willens wie der, der auch alle anderen Wesen sind, weil alles Energie ist; und wiederum des gleichen Willens wie der, der so auch unser eigenes Wesen ist, als unser eigenes „aus uns Selber“ und „Ding an sich“, und so denn auch als nächster und sicherster Gegenstand unserer Einsicht, samt seiner Individualität, auf die Schuld und Verdienst uns ebenso sicher schließen lassen.
      Und wir wissen nun also, dass die Individualität unserer für sich schon vorher begründeten Fortdauer nach dem Tod so sicher ist wie die Individualität unserer Freiheit und Verantwortung, unserer Schuld und unseres Verdienstes.


IV. Das Sein aus sich selber
und die Grundbegriffe unserer Existenz.


Freunde, soviel zu den wichtigsten Konsequenzen der A-se-ität, des „Seins aus sich selber“.
      Aber, von solchen Dingen ganz abgesehen: ihr habt festgestellt, dass es beim „Sein aus sich selber“ auch um das ging, was man bisher „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ genannt hat, was man jedoch besser „Freiheit, Gott und Fortdauer nach dem Tode“ nennt. Warum? Die Freiheit, das „aus sich Selber“, das „ens a se“, die A-se-ität, ist die Grundlage für die Schlussfolgerungen auf die Existenz Gottes und auf unsere Fortdauer nach dem Tod; dass es so ist, haben wir im Triptychon und anderswo und jetzt wieder zusammen mit einer Reihe von neuen Gedanken festgestellt: Zunächst war es Gott, der Allerhöchste, als Konsequenz aus der Freiheit, die identisch ist mit dem „dynamischen“ „aus sich Selber“ des Seins überhaupt, das sich demgemäß kraft dieser Aseität an seiner Spitze als vollkommenes Wesen selbst bestimmt.
      Also – wenn Idioten es nur nicht missverstehen und anfangen, schick zu reden oder mir schicke Reden zu unterstellen – : Gott als Ergebnis der Freiheit! Und dann noch einmal, kraft derselben Aseität und Freiheit: die Fortdauer unseres menschlichen „dynamischen“ „Seins aus uns selber“, unseres individuellen Willens und Seins nach dem Tod. Also Freiheit und „aus sich Selber“, als Quelle von Beidem – die denn auch als Erste zu nennen ist.
      Wundert uns das? Hat diese neue Ordnung, nach der Gott nicht am Anfang steht, irgendetwas damit zu tun, dass Gott etwa heute, bei der sich „geistig“, und angeblich auch automatisch, „entwickelnden“ Menschheit, im Vergleich zu früher eine schwächere Stellung hätte? Dass er – mit Nietzsche zu reden – eine verblassende Sonne wäre? Die schließlich „Königsbergisch“: Kantisch, geworden wäre? Dass die Zeiten – mit demselben Mann zu reden – „kälter geworden“ wären? Geistesgeschichtlich ruft er aus: „Ist es nicht kälter geworden?“ Freunde, das, was ich meine, hat mit ästhetisierendem, psychologisierendem Geschwätz am allerwenigsten zu tun. Wir wollen eine Grundlage für unsere Existenz! Die letzten beiden Jahrhunderte sind auf dem Weg dorthin liegen blieben. Wir sind auch keine „Suchenden“: wir sind nicht so geltungsbedürftig, dass wir andere mit Gedanken belasten, die nicht schlüssig sind. Wäre ich nur ein „Suchender“, ich hielte den Mund, bis ich etwas Überzeugendes gefunden hätte; ich sagte es gleich anfangs auf der Startseite. Und! wir lesen uns, zum Ersatz für alles das, auch nicht selber aus der Bibel vor, um wenigstens in unfruchtbarer Weise in Stimmung zu kommen: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ („Im“ statt „Am“, ein Latinismus!) Eine solche Mache überlassen wir den Vertretern des „Kreationismus“ oder, wenn sie auch obendrein langweilig sind, denen des „Intelligent Design“.
      Eines aber sind wir erst recht nicht: Wir gehören nicht zu den Leuten, die alles „nur historisch“ betrachten; und die sich dann diesen Geist der Müßigkeit dazu nutzbar machen, sich mit jedem beliebigen, nicht wissenswerten Schmutz zu befassen. Was liegt schon an solchen Untersuchungen! Oder: „Jetzt wollen wir Kierkegaard einmal nur ästhetisch betrachten“; völlig willkürlich mal nach dem einen, mal nach dem anderen „Gesichtspunkt“; Gelehrsamkeit als einziger grundsätzlicher Gesichtspunkt! Im Gegensatz zu dem des Geistigen! Was aber das Geistige betrifft: das Normale ist doch wohl, dass man einen Autor als Ganzes ins Auge fasst. Kein Wunder, dass Staat und Industrie sich sagen „Was soll das? Wir fördern diese Dinge nicht mehr.“ Wenn das Geisteswissenschaft ist – ich sage „wenn“! – dann möge sie ruhig zugrunde gehen. Wohlgemerkt: Sie „nützt“ auch „geistig“ nichts! Also man komme uns nicht mit dem, früher noch mehr als heute, geradezu moralisierend vorgetragenen Gerede über die „Ungeistigkeit“ des „reinen Nützlichkeitsdenkens“. Diese Leute gehen uns hier in der Welt unserer Netzseite nichts an.
      Wie gesagt, es geht uns um die Grundlagen unserer Existenz. Darum zurück zu „Freiheit, Gott und Fortdauer nach dem Tod“!
      Warum also steht Gott in diesem Fall nicht am Anfang? Bei unserer Klärung der existenziellen Grundbegriffe müssen wir bei uns selbst, und der sich erst dann und dabei ergebenden Freiheit anfangen. Und sollte genau dieser Punkt: „bei uns selbst“, „wir selbst“, den einen oder anderen gebildeten und zugleich feinfühligen Menschen an Descartes erinnern, so ist das zwar nicht nötig – ein Gedankengang ruht in sich selbst, oder er ist nichts wert – aber die historische Perspektive schadet auch nichts: Gerade Descartes Vorstoß, bei sich selbst, bei uns Menschen selbst anzufangen, war bahnbrechend für unsere Philosophie.
      Aber machen wir – um des entscheidenden Gedankens willen! – zusätzlich

V. eine Einlage.

Und stützen wir uns dafür auf die Absätze 79 – 85 der Schrift „Fortsetzung und Abschluss zum Begriff der Hochfinanz“ (hier auf der Netzseite, mit Absatz-Ziffern am Anfang jedes Absatzes); oder stützen wir uns auch nur auf die jetzt anschließend wiedergegebenen Zitate und Anmerkungen zu diesen Absätzen:
      Laut Papst Ratzinger (Absatz 81) geht es dort darum, „zu wissen, ob die Vernunft, das Rationale, Vernunftgemäße sich am Anfang aller Dinge und an ihrer Grundlage finde oder nicht“; das heißt: ob das Reale zur Gänze der Ratio entspreche, voll und ganz rational erfassbar sei oder nicht. „Am Anfang aller Dinge und an ihrer Grundlage“! Das nun ist das krasseste Gegenteil des kartesischen Zurückgehens auf das eigene Selbst; und dementsprechend ist die Frage denn auch geradezu lächerlich summarisch und umfassend gestellt: „aller Dinge“! Man stelle sich das vor! Fände man es im Tagebuch eines Halbwüchsigen, man müsste Verständnis haben. Aber wer kann denn darauf antworten – mit einer klaren und ausreichenden Begründung, versteht sich! – ob „sich“ „die Vernunft“ „am Anfang aller Dinge und an ihrer Grundlage finde“! Seinen eigenen Willen, sein eigenes „aus sich Selber“ kennt man; man kann es begrifflich durcharbeiten: unter anderem, indem man feststellt, dass die numerische, also vollständige Identität von „Ursache“ und „Wirkung“ im Willensbegriff rational, oder sagen wir besser: empirisch nicht zu erfassen ist, wohlgemerkt! wenn sie auch nicht widersprüchlich ist; dass sie aber andererseits eine Tatsache ist, und das genügt ja; wir haben die Tatsächlichkeit längst begründet, ebenso wohlgemerkt! Und man kann weiter feststellen – wir haben es getan (u.a. im Triptychon) – : dass das „aus sich Selber“ der Inbegriff der äußersten Subjektivität ist; und zwar dieses Mal: in rational bis zu einem gewissen Grad erfassbarer Weise, nämlich in Gestalt unseres Willens; der sich in unserem Innern findet und so denn doch in gehöriger Nähe zu unserer Einsicht, die sich in demselben Innern befindet oder jedenfalls befinden sollte. Und so fort. Herr Ratzinger geht nicht sehr glücklich vor.
      Außerdem möchte er (a.a.O. Absatz 81), dass eine philosophia universalis zugleich eine ratio universalis sei (soviel Latein können wir alle). Das scheint ihm allerdings im Sinne der irdischen Ratio nicht ganz möglich zu sein, wohl aber im Sinne des Anfangs des Johannes-Evangeliums „Am Anfang war das Wort“, und damit im Sinne einer göttlichen Ratio, an der der Mensch aber dennoch teilnimmt. Das aber ist barer Unsinn! Wir Menschen haben bis jetzt nur eine einzige Ratio: die irdische, menschliche; wenn wir sie kennen, ist sie vielleicht zugleich göttlich, auf jeden Fall aber menschlich und irdisch; wenn sie ausschließlich göttlich ist, nehmen wir an ihr per definitionem nicht „dennoch teil“: Es ist also nichts mit „uns nicht ganz möglich kraft irdischer Ratio (philosophia universalis = ratio universalis), wohl aber kraft göttlicher“!
      Ratzingers Erfindung ist völlig willkürlich. Er hatte vermutlich selbst nicht die Absicht, sie nach den Augenblicken des Lesens noch ernst zu nehmen. Und was steckt dahinter? Das seit Längerem bestehende zeitgenössische, kollektiv-neurotische Vorurteil aller Gebildeten, die über ihre von der Hochfinanz bestimmte Bildung nie hinauskommen; nämlich: „Ja wir können diese Fragen ja nicht lösen“; nur mit der Besonderheit, dass wir jetzt die päpstliche Version vor uns haben, unter Missbrauch des alten „fides quaerens intellectum“, des „Glaubens, der Einsicht sucht“.
      Und wie ist es möglich, dass Leute wie Ratzinger immer wieder mit den großmächtigsten Phrasen tönen, à la „am Anfang aller Dinge und an ihrer Grundlage“? Die Antwort ist: Einerseits nehmen sie solche Töne inhaltlich nicht ernst, wohl allerdings als Ausübung ihrer eigenen soziologischen Stellung – es geht darum, wer! etwas sagt, nicht, was er sagt! – und andererseits sind Menschen, die nicht mehr haben als Bildung, nicht scharfsinnig und nicht wach genug, um von kartesischen und anderen genialen Geschicklichkeiten zu lernen. Ich sagte, sie nehmen ihre Großmächtigkeiten nur soziologisch ernst; das heißt: Sie glauben, sie allein haben das Recht, mit solchen Dingen herumzutönen, anderen würden sie den Unsinn nicht zugestehen. Dabei übersehen sie außerdem die Unterscheidung zwischen Theologie und Philosophie; die letztere kennen sie nur in verkürzter Gestalt, als eines ihrer vielen „Fächer“, „Fundamentaltheologie“ in diesem Fall. Und! es geht ihnen auch gar nicht um Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, eine der Grundlagen des Glaubens, sondern um ihr Ego! Es gibt nicht nur Professoren-Hochmut, es gibt auch Priester-Hochmut, und er ist der tiefere und schlimmere: „Corruptio optimi pessima“ „Am schlimmsten ist die Verdorbenheit dessen, was am meisten wert ist“; der erstere Hochmut ist eher nur lächerlich. Übrigens, nicht jeder Professor oder Priester hat diesen Hochmut, man muss auch solche Selbstverständlichkeiten vermerken. Aber: „Die Welt ist klein“ ist ein doppeldeutiges Sprichwort!
      Es folgen bei Ratzinger weitere öde und trostlose Allgemeinheiten, zum Beispiel über das Verhältnis von „Vernunft“ und „Notwendigkeit“, über den „christlichen Glauben“ als „Option“, als „Wahl, zugunsten des Vorrangs der Ratio und des Rationalen“; hier wird so ein bisschen Pascal missbraucht. Zum Widersinn von all dem kann man sich an Ort und Stelle Anregungen holen.
      Und schließlich erscheinen als Klimax, in der Ratzinger sich vollends austobt, solche Sätze wie: „Der Primat des Logos und der Primat der Liebe erwiesen sich als identisch“, der Logos eine Kraft des Intellektes, die Liebe eine Kraft des Willens! Das heißt, „Hauptsache: schick und schief“; denn wer kann etwas mit einem Intellekt anfangen, der ein Wille ist, und umgekehrt! Ganz einfach: man geheimnisst etwas hinein, man stellt sich verrückt. Typisch pfäffisch, dieser intellektuelle Leichtsinn! Wie eine schlechte Predigt. „Brillant!“, tönt die Presse. Der Papst hat heute, in der Zeit der Herrschaft einer atheistischen Hochfinanz, eine gute Presse!
      Aber es geht jetzt in der Hauptsache um solche blödelnden, denkerisch unausgereiften Konkretionen wie „am Anfang aller Dinge und an ihrer Grundlage“; Gegensatz: Descartes, der mit dem anfängt, was im Mittelpunkt unserer Existenz steht – wer oder was ist das wohl? – und von dem man hoffen kann, dass man das eine oder andere darüber weiß: „Ich“! „denke, also bin ich“! „Cogito, ergo sum“. Der über Philosophie redende Theologieprofessor Ratzinger lernt nicht von den Großen: er traut sowieso weder sich selbst noch anderen etwas Wirkliches zu, er ist insofern genau das, was man „verdorben“ nennt. Er hat sich vollständig damit abgefunden und empfindet nur, fast ganz unbewusst, dass das, was er schreibt, bloße gelehrte Chimären sind.
      – Als ich jung war, kannte ich einen Theologiestudenten, der einmal hypertheoretisch überkandidelte. Er äußerte mir gegenüber, Zustimmung heischend: „Dass Gott existiert, ist ja noch sicherer, als dass wir selbst existieren.“ Ich wandte ein: die „noch sicherere“ Einsicht, dass Gott existiere, sei dann jedenfalls unsere Einsicht, unsere Einsicht aber könne nicht sicherer sein als unsere Existenz. –


VI. Zurück zum „Sein aus sich selber“.
Und zu den Grundbegriffen unserer Existenz.


Descartes´ Methode, als Erkennender bei sich selbst anzufangen, hat selbstverständlich vor allem den Grund, dass er den Wert, die Zuverlässigkeit, die Reichweite der eigenen, menschlichen Erkenntnis nachprüfen will. Nur kommt in seinem Fall, dem der Welterkenntnis, der Weltweisheit, fast möchte man sagen, glücklicherweise, dann aber doch auch wieder als sachlich tiefbegründeter Umstand hinzu, dass der Erkenntniswillige, Erkenntnisfähige selbst zugleich eines der wichtigsten Elemente der zu erkennenden Wahrheit, des Erkenntnisobjektes, der Welt und des Seienden überhaupt ist. Suchen wir uns die Dinge im Einzelnen klarzumachen.
      Wir bekommen einen Hinweis von außen – der sich auf uns, die Erkennenden selber, auf uns Menschen richtet: Der biblische Schöpfungsbericht „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“, bekanntlich auch den Menschen, hat für den Theismus zu einem vernichtenden Problem geführt. Die Bibel ist geradezu groß darin, diese grundlegende Frage, der Schöpfung, so falsch zu beantworten, oder jedenfalls so missverständlich, dass man schon dadurch, nach dem Motto „So kann es jedenfalls nicht sein!“, auf bessere Gedanken kommen könnte; was man dann aber doch nicht tut. Denn es verlief so: Man legte die Bibelstelle einhellig so aus – man konnte wohl auch nicht anders – : dass Gott uns „geschaffen“, geradezu hergestellt, dass er uns „gemacht“ habe, einschließlich unseres innersten Innern. Das heißt, dass er unsere Wirkursache sei; eine Wirkursache aber determiniert ihre Wirkung, legt sie fest, soweit sie wirkt. Wenn ein Schreiner einen Tisch herstellt, legt er alle Beschaffenheiten des Tisches, seine gesamte Brauchbarkeit, seine praktische oder unpraktische Beschaffenheit usw. fest; insofern wäre ein fehlerhafter Tisch unschuldig und der Schreiner allein schuld. Lediglich für die hölzerne Natur des Tisches wäre der Schreiner nur bedingt verantwortlich, zum Beispiel dann, wenn es ihm möglich gewesen wäre, ein geeigneteres Material zu finden. Entsprechend ist es mit allen Wirkursachen in unseren Bereichen, in der gesamten empirischen Welt, der Schicht der „Erscheinung“ oder „Vorstellung“: sie determinieren ihre Wirkung, soweit sie wirken, soweit die hergestellte, die gemachte Sache ihr Werk ist.
      Damit aber gab man sich für den Schöpfergott nicht zufrieden. Er sollte uns obendrein „aus Nichts“ gemacht, geschaffen, „erschaffen“ haben, wir sehen, man erfand gleich ein eigenes Wort dafür; er sollte keinerlei Stoff, keinerlei Material vorausgesetzt haben, als er uns schuf; wir sollten ausschließlich, restlos, hundertprozentig, bis zum letzten i-Punkt, einzig und allein sein Werk sein, wir und die gesamte übrige Welt. Das war nicht nur falsch, sondern auch überkandidelt, übertrieben. Der Nazarener sagt: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“; sagen wir jetzt: „An ihren Konsequenzen werdet ihr sie erkennen.“
      Denn da mit begrifflicher Notwendigkeit, das heißt: mit der Folge begrifflicher Widersprüchlichkeit, also absoluter Unmöglichkeit, niemand, auch Gott nicht, etwas machen kann, ohne es zu machen, mit anderen Worten: ohne es festzulegen – und das heißt ja wohl: ohne es zu determinieren – so ist die Konsequenz einer Schöpfung aus Nichts durch Wirkursache, die man Gott unbedingt unterstellen wollte, die man Jahrtausende lang in Predigten, Religionsunterricht und Kirchenliedern gefeiert hat, ohne sich zu genieren, die Konsequenz daraus also ist: dass wir bis ins Letzte determiniert wären, wenn es so wäre; dass wir keinen freien Willen hätten, dass wir für unser Tun und Lassen nicht verantwortlich wären, dass „Zehn Gebote“ oder sonstige moralische Normen für uns nicht nur ein Buch mit sieben Siegeln wären,
      sondern dass sie für uns überhaupt nicht existierten. Wir wären nicht nur nicht frei, sondern wir wüssten auch nicht, was Freiheit ist – niemand wäre! ja frei – ; so wüssten wir auch nicht, was Ethik ist, da Ethik Freiheit voraussetzt.
      Nach den Vorstellungen des Alten Testamentes, bis etwa um die Zeit der Babylonischen Gefangenschaft, gab es für Israel auch keine Fortdauer nach dem Tod, es gab nicht das, was man die „Unsterblichkeit der Seele“ nennt. Es gab nur den Steinhaufen auf dem Grab und die Verheißung Gottes, diesen oder jenen, „Der im Schutz des Allerhöchsten wohnt“, „mit langem Leben zu sättigen“: „Ich will ihn sättigen mit langem Leben und ihm erweisen mein Heil“.
      Nur den Allerhöchsten auf der einen Seite und Schuld und Sünde auf der anderen gab es schon; aber beide wahrhaftig nicht vom „aus sich Selber“ her erschlossen. Und dann, wie gesagt: das „lange Leben“ und Gottes „Heil“, hier auf der Erde, und kein bisschen mehr oder irgendwo sonst, als einzige Gunst des Allerhöchsten für die Freiheit von Schuld und Sünde. Auch hier, kann man sagen, ist das Alte Testament mit seiner Determination der menschlichen Natur und mit seinem Steinhaufen auf den Gräbern derer, die ohne Jenseits dort ruhen, ganz groß in den grundlegenden Fragen – und weit davon entfernt, den Grundbegriffen unserer Existenz gerecht zu werden.


VII. Das Alte Testament
und seine Unzulänglichkeit.


Was nun das Fehlen der Vorstellung von einer Fortdauer nach dem Tod im Denken Israels betrifft, so wurde dieser Mangel immerhin für die allerletzten Jahrhunderte vor Christus, vielleicht während der babylonischen Gefangenschaft und vielleicht auch durch babylonischen Einfluss, oder auf welche Weise auch immer, jedenfalls behoben und ist seitdem aus der Welt – wenn es auch ewig bedeutungsvoll ist, dass das Volk des Alten Testamentes während des allergrößten Teiles der beiden Jahrtausende vor Christus nicht an eine Fortdauer nach dem Tod geglaubt hat. Dagegen blieb der Widerspruch zwischen dem mosaischen Schöpfungsbericht, oder jedenfalls seiner Auslegung, und dem freien Willen des Menschen auch während der gesamten christlichen Zeit bis 1984 bestehen – er wurde zwar bemerkt, spätestens von Augustinus (in „De libero arbitrio“ „Über den freien Willen“), wahrscheinlich auch schon von Paulus (im Römerbrief); aber man hat, höchst unehrlicher Weise, geradezu kompromittierender Weise, immer nur idiotische oder gar keine Konsequenzen daraus gezogen.
      Bei all dem lässt sich der besagte Widerspruch für jeden klaren und ordentlichen Verstand kurz und zwingend auf folgende völlig klare und übersichtliche Begriffe bringen:
      Der Schöpfer kann kein einziges Wesen, Mensch oder Tier oder Mineral oder was es auch sei, „schaffen“, „machen“, „erschaffen“, ohne ihm in jeder denkbaren Hinsicht entweder diese oder jene, aber jedenfalls eine ganz bestimmte und konkrete Beschaffenheit zu geben; der Vorgang fällt unter den Begriff der „Wirkursache“, und die denknotwendige Konkretheit dieser Verursachung fällt unter den zwingenden Satz, dass jede Wirkursache ihre Folge oder Wirkung determiniert. Warum tut sie das? Entweder bestimmt, also determiniert die Ursache ihre Folge oder Wirkung; oder die so genannte Wirkung oder Folge ist nicht ihre Wirkung oder Folge. Der Satz gilt schlechthin allgemein für Schöpfer und Geschöpf.
      Der Schöpfer kann bei der Schöpfung an seinem Geschöpf nichts offen lassen. Könnte er das, so wäre es entweder zu ergänzen, und zwar ursächlich bestimmt durch den Teil des Geschöpfes, der schon geschaffen ist; und dann wäre das jetzt ergänzte Geschöpf genauso gut ganz determiniert, mittelbar ebenfalls von seinem „Schöpfer“. Oder der nachgeschaffene Teil bliebe ohne ursächliche Bestimmtheit durch den zuerst geschaffenen; er wäre dann nicht Teil des zu ergänzenden Geschöpfes, er hätte mit ihm nichts zu tun, und das zu ergänzende Geschöpf wäre eben nicht ergänzt – und dennoch ganz determiniert.
      Und dieses gesamte Wesen schließlich, dieser Mensch, kann überdies auch kein Verhalten zeigen, das nicht von ihm her ursächlich bestimmt ist, also nicht von ihm determiniert ist, weil es dann nicht sein Verhalten wäre. „Es gibt keine dritte Möglichkeit“ „Tertium non datur“ – außer elendem Geschwätz.
      Und – was wir schon erwähnten und nicht vergessen dürfen – Gott schafft die Welt nicht nur so wie der Schreiner den Tisch, der Uhrmacher die Uhr usf., nämlich ohne auch den Rohstoff, als Substanz! zu schaffen, zu determinieren; sondern er „erschafft“ die Welt „aus nichts“, verursacht und determiniert sie demnach ganz und gar, und alles und jedes, auch als Rohstoff, bis ins Letzte.
      Hätte also Gott die Welt gemacht, „erschaffen“, so wie hier in unserem Beispiel, so herrschten in allen ihren Schichten, nicht nur der „Erscheinung“, sondern auch des „Dinges an sich“, ausschließlich ursächliche Bestimmtheit und Determination – mit anderen Worten: jeglicher freie Wille, außer beim Schöpfer-Gott selbst, wäre ausgeschlossen – und zwar Determination ausgehend einzig und allein vom alles Übrige bestimmenden und determinierenden Schöpfer, weil keines der ursächlichen Zwischenglieder, von denen nur er, als Schöpfer und erste Ursache, ausgenommen wäre, irgendeine ursächliche Aktivität entfalten könnte, die nicht ihrerseits wieder von einer anderen Ursache hundertprozentig, lückenlos und vollständig bestimmt, determiniert und festgelegt worden wäre. Und es ist ganz klar, die jetzt gegebene Grundlage reicht dazu aus, dass jeder klare und ordentliche, durchschnittliche und tüchtige Verstand sich den mosaischen Zusammenhang und damit den mosaischen Widerspruch bis ins Kleinste klarmachen kann; sollte diese Grundlage aber jemandem noch nicht genügen, so kann er seine Studien in diesem Punkt – um es bequem zu haben und nur zum Beispiel – hier auf der Netzseite da fortsetzen (unter „Ein weiteres Mal: Schlussfolgerungen zur Willensfreiheit.“ in dem Kapitel „Keine Determination durch andere. Zur Bedeutung Gottes“), wo ich Schopenhauers analytische Kraft, die seiner Genialität nicht nachsteht, zusätzlich zu Hilfe nehme.
      Soweit das Alte Testament erstens mit der Determination des menschlichen Willens, die im „Schöpfungsbericht“ zumindest angelegt ist und die sich spätestens in den christlichen Jahrtausenden äußerst qualvoll und im Innern zahlloser Einzelner selbstverständlich auch unheilvoll ausgewirkt hat; und soweit zweitens das Alte Testament mit seiner Vorstellung von unserer Nicht-Existenz nach dem Tod, bis zum Beginn der letzten vorchristlichen Jahrhunderte.


VIII. Rettungsversuche.

1.) „Ja, wir können diese Fragen ja nicht beantworten.“


Spätestens dem Christentum also wurde der Widerspruch zwischen Moses I 1 oder zumindest zwischen der Auslegung dieser Kapitel und dem freien Willen bewusst. Und selbstverständlich suchte man, zumal der Wille, vor allem im zweiten christlichen Jahrtausend hier bei uns im Abendland, immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses rückte, nach Gedanken oder Redewendungen, mit denen man die Sache mehr oder weniger schick oder gelehrt oder dumm – man nenne es, wie man will – eintrüben zu können hoffte. Von diesen Wendungen ist die langlebigste, uneingeschränkteste und selbstsicherste, die man auch heute im Munde führt, und füglich auch die platteste und dümmste: „Ja, wir können diese Fragen ja nicht lösen.“ Es scheint sich noch ein bisschen Kant in diesem scheinbaren Überbleibsel philosophischer Bildung zu regen; und Philosophiefachleute möchten es um keinen Preis missen, um noch so etwas wie unantastbare Kantische Weisheit von der angeblich endgültigen und unwiderruflichen Unerkennbarkeit des „Dinges an sich“ oder von unserer goldenen und endgültig alleinrichtigen Beschränkung auf die „Erfahrung“ anklingen zu lassen – obwohl der begriffliche Widerspruch zwischen Schöpfung durch Wirkursache und freiem menschlichen Willen, so gut wie irgendein beliebiger begrifflicher Widerspruch, nichts und aber nichts mit dem Gehege des „Dinges an sich“ oder mit dem Gegensatz zwischen Erfahrung und spekulativen Versuchen zu tun hat – und! obwohl sich auch Descartes, und er denn doch wohl ohne Berufung auf Kant, beklagt, von der Platitude „Ach, man kann von diesen Dingen nichts wissen“ „Ah, on ne connaît pas ces choses“ geelendet und angeödet zu werden.
      Meine Damen und Herren, wenn Sie einmal so richtig nachdenken, und das bedeutet unter anderem, wenn Sie einmal die Redegewohnheiten ablegen, und das heißt, wenn Sie auch bei höheren Gegenständen einmal sachlich und realistisch werden – aber Sie sind selbstverständlich juristisch überhaupt nicht dazu verpflichtet – müsste Ihnen klar sein, dass nicht nur das „Ding an sich“ und die äußere Erfahrung zwei ganz verschiedene Ebenen sind, sondern auch, dass Definitionen von Begriffen wieder etwas anderes sind, dass aber die beiden zuletzt genannten Bereiche miteinander in vielen Fällen mehr zu tun haben als mit dem des „Dinges an sich“; dass ferner Kant es ganz sicher nicht zum Inhalt philosophischer Appelle gemacht hat, uns begriffliche Bestimmungen auszureden, weil wir „diese Fragen nun einmal nicht lösen könnten“; und dass er schließlich, zumindest im Grundsätzlichen, keine Einwände gegen die Begriffsbestimmungen und Feststellungen begrifflicher Widersprüche erhoben hätte, die wir im vorigen Abschnitt vorgenommen haben. Wer etwas anderes meint, der lese „Kritik der praktischen Vernunft.“: Kritische Beleuchtung der Analytik. Abs. 13 ff.
      Sagt jetzt immer noch jemand „Ach, wir können diese Fragen ja nicht lösen“? Dann bin ich für ihn nicht zuständig: Gegen Phrasen kämpfen Götter selbst vergebens – genauso wie sie es sprichwörtlich gegen die Dummheit tun. Selbstverständlich hat die Phrase allerdings das Vorrecht, schon weil sie abgegriffen ist; denn dass sie das ist, beweist ja, dass viele dasselbe meinen wie sie; und das sollte nicht für die Phrase sprechen? Das könnte überhaupt der Grund für ihre heimliche Beliebtheit sein und für eine gewisse heimliche Selbstsicherheit des Phrasendreschers: „Mit einer Phrase ist man immer gedeckt.“ Oder auch, unantastbar wohlanständig: „Nicht? So kann man es doch sagen?!“ Ein weiterer Grund wäre dann, dass Phrasen leicht nachzuschwätzen sind, zumal sie häufiger als alles andere vorgeschwätzt werden.
      Und, Freunde, was überhaupt die von Kant vermeinte unwiderrufliche Unerkennbarkeit des „Dinges an sich“ betrifft: Ist es nicht eine seltsame Art Philosophiegeschichte, der der Normalverbraucher der so genannten Philosophischen Fakultät an den Universitäten inzwischen seit zwei Jahrhunderten ausgesetzt ist? „Das Ding an sich wäre endgültig unerkennbar und jeder, der etwas anderes meint, wäre nicht ganz normal oder primitiv oder unreif und unwissend“? Und wenn es nicht das „Ding an sich“ ist, dann ist es irgendein diffuser Ersatz, über den wir nicht die geringste Klarheit haben, der aber dieselbe Funktion hat. Wie verhalten wir Menschen uns denn zum „Ding an sich“? Die eine Möglichkeit wäre, aa) dass wir uns mit ihm überschneiden; die andere, bb) dass wir uns mit ihm nicht überschneiden, sondern pure „Erscheinung“ oder „Vorstellung“ wären, bloße Gedankenformen, wie z.B. Raum und Zeit bei Kant, wonach wir so gebaut sind, dass wir gar nicht anders können, als alles und jedes räumlich und zeitlich zu denken, ob wir wollen oder nicht, woraus Kant mit Recht geschlossen hat, dass Raum und Zeit nur unsere Formen des Denkens und dem „Ding an sich“ nicht eigen sind; sodass die Welt um uns herum „an sich“ weder räumlich noch zeitlich ist. Wir also wären dann jedenfalls entweder, zu bb), solche und ähnliche bloße Gedankenformen im Kopf eines anderen Wesens oder auch, noch verdrehter, in unserem eigenen. Oder wir überschneiden uns, zu aa), mit dem „Ding an sich“, sind folglich selber „Dinge an sich“, wenngleich zum Teil auch bloße „Erscheinung“, unter anderem räumlich und zeitlich, im Kopf anderer und in unserem eigenen. Und welche Möglichkeit sollen wir nun akzeptieren: Dass wir, zu bb), bloße „Erscheinung“ sein sollten, pure Gedankenformen in der Sichtweise irgendeines anderen Wesens oder unser selbst, dass wir es womöglich einschließlich unseres ethischen Zustandes, unserer Schuld und unserer Verdienste sein sollten – die ja nun beide ihr Gewicht und ihre Tiefe haben? – Natürlich ist diese Alternative völlig ausgeschlossen! Oder sollen wir, zu aa), annehmen, dass wir uns mit dem „Ding an sich“ zwar überschneiden, also selber solche „Dinge“ sind, dass es aber grundsätzlich und prinzipiell, ewig und endgültig, absolut und ganz und gar unmöglich wäre, dass wir jemals das erkennen, in dessen Eigenschaft wir selber diese „Dinge“ sind? – mancher von uns weiß, welche Antwort Schopenhauer hat – Was also wählen wir, zu aa) oder auch zu bb)? Denn genau das sind die beiden Möglichkeiten, die die üblichen „Geschichten der Philosophie“ uns lassen – natürlich, ohne uns, geschweige denn sich selbst, die Sache klarzumachen! Oder man hält nichts von Kant und seiner Unterscheidung in „Erscheinung“ und „Ding an sich“; dann aber höre man auf mit dem ewigen stupiden Gerede: Seit Kant wissen wir, dass wir über unsere Existenz nichts Konstruktives wissen können, oder ähnlich.


2.) „Gott hat uns einen freien Willen gegeben.“

Soviel zu jener Phrase der Bildung; oder, soweit man die philosophischen Grundlagen schon nicht mehr im Kopf hat – man wird ja immer weiser – dann also: soviel zur Phrase vom „gesunden Menschenverstand“ oder Ähnlichem. Außerdem aber gibt es eine Phrase der frommen Besserwisser – oder sagen wir doch lieber: es gibt ein Schlagwort der so genannten und manchmal auch der wirklich Frommen; es lautet: „Gott hat uns einen freien Willen gegeben.“ Allerdings ist diese Phrase, aus begreiflichen Gründen, nicht mehr so im Kurs, wie sie es schon einmal war.
      Aber ob nun in Kurs oder nicht, oder ob auch nur ein Restbestand des alten Katechismus – der immer noch besser war als der größte Teil des heutigen Geschwätzes – oder wie es sich auch verhält: Der „freie Wille“ ist ein Zauberwort; Zauberwörter aber sind zu definieren, wir brauchen vor allem saubere Begriffe. Sehen wir unter Nr. VII nach: „Das alte Testament und seine Unzulänglichkeit“. Und nehmen wir hier die geschlossenen Reihen von „Sein aus anderem“ zur Kenntnis, mit anderen Worten: die geschlossenen Ursachenketten, die alles und jedes außer dem Schöpfer lückenlos determinieren; und die die ganze Welt ausmachen. So sind diese geschlossenen Reihen, von „Seienden aus anderem“, im Verhältnis zum „freien Willen“ nichts anderes als seine Negationen, seine Verneinungen, sein kontradiktorisches Gegenteil. Also ist der „freie Wille“ seinerseits nicht anderes als die Negation, die Verneinung, das kontradiktorische Gegenteil der geschlossenen Kausalreihen von „Sein aus anderem“. Mit diesem „Sein aus anderem“ ist der Inhalt des „freien Willens“ negativ definiert. Und so denn mittelbar in zwingender Weise auch sein positiver Inhalt: sein Sein „aus sich selber“, als das der „freie Wille“ demnach positiv definiert ist.
      Wir haben unter anderem im Triptychon, zusammen mit dem zweiten begrifflichen Merkmal des Willens, dem „Dynamischen“, darüber gesprochen; und wir haben vorhin unter Nr. II: „Die Aseität und die Existenz Gottes“, noch einmal an beides erinnert; und zwar zusammen mit der absolut unwiderlegbaren Wahrheit (dem scholastischen „Agere sequitur esse“ „Das Verhalten ergibt sich aus dem Sein“), wonach die Freiheit und so denn auch der „freie Wille“ im „Sein“ liegt, folglich laut soeben im „Sein aus sich selber“, und nicht erst im Verhalten des Seienden.
      Fazit: Es liegt schon in den soeben gebrauchten Begriffen: der „Negation“, der „Verneinung“, des „kontradiktorischen Gegenteils“, und in der Art und Weise ihres Gebrauches: dass die Schöpfung im Sinne des mosaischen Schöpfungsberichtes, als „Sein aus anderem“, als „Erschaffenes“, einem freien Willen des Menschen, mit anderen Worten: unserem „Sein aus uns selber“, widerspricht. Mit anderen Worten: nach dem Schöpfungsbericht im Alten Testament hat „Gott dem Menschen“ gerade keinen „freien Willen gegeben“, indem er begreiflicherweise nur „Sein aus anderem“ geschaffen, „erschaffen“ hat, und kein einziges „Sein aus sich selber“ – zumal sich das Letztere, nämlich „Sein aus sich selber“ und „erschaffen“ sogar begrifflich widerspricht.
      Es fehlt hier nicht an Klarheit, es fehlt an Wahrhaftigkeit bei den zuständigen Amtsträgern. Aber sobald ich mich etwa um sie bemühte, würden sie sich nur noch mehr aufblähen und -blasen. Es bleibt nur: vollständige Nichtbeachtung, die mir, als das Leichteste und Bequemste, bei meiner vielen schweren Arbeit billigerweise auch gegönnt werden sollte.
      Und soviel nun überhaupt zu diesen beiden Phrasen: „Ja, wir können diese Fragen ja nicht lösen“ und „Gott hat uns einen freien Willen gegeben“. Wie gesagt: Phrasen gehören zum Schlimmsten, was es gibt; sie kommen gleich hinter der im Neuen Testament genannten „Sünde gegen den Geist“.


3.) Philosophische Rettungsversuche.

Wir könnten jetzt zu den philosophischen Rettungsversuchen der „Schöpfung eines freien Willens“ = „Wirkverursachung eines freien Willens“ übergehen. Laufen wir dann Gefahr, in Philosophiegeschichte zu versinken, in ihr geradezu unterzugehen? Auf keinen Fall! Der vorliegende begriffliche Widerspruch ist völlig klar und sicher zu erkennen. Hier gilt geradezu a priori: „Ausgeschlossen! Der Satz ist widersprüchlich, er kann unmöglich wahr sein“. Ein „verursachter“ „freier Wille“, folglich: ein „dynamisches aus sich Selber“, das „aus anderem“ ist, lässt sich nicht einmal denken.“
      Der Besucher braucht also keinen „geschichtlichen Abriss“ zu befürchten. Zumal jedem wirklich Nachdenkenden bei dieser Art sich lang hinziehenden ungenauen Wissens von dem, was man entweder nur genau oder gar nicht wissen kann, schlecht werden müsste.


4.) Das Beispiel Augustinus.

Aber eines der geschichtlichen Beispiele könnte von Interesse sein, nicht philosophisch, aber als Beispiel für das, was menschenmöglich ist, oder auch als ein Stück Komödie: nämlich Augustinus´ Sophismus in seiner Schrift „Über den freien Willen“ „De libero arbitrio“. Augustinus war ein großer Mann; nur dürfen wir nicht vergessen, dass er zugleich ein Redekünstler war. Sein Sophismus lautet: „Mängel in der Schöpfung sind reine Negativa, bloße Verneinungen. Sie aber bestehen darin, dass sie nicht existieren. Also existieren in der Schöpfung keine Mängel. Also trifft den Schöpfer keine Schuld.“ Bravo!
      Sehen wir zunächst noch davon ab, was der Gedanke, der sich zumindest vordergründig nur mit der Entlastung des Schöpfers befasst, mit dem Widerspruch zwischen freiem Willen und Schöpfung durch Wirkursache zu tun hat. Wir kommen noch darauf. Aber sollen wir den Sophismus nun methodisch-philosophisch widerlegen? Möglich ist das selbstverständlich immer, insofern ist die Philosophie eine großherzige Wissenschaft. Aber es geht jetzt nicht um Scherz und Denksport.
      Widerlegen wir Augustinus´ Ausflucht stattdessen sozusagen prae-philosophisch, und ohne uns wegen jedes einzelnen Gedankenzuges Sorgen zu machen! Nämlich so: Was würde ein Staatsanwalt oder ein Strafrichter, was würde überhaupt auch jeder andere einem Chirurgen antworten, der bei einer Operation einen Teil der Krebsgeschwulst nicht wegnimmt mit dem Argument, die Nichtwegnahme sei ein reines Negativum usw. usf. Und er sei deshalb wegen seines Verhaltens bei der Operation ebenso wenig verantwortlich wie Gott wegen seiner! Art, die Welt zu erschaffen, zu erhalten und zu lenken? Mehr braucht zu dem eiskalten Unsinn, zu dem Augustinus sich hier angesichts der Schwäche des Alten Testamentes hat hinreißen lassen – um zu retten, was nicht zu retten ist – nicht gesagt zu werden.
      Man soll überhaupt den Unsinn, zu dem Menschen fähig sind, nicht unterschätzen. Ich erwähne deshalb jetzt noch eine Ausflucht vor der Ausflucht; nämlich: In dem einen Fall (dem von Augustinus) spreche ein großer Philosoph, der in einem besonders schwierigen Punkt habe Stellung nehmen müssen; im anderen Fall aber rede ein Richter, ein Mann der Praxis. Und beides könne man nicht gleichsetzen. – Er würde mit absoluter Sicherheit sagen: beides könne man nicht „vergleichen“, aber wenigstens das erspare ich uns jetzt! – Was jedoch die Auffassung im Übrigen betrifft, die die gerade wiedergegebene Replik verriete, so wäre sie derart minderwertig, durchaus im Sinne des so genannten „Bürgerlichen“ in einer seiner allerschlechtesten Bedeutungen, dass ich dazu nicht Stellung nehmen möchte.


5.) Abschluss zu den Rettungsversuchen.

Nur noch Folgendes, zum Abschluss der Rettungsversuche und zum Überblick über den gesamten Gesichtspunkt. Es gibt also, als ersten Einwand gegen das herkömmliche Gottesbild, den jetzt besprochenen Widerspruch zwischen Schöpfung durch Wirkursache und freiem Willen. Der Widerspruch ist unbestreitbar; die Konsequenzen sind es ebenfalls:
      Nehmen wir zuerst den Fall, dass man am vorgeblich katholischen oder christlichen Glauben festhält. Dann sind die Konsequenzen verheerend: kein freier Wille, keine ethischen Möglichkeiten für den Menschen! kein innerer Wert für ihn! keine Schuld, keine Verdienste, keine Erlösungsbedürftigkeit; und das Christentum: völlig überflüssig, nein, sogar ganz unmöglich, es gäbe nichts zu erlösen; nicht etwa, weil wir ganz vorzügliche Wesen wären, sondern weil wir bei aller Minderwertigkeit unseres Verhaltens schuldunfähig wären und weil es bei uns keine Ethik gäbe, auf der man aufbauen könnte. Das Dilemma hat zwei Jahrtausende lang zur Basis des Christentums gehört, ebenso lange mussten die Christen den Gedanken daran in ihrem Innern gewaltsam unterdrücken, soweit sie Gedanken hatten. Und die regelrechten Pfaffen, der verdorbene Teil des Klerus, wollen aus einer Mischung von Priesterhochmut und Rücksicht auf nicht berechtigte Interessen diesen Zustand jetzt noch verewigen. Soviel für die „treuen Katholiken“ oder „Christen“ – um sie einmal so zu nennen.
      Oder die Konsequenz ist: Atheismus, etwa à la Sartre, wenn man als Gottesbegriff voraussetzt „Wenn schon ein Gott, dann als Schöpfer durch Wirkursache“.
      Oder auch: wir haben inzwischen gesehen, wie überflüssig beide Alternativen sind.
      Soviel zum ersten Einwand gegen das herkömmliche Gottesbild.
      Außerdem aber gibt es noch einen zweiten Einwand; jeder kennt ihn: „Warum duldet Gott die Übel, das Böse in der Welt?“ Und die Antwort? Wenn der Allerhöchste das Böse nur manchmal oder nur in vielen Fällen verhinderte, bliebe der Einwand bestehen. Gott müsste das Böse also immer, fast immer oder zumindest meistens verhindern. Das jedoch würde sich herumsprechen; der Mensch aber braucht für seine Innerlichkeit, für seine inneren Entschlüsse immer auch einen Ausdruck in der Außenwelt, im guten wie im bösen Sinne; eine Innerlichkeit ohne irgendeinen Ausdruck in der Außenwelt ist uns Menschen in unserem jetzigen Dasein nicht möglich. Mit der Konsequenz, dass wir uns, wenn Gott das Böse immer oder auch nur meistens verhinderte, nicht mehr für das Böse entscheiden könnten und folglich auch nicht mehr für das Gute; dass also, mit anderen Worten, auch dann unser freier Wille aufgehoben wäre. Sodass es nie möglich sein wird, den Standpunkt zu widerlegen, dass der jetzige Zustand, die jetzige Zurückhaltung Gottes, um der Erhaltung unserer Willensfreiheit willen, sinnvoll und berechtigt ist.
      Es kommt noch die Möglichkeit unserer Reinkarnation hinzu. Sodass wir nie wissen können, ob wir diese oder jene Übel, die uns jetzt treffen, durch ethisches Versagen in früheren Lebensläufen nicht sogar schlicht und einfach verdient haben.
      Kurz und gut: der zweite Einwand ist nicht zwingend. Es geht uns bei unseren jetzigen, grundlegenden Gedankengängen nur um den ersten Einwand: den Widerspruch zwischen dem biblischen Schöpfergott, der nichts als „Sein aus anderem“, nämlich „aus ihm“, geschaffen hat, und unserem freien Willen, der nach allen unseren inzwischen ausführlich begründeten Gedankengängen als „Sein aus uns selber“ zu definieren ist.
      Allerdings hat man die beiden Einwände, den ersten, gerade wieder genannten, und den zweiten mit der Frage, warum Gott zugunsten des Guten und des Besseren nicht immer eingreift, bei der Verteidigung des herkömmlichen Gottesgedankens nicht sehr sorgfältig auseinandergehalten. Es kommt hinzu, dass man im ersten christlichen Jahrtausend, in der Welt, im Geist und der Kultur des Morgenlandes, denen Augustinus angehörte, auf den freien Willen sehr viel weniger Gewicht gelegt hat als in der Zeit unseres jetzigen abendländischen, europäischen Geistes.
      Und so verstehen wir vielleicht einigermaßen das vorhin schon hervorgehobene Phänomen, dass sich Augustinus, selbst in seiner Schrift „Über den freien Willen“ „De libero arbitrio“, weitaus mehr, als unsere eigenen Denker ab Anselm aus dem Aostatal es getan haben, auf die Entlastung Gottes vom Bösen in dieser von ihm „geschaffenen“ Welt konzentriert, also auf den Ruhm und die Ehre Gottes, als auf unseren freien Willen; sodass man sich schließlich sogar fragen muss, erstens, ob der Mann mit dem Geist des Morgenlandes unseren „freien Willen“ wirklich für frei hält, oder für ganz von der Gnade beherrscht – wenn wir dabei nur selig werden – und zweitens, ob er der Frage überhaupt erstrangige Bedeutung beigemessen hat.
      Soviel zwischendurch als Überblick zur Theodizee-Frage überhaupt; und soviel, mit dem ersten Theodizee-Problem zusammenhängend, zum bisherigen herkömmlichen Gottesgedanken. Und nun zurück zum „aus sich Selber“, dem tatsächlichen Zentrum unserer Welt, als Ausgangspunkt für den Gottesgedanken und für unsere Fortdauer nach dem Tod.


IX. Noch einmal:
Das Sein „aus sich selber“ und die Grundbegriffe unserer Existenz.
Die beherrschende Stellung des Seins „aus sich selber.“



Es liegt bei all dem auf der Hand, dass der freie Wille: das „aus sich Selber“, schon in der Ethik im Mittelpunkt steht, dass er für unsere Existenz schon deshalb erstrangig ist und dass er für unsere Innerlichkeit und damit auch für unsere Äußerlichkeit, für unsere Gottesvorstellung und für unsere Fortdauer nach dem Tod, und für das Wesen alles Seienden überhaupt von zentraler Bedeutung ist. Mit einem Wort: er ist die eigentliche und endgültige Antwort auf das falsche mosaische Weltbild einschließlich des Determinismus, Materialismus, Atheismus und der übrigen hoffnungslosen Reaktionen, die schließlich aus ihm hervorgegangen sind.
      Er ist weitaus mehr als ein kostbares, aber begrenztes Ding, so wie es sich zum Beispiel, ohne viel Reflexion, diejenigen vorstellen, vor allem die Älteren unter uns, die besonders richtige, verpflichtende und saubere Begriffe vorzuweisen vermeinen, wenn sie die Phrase benutzen: „Gott hat uns einen freien Willen gegeben“, um einen Grund zu haben, den Einwand unbeachtet zu lassen, wonach Gott uns durch eine Schöpfung im allgemein akzeptierten mosaischen Sinne restlos und rettungslos determiniert haben müsste.
      Für die Erkenntnis, dass der freie Wille viel mehr ist als ein hausbackenes Organ innerhalb unseres menschlichen Wesens, brauchen wir nur auf das zurückzukommen, war wir unter anderem im Triptychon ausgeführt und vorhin (unter Nr. VIII 2.„Gott hat uns einen freien Willen gegeben“) wieder aufgegriffen haben. Danach ist der „freie“ „Wille“ „die „Freiheit“, das „Sein aus sich selber“; und er ist mit dieser Natur so explosiv, dass er mit ihr alles Seiende überhaupt umfasst und umspannt:
      Wir haben zum Beispiel den scholastischen Satz „Das Verhalten ergibt sich aus dem Sein“ „Agere sequitur esse.“ Der Satz ist stringent: absolut zwingend; denn wenn sich das Verhalten nicht aus dem Sein ergibt, mit anderen Worten: wenn es nicht vom Sein bestimmt, determiniert wird, ist es nicht das Verhalten dieses Seins, von dem die Rede ist. Worin allein also kann die Freiheit unseres Willens bestehen? Darin, dass unser Sein frei ist; denn unser Verhalten ist nie und nimmer frei, es ist entweder nicht unser Verhalten, oder es ist von unserem Sein und Wesen restlos determiniert; denn soweit es das auch nur teilweise nicht wäre – wenn eine solche Teilung möglich wäre – wäre es nicht unser Verhalten. Aus demselben Grund kann es auch keinen Teil von uns geben, der „aus anderem“ wäre! Was also ist der Mensch, der „einen freien Willen hat!“? Er ist! ein freier Wille; er ist „Sein aus sich selber“ „esse a se“, „Seiendes aus sich selber“ „ens a se“; denn nur als „aus sich Selber“ ist das Sein frei; und nur das „aus sich selber Seiende!“, nicht sein Verhalten im Verhältnis zu diesem „aus sich selber Seienden“ ist frei .
      Und dieses „aus sich selber Seiende“ hat nun – wir haben es vorhin unter Nr. II noch einmal gesehen – an seiner Spitze die Möglichkeiten genutzt, die im „aus sich Selber“ liegen, indem es sich dort, im Rang oberhalb des Menschen – selbstverständlich erst dort – zum höchsten, vollkommenen Wesen, zu dem, was wir „Gott“ nennen, selbst bestimmt hat, selbst gemacht, geschaffen, erhoben, „erschaffen“ hat, man nenne es, wie man will.
      Und wir Menschen sind nun also der zeitlose Weg, eine der unvollkommenen Stufen dieses dynamischen Vorgangs – genau entsprechend unserer ewig misslichen, oder besser: ewig unvollkommenen, oder freundlicher und vollständiger: unserer ewig strebenden menschlichen Art und Existenz. Und alles, was zusammen mit uns Menschen sonst noch zu dieser empirischen Schicht gehört, Tier, Pflanze und anorganische Wesen, ist in den Grundkategorien ebenso wie wir „dynamisches“ „aus sich Selber“, Wille, wie bei Schopenhauer – nur mit dem Unterschied, dass er die bei Descartes noch verneinte, aber vorhandene und genannte, zu berichtigende und dann zu bejahende theistische Konsequenz nicht gesehen hat – es ist also bei allen anderen empirischen Wesen mit den beiden genannten Grundkategorien so wie bei uns. Dafür spricht schon die Ähnlichkeit zwischen Tier und Mensch, zwischen Tier und Pflanze und, wenn man auf die beiden Grundkategorien des „aus sich Selber“ und des „Dynamischen“ blickt, spricht dafür ebenso die Ähnlichkeit zwischen dem lebendigen und dem anorganischen Bereich; Schopenhauer hat ausgezeichnete Ausführungen darüber gemacht; wir können ferner in den genannten Dateien hier auf der Netzseite (ebenso wie vorhin unter Nr. II: „Die A-se-ität und die Existenz Gottes“) Entscheidendes darüber nachlesen. Und es sei schließlich auch jetzt wieder an mein gleichfalls schon öfter geltend gemachtes Argument erinnert, wonach sich der gesamte empirische Bereich naturwissenschaftlich auf reine Energie zurückführen lässt, infolgedessen nichts Passives in sich schließt, so denn auch nicht „aus anderem“ ist, sondern folglich „aus sich selber“; und wonach er im Übrigen, als Energie, selbstverständlich auch „dynamisch“ ist, demnach also, mit diesen beiden begrifflichen Merkmalen, Wille ist, der vorhin noch einmal durchdachten Willensdefinition entsprechend.
      Wir sehen schon jetzt das ganze Ausmaß des Freiheitsbegriffes: Den Sitz der Freiheit im Sein. Im Seienden als solchen. Und zwar in jedem Seienden. Wie wirkt sie sich im einzelnen Menschen aus – abgesehen von dessen Freiheit, zwischen Gut und Böse zu wählen? Was er ebenfalls auf Grund seines „Seins“ tut: „Agere sequitur esse“ „Das Verhalten ergibt sich aus dem Sein“ – . Wir haben es gesehen, die Freiheit zeigt sich als die Macht und die Möglichkeit, unabhängig von ihrer jeweiligen Form, z.B. von ihrem Leib, auch nach dessen Aufhören „von sich aus“ weiterzuexistieren. Und wie wirkt sie sich in der Gesamtheit aus? Innerhalb der Spitze der Gesamtheit des Seienden kommt sie unter anderem im Sein und Wesen Gottes, des Allerhöchsten, zur vollen Auswirkung. Als was genau tut sie das? Als die Freiheit, die zugleich eine Art Macht ist: die Macht, sein zu können, was und wie viel sie will – weil sie „aus sich selber“ ist, mit anderen Worten: auf Grund ihrer A-se-ität, und deshalb bestimmen kann, was und wie viel sie ist.
      Und wir wollen dementsprechend in dieser Datei, tiefer als bisher, den Gedanken der Aseität durchgehen, der, zu Beginn der abendländischen Philosophie von Anselm „von Canterbury“ aus dem Aostatal gefunden und ausgesprochen – wenn auch bei ihm noch allein mit Wirkung für Gott (und die menschliche Natur Christi) – letzten Endes das A und O unserer gesamten Geistigkeit ist.
      Soviel zum Umfang der A-se-ität, des „Seienden aus sich selber“ (des „ens a se“), des „Seins aus sich selber“ (des „esse a se“); und soviel zugleich zu dessen „Dynamik“, deren Durchgängigkeit sich empirisch, durch innere und äußere Erfahrung, besonders leicht feststellen lässt; und die das zweite begriffliche Merkmal der Definition des Willens ist. Das alles also auf der einen Seite.
      Und es ist nun dieses Mal unser Hauptzweck, die Frage zu untersuchen, wie weit sich die beiden Konsequenzen der Freiheit, nämlich erstens die Existenz des Allerhöchsten und zweitens unsere Fortdauer nach dem Tod, im empirischen oder etwa im außerempirischen Bereich befinden und wie weit sie im letzteren Fall einer kritischen Philosophie Angriffsflächen bieten.


X. Noch einmal:
Zum „Sein aus sich selber“ und zur Existenz Gottes
sowie zu unserer Fortdauer nach dem Tod,
unter dem Gesichtspunkt der Erfahrung
als Kriterium der Wahrheit.

1.) Erkennbarkeit des „Dinges an sich“.


Wie kommen wir auf das „Sein aus sich selber“? Ganz sicher auch auf Grund einer der paradoxen Situationen, bei denen die Philosophiegeschichte irgendwann im Lauf des 19. Jahrhunderts stehen geblieben ist.
      Wir haben vorhin (unter Nr. VIII „Rettungsversuche“ Nr. 1) „Ja, wir können diese Fragen ja nicht lösen.“) eine dieser Situationen wiederzugeben gesucht: grundgelegt durch Kants Unterscheidung zwischen „Erscheinung“ und „Ding an sich“ in Verbindung mit der von ihm geschaffenen Sackgasse, wonach das „Ding an sich“ für uns ein für allemal unerkennbar sein soll. Und unser Fazit zu dieser Situation war: Also stand die seltsam gelehrte Menschheit damals und auch heute noch vor der Entscheidung, aa) entweder anzunehmen, dass wir Menschen uns zwar mit dem „Ding an sich“ überschneiden, also selber auch „Dinge an sich“ sind, dass es aber dennoch grundsätzlich, prinzipiell, ewig, absolut und endgültig völlig ausgeschlossen für uns wäre, jemals dasjenige erkennen zu können, in dessen Eigenschaft wir höchst selbst „Dinge an sich“ sind; entweder also mussten wir von dieser Alternative ausgehen, oder wir mussten bb) annehmen, dass wir bloße „Erscheinung“ wären, bloße „Vorstellungen“, pure Gedankenformen in der Sichtweise irgendeines anderen Wesens oder, noch perverser, in unserer eigenen Sichtweise, womöglich einschließlich unseres ethischen Zustandes, unserer Schuld und unserer Verdienste, die ja nun beide ihr Gewicht und ihre Tiefe haben. Und es war klar, dass diese Alternative, zu bb), auf keinen Fall in Betracht kommt. Also bleibt es bei aa): wir sind selber zwar auch „Dinge an sich“, wissen aber schon jetzt ein für allemal ganz genau, dass es uns nie und nimmer klar sein wird, in welcher unserer Eigenschaften wir es sind. Und auch damit sind wir privilegiert: Der gutbürgerlich Gebildete hat sich im Gegensatz zu uns nicht einmal herausgenommen, sich selbst überhaupt für ein „Ding an sich“ zu halten, allerdings auch nicht für „Erscheinung“ oder „Vorstellung“, und bleibt dennoch treu und ausdauernd bei seiner Kantischen Wissensenthaltsamkeit.
      Es folgten welthistorische Genies, gemischt mit „anerkannten Philosophen“, von Fichte über Hegel bis zu Heidegger und zu ... Ich spreche es lieber nicht aus ... , die heute noch die Universitäts-Philosophiegeschichten mit Paraphrasen füllen. Nur Schopenhauer gehörte zu den missbilligenswerten Köpfen und Charakteren, die sich nicht so spießbürgerlich und akademisch-korrekt an der Nase herumführen ließen.
      Er hatte völlig Recht mit dem Gedanken, Kant sei fortsetzungsbedürftig, er sei „mit seiner Sache nicht zu Ende gekommen“. Es könnte bei Schopenhauer, nur zum Beispiel, so verlaufen sein: Descartes schreibt im ersten Absatz der III. Meditatio u.a.: Ich bin eine denkende Sache, das heißt eine zweifelnde, bejahende, verneinende, wenig erkennend, vieles nicht wissend. In der französischen Fassung: die liebt, die hasst. Und weiter im lateinischen und im französischen Text: wollend, nicht wollend, auch mit Vorstellungen und Empfindungen; wie ich nämlich schon vorher bemerkte, obwohl die Dinge, die ich empfinde oder mir vorstelle, außerhalb von mir vielleicht nichts sind, bin ich dennoch sicher, dass jene Arten des Denkens, die ich Gedanken und Vorstellungen nenne, soweit sie nur gewisse Arten des Denkens sind, in mir sind. Und Schopenhauer könnte nun sehr leicht gedacht haben: Soweit die hier aufgezählten inneren Vorgänge voluntativer, willentlicher, und nicht nur intellektueller, erkennender Natur sind, z.B. „wollend, nicht wollend“, „lieb“end, „hass“end, sind sie erstens real und substanziell vorhanden; und „sind“ dabei „in mir“. Und zweitens werden sie in der unmittelbarsten und sichersten Art und Weise erkannt; denn der „Liebende, Hassende, Wollende, Nichtwollende“ ist der Erkennende selbst und zugleich selbst der Erkannte. Und er könnte nun von hier aus, nach weiterem Nachdenken über die substanzielle Natur des Willens, als „Energie“, wie wir es heute nennen, auf den Gedanken gekommen sein: Also ist der hier überall grundsätzlich gleiche Wille – auch „lieben“ und „hassen“ sind ja Willensnuancen – das „Ding an sich“.
      Es fehlt nur noch der Schluss auf die übrigen Weltwesen; auch auf deren Natur als Energie, ohne dass man es damals unbedingt schon allgemein so nennen musste. Und für diesen Schluss braucht man nun schon eine gewisse Denkfähigkeit, die Befähigung, mit klar definierten Begriffen korrekt und konsequent umzugehen; wir kommen gleich darauf – sind aber auch bisher schon oft darauf gekommen. Und vielleicht verhalf Schopenhauers hellem Kopf das gesamte Wesen, das wir heute Energie nennen, auch schon damals zur Einsicht in die Willensnatur der Welt: es wäre dann der heutige naturwissenschaftliche Gedanke gewesen, wonach „alles Energie“ oder auch „dynamisch“ ist. Oder kommt es unserer Stupidität so furchtbar absurd vor, die beiden Gedanken, des alten verstaubten Schopenhauer und des heutigen schicken Naturwissenschaftlers, miteinander zu vereinen?
      Ich sagte, es könnte bei Schopenhauer so verlaufen sein. Ist es bei ihm nun so verlaufen? Meine Antwort: Prinzipiell ja! Und das genügt! Schopenhauer hatte zahllose Möglichkeiten in unserem zusammenhängenden abendländischen Gedankengebäude, und die gerade genannte hat er selbst wahrscheinlich nie in den Mund genommen. Aber hier führen nicht nur alle Wege nach Rom, sondern alle Wege sind hier grundsätzlich auch gleich – ich sage: grundsätzlich! Denn dann sind die ganz großen Gedanken nicht so zahlreich!
      Wir stoßen, indem wir uns dem Inneren des Einzelnen zuwenden, auf dessen intellektuelle und auf dessen voluntative, willentliche „Innerlichkeit“ oder auch „Subjektivität“. Und die letztere Innerlichkeit oder Subjektivität, der Wille, ist wegen seiner absoluten, grenzenlosen Subjektivität „aus sich selber“. Zwar muss der Wille so oder so schon „aus sich selber“ sein, wenn er überhaupt wirklich und wahrhaftig subjektiv sein soll, ohne intellektuell zu sein; es bleibt dann nichts anderes übrig; der Begriff des „aus sich selber“ ist auch notwendig; also zugleich möglich und wirklich, weil sonst „Dinge an sich“, und nicht nur „Erscheinungen“ oder „Vorstellungen“, „aus anderem“ sein müssten und dieses „andere“ wieder aus „anderem“ usw. ins Unendliche. Ist der Wille aber „aus sich selber“, so ist er, angesichts dieser Ungeheuerlichkeit – man bedenke nur: „Ursache“ und „Wirkung“ identisch, empirisch unbegreiflich! und dennoch empirisch! – so ist also der Wille angesichts dieser Ungeheuerlichkeit auch gleich absolut und grenzenlos subjektiv.


2.) „Über die Erfahrung hinaus“?

Welcher Natur nun aber sind die jetzt gemachten Beobachtungen? Sie sind zunächst auf jeden Fall empirischer Natur. Stutzt nun der eine oder andere? „Empirisch? Ich dachte, sie gehörten der Innerlichkeit an. Und jetzt ist plötzlich von Erfahrung und Empirie die Rede?“ Allerdings! Nur gehören die Beobachtungen nicht der äußeren, sondern der inneren Erfahrung an. Oder ist die innere Erfahrung etwa keine Erfahrung? Freunde, es gibt schwammige und unklare, es gibt nebulöse, unverbindliche und unzuverlässige äußere Erfahrungen, es gibt obendrein auch bewusst oder unbewusst verlogene äußere Erfahrungen, darauf könnt ihr euch verlassen, mancher merkt es selber nicht, wenn er pfuscht, verlogen, wie er ist; und es gibt innere Erfahrungen von gleicher Art. Dennoch wissen wir, dass es zugleich sehr genaue, präzise und zwingende äußere, aber ebenso gut auch innere Erfahrungen von der gleichen Art gibt.
      Darüber hinaus sind die inneren Erfahrungen zugleich die sichersten; und der Grund liegt auf der Hand: der Beobachter und der Beobachtete, der Erkennende und der Erkannte sind eine und dieselbe Person.
      Und schließlich können wir, auch im Zusammenhang mit dem jetzt gerade Gesagten, nicht anders als annehmen, dass die innere Erfahrung und Beobachtung, beide also in uns selbst, im Verhältnis zur äußeren, auch die tiefere und gründlichere ist. Auch das ist kein Wunder, wir haben ja gerade, zugleich mit Wirkung für den jetzt zu entwickelnden Gesichtspunkt, darauf aufmerksam gemacht, dass in diesen Fällen Erkennender und Erkannter identisch sind. Wir wissen zwar nichts über die Innerlichkeit der anorganischen Weltwesen, wir wissen andererseits aber auch durchaus nicht mit Sicherheit, dass sie keine haben; und wir wissen – vielleicht – nur sehr wenig über die Innerlichkeit der Pflanzen; was jedoch vor allem die letztere betrifft, so könnte mancher sich mit seinen landläufigen Vorstellungen, von der Nicht-Innerlichkeit der Pflanzen, irren; es gibt über sie die erstaunlichsten Forschungsergebnisse! Von den Tieren gar nicht zu reden! Halbbildung und Universitätsdünkel neigen übrigens dazu, diese Art der Innerlichkeit, vor allem bei den höheren Tieren, zu unterschätzen! Aber noch ganz anders, wie gesagt, als mit den übrigen organischen und mit den anorganischen Weltwesen ist es erst mit uns selbst; uns selbst aber haben wir, eben im Rahmen der inneren Erfahrung, erst recht und noch viel mehr in der Hand.
      Allerdings, die allerabstraktesten Formen der „Innerlichkeit“ oder „Subjektivität“, außerdem noch völlig losgelöst von der Frage des Bewusstseins – gerade der Wille ist ja subjektiv und innerlich, aber an sich selbst unbewusst – also die abstraktesten Formen kennen wir einigermaßen auch mit Wirkung für diejenigen Stufen des Lebendigen und Nichtlebendigen, die uns im Rang nachstehen, bis zu den anorganischen Wesen einschließlich: nämlich das „Sein aus sich selber“ und die „Dynamik, die reine Energie“. Die letztere ist mindestens so sicher wie die entsprechende naturwissenschaftliche Präferenz: Alles ist Energie; und die erstere ist so sicher wie die letztere: „Energie“ oder „Dynamik“ sind rein, pur, haben also keinerlei Passivität, also kein Sein aus anderem, sind also „Sein aus sich selber.“ Und weiter: uns Menschen kann kein Gott durch Wirkursache geschaffen haben, wegen unseres „aus uns Selber“; auf das wir ebenfalls, wie gerade gehabt, von der Energie aus schließen; das wir aber, unabhängig davon, zugleich in unserem Willen unmittelbar erleben. Siehe hierzu vorhin Nr. VII „Das Alte Testament und seine Unzulänglichkeit.“ Sollte Gott nun aber, nachdem er uns schon nicht durch Wirkursache schaffen konnte, dann wenigstens die Mineralien usw. durch Wirkursache ins Dasein gesetzt und entsprechend determiniert haben? Das Mindeste, was wir dazu sagen können, ist: Bis zum Gegenbeweis, nein; aber, wie gesagt: wir haben ja auch schon, von der Energie ausgehend, den Schluss auf „aus sich selber Sein“, Subjektivität und Innerlichkeit.
      Beruhen alle diese Schlüsse im Übrigen auch auf dem Schluss vom Einzelnen auf alle anderen Menschen und Weltwesen überhaupt? Allerdings! Wir sprachen vorhin mittelbar von der Art Sicherheit, die diesem Schluss immerhin eigen ist: Wir glauben nicht daran, dass uns die gesamte Welt außerhalb unseres Innern von dem berühmt-berüchtigten kartesischen Dämon nur vorgetäuscht wird. Und dem nicht unähnlich nehmen wir bis zum Gegenbeweis auch an, dass das „dynamische aus sich Selber“, also die Willensnatur, das „Ding an sich“, bis in die unterste Schicht des Anorganischen hinabreicht.
      Aber gut! Da wir es nicht ganz streng theoretisch beweisen können: verzichten wir methodisch auf den Schluss! Wir haben von der „dynamischen“ und „aus sich selber“ seienden Gesamtwelt auf die Existenz des Allerhöchsten geschlossen. Aber wir können diesen Schluss genauso gut von einer „dynamischen“ und „aus sich selber“ seienden bloßen Menschenwelt und, genau genommen, sogar von einem einzigen solchen Menschen aus ziehen – wenn Naturwissenschaften und Beobachtung auch breitere Möglichkeiten bieten. Versuchen wir es nur; z.B. an Hand von vorhin Nr. II („Die Aseität und die Existenz Gottes“); wir werden sehen, es geht ausgezeichnet; und alles ist in Ordnung. Diese scheinbare Schwierigkeit sind wir also los – abgesehen davon, dass sie nur scheinbar war.
      Ebenso sind wir inzwischen die scheinbare Schwierigkeit los, dass die Feststellung unseres eigenen, menschlichen „dynamischen“ „aus uns Selber“ nicht „empirisch“ sei, nicht der „Erfahrung“ entnommen sei, sodass unsere Ergebnisse etwa aus dem Grund unsicher, nicht authentisch, nicht „wissenschaftlich“ wären. Aber die besagte in Zweifel gezogene Feststellung ist, wie wir immer wieder und vor allem jetzt zuletzt gezeigt haben, zwar nicht der äußeren, jedoch der inneren Erfahrung, der inneren Empirie entnommen, und damit der sichersten, die es gibt.
      Wissenschaft gehört mit zum menschlichen Wesen; es gibt nicht nur einen moralischen Imperativ, von Kant der „kategorische“ genannt; es gibt auch einen wissenschaftlichen Imperativ im Allgemeinen und, nur z.B., einen extraterrestrischen im Besonderen. Neben all dem aber gibt es die „Wissenschaft“ als verblödendes Schlagwort – das ist es im Grunde, wogegen wir uns jetzt gewehrt haben – ähnlich: die „moderne Wissenschaft“ usw. Besonders gefährlich: die Vorstellung vom „Reagenzglas“. Machen wir uns frei von solchen Kindereien!
      Dem allen gegenüber liegt uns, wie wir gesehen haben, die innere Erfahrung mit dem „Dynamischen“ und dem „aus sich Selber“ des Willens so nahe, dass sie kein Reagenzglas braucht; der Mensch selbst ist hier das Reagenzglas! Fehlt dem Menschen etwa die ganz spezifische wissenschaftliche Patina dieses Requisits? Bei dem, der das meint, hätten wir es mit Begriffsverwirrung zu tun, basierend auf Blödheit. Es liegt auf der Hand: was wir brauchen, um uns nicht von falschen, pseudowissenschaftlichen Aspekten imponieren zu lassen, ist die Klärung der Begriffe für die innere Erfahrung; z.B. auch des Begriffes der „Subjektivität“, etwa so:
      Jeder Gedanke hat etwas Subjektives. Wer schief und krumm denkt, meint, wenn ein Gedanke subjektiv ist, so ist er auch schon falsch. Aber: dass er subjektiv ist, bedeutet nur, dass er in jemandes Kopf ist. In der Sache ist immer alles richtig; im Kopf ist immer alles subjektiv – und im letzteren Fall kann es falsch, es kann aber auch richtig sein; ist es falsch, so ist es allerdings noch subjektiver als das richtig Gedachte – insofern ja! Das ist aber nur eine besondere Seite des Begriffes der Subjektivität, es ist nicht deren Begriff überhaupt. Im Übrigen handelt es sich im Augenblick nur um das, was im intellektuellen Sinne subjektiv ist.
      Außerdem nun aber gibt es noch das, was dem Sein nach subjektiv ist, das „seinsmäßig Subjektive“ oder: das „subjektive Sein“. Und hier könnte die Begriffsverwirrung etwa besagen: „seinsmäßig subjektiv“ ist das, was „nicht ist“; aber es ist wohl nicht zu viel verlangt, wenn wir das seinsmäßig Subjekive nicht mit dem Negativen verwechseln sollen. Das Negative, Nichtseiende, ist ein vollkommen klarer Begriff; etwas „seinsmäßig Subjektives“ in der Bedeutung des Nichtseienden würde ihm nichts Sachliches hinzufügen; und wäre also mit dieser Bedeutung überflüssig und sinnlos.
      Das „seinsmäßig Subjektive“ bedeutet vielmehr ein Sein, das möglicherweise durch Motivation, aber sonst in keinerlei Hinsicht auf anderes Sein bezogen, von anderem Sein abhängig, aus anderem Sein hervorgegangen ist, sondern alles, was es ist und hat, „von“ und „aus sich selber“ hat – wie es ja letzten Endes, schließlich und endlich, trotz allem auch die Motivation, die Neigung, sich von etwas Bestimmtem motivieren zu lassen, „selbst aus sich selbst“ geschöpft und „aus sich selber“ in sich hineingelegt hat; daher hier soeben die Ausnahme „durch Motivation“.
      Mit all dem haben wir das eigentliche Subjektive vor Augen.
      Es ist das, was wir beim Wort und Begriff des Willens denken und erleben: eine Subjektivität, deren Sein gerade besonders intensiv, weil unabhängig und eigenständig, eben „aus sich selber“ ist. Oder hatten wir gedacht, eine solche Subjektivität werde für sich keinen Alltagsbegriff wie den Willen finden – auch nicht, nachdem wir vorhin (bei der „zweiten Begründung für die Fortdauer“ unter III. 1) festgestellt hatten, als Gegensatz zum Begriff des Mechanismus habe der Willensbegriff gerade ganz genau und präzise eben diesen und keinen anderen Inhalt und werde durch den Gegensatz zum Mechanismus geradezu wie durch eine Urkunde bestätigt und gefestigt?
      Nur wer vom „Subjektiven“ einen zu engen, der Sache nicht gemäßen Begriff hat, wer beim „Subjektiven“ nicht an das „Subjekt“, sondern an alles Mögliche denkt – im Sinne der zufälligen Beziehungen, die ausgerechnet er oder seinesgleichen zu diesem oder jenem Unterfall des „Subjektiven“ gerade haben – nur er beschränkt es etwa auf das intellektuell Subjektive; und in dessen Rahmen womöglich auch noch auf das intellektuell Falsche, auf das nur insofern Sachfremde, „nicht Objektive“, auf das nur insofern „Subjektnahe“, nur für das Subjekt Bedeutungsvolle und insofern denn „Subjektive“, wie etwa auf den Fall des unrichtigen Urteils, das jemand über eine bestimmte Sache hat. Sieht man aber in erster Hinsicht das „Subjekt“, den Kern des Begriffes, das, was wir beim Wort und Begriff „Wille“ denken und erleben, und sieht man damit das „Subjektive“ in seinem Kern, in seiner zentralen Bedeutung – und betrachtet man es so denn wegen dieser eigentlichen Bedeutung als das, was nicht einmal seiner Herkunft nach mit anderem etwas zu tun hat, sondern ganz im Gegenteil alles und jedes ausschließlich und allein sich selbst verdankt, als substanzgewordene und ausschließliche Selbstsetzung sozusagen – so erkennt man es, wie gesagt, wegen seines sich daraus ergebenden, diesem Sachverhalt entsprechenden „aus sich Selber“ gerade als ein Sein, das besonders unabhängig, eigenständig und so denn auch besonders intensiv ist. Und das auch wirklich existieren muss, weil andernfalls, wenn es also nur Sein „aus anderem“ gäbe, alles und jedes immer wieder etwas „anderes“ brauchte, „aus“ dem das jeweilige „andere“ ist, bis ins Unendliche – was bei „Dingen an sich“, um die es hier ja geht, absurd wäre.
      Wir haben als zweites begriffliches Merkmal des Willens das „reine Dynamische“, die „reine Energie“ genannt; und wir erkennen sofort auch hier das unabhängige, eigenständige und intensive Sein, das den Wesenskern des Willens ausmacht. Allerdings erblicken wir es hier im Begriff der „reinen Energie“ noch nicht mit der gleichen Unmittelbarkeit wie im „aus sich Selber“. Aber das „aus sich Selber“ lässt sich aus der „reinen Energie“ wenigstens mühelos ableiten; denn wir wissen ja: „reine Energie“, also nichts Passives, also nicht „aus anderem“, also „aus sich selber“!
      Und alles das, Freunde, ist nun pure Erfahrung, pure Empirie, und zwar unmittelbar aus unserem eigenen Selbst und Innern, natürlich plus Analyse mit Hilfe von Begriffen und letzten Endes tautologischen Schlüssen; denn ohne diese beiden gibt es kein Denken und ohne Denken keine Erfahrung; die Bedenken beginnen erst bei Begriffen ohne Erfahrung. Es ist überdies innere Erfahrung, Erfahrung von uns selbst; wie gesagt: die sicherste, tiefste und gründlichste Erfahrung oder Empirie, die es gibt; und die uns so nahe liegt, in Gestalt unserer selbst, dass wir maßlos dumm sein müssten, wollten wir mangels Reagenzglases die Wissenschaftlichkeit solcher Erfahrungen verkennen.


3.) Noch einmal: „Über die Erfahrung hinaus?“
Dieses Mal mit Hilfe spezifisch Kantischer Begriffe.



Es ging uns bei all dem um den jetzt zu untersuchenden Kantischen Einwand: es sei für uns Menschen unmöglich, mit unserem Denken über die Grenzen der Erfahrung hinauszukommen. Und wir können nun also, nach der Klärung des Begriffes der Erfahrung durch die notwendige Einbeziehung der inneren Erfahrung, feststellen, dass unserer Schlussfolgerung vom „dynamischen“ „aus sich Selber“ auf die Existenz eines vollkommenen Allerhöchsten ausschließlich Begriffe der Erfahrung zugrunde liegen.
      Gut! Aber geht die Schlussfolgerung über die zugrunde gelegten Begriffe nicht hinaus?
      Untersuchen wir diesen Punkt genau! Ist die Schlussfolgerung: „Ein dynamisches aus sich Selber kann! sich selbst als vollkommenes Wesen bestimmen“ – um sie zunächst nur als „Können“ aufzufassen – ein „analytisches“ oder ein „synthetisches Urteil“? beides im Kantischen Sinne verstanden; den wir hier zugleich klar machen. „Dynamisch“ bedeutet „kraftvoll“ und „zielgerichtet“, auf ein Ziel, das sich dank der Kraft, die man hat, grundsätzlich erreichen lässt. Und „aus sich selber“ ist gleichbedeutend mit dem, was sich selbst in der Hand hat, über sich selbst bestimmen kann, darüber, was es ist, und wie viel es ist, über seine Qualität und über seine Quantität. Danach ist das besagte Urteil analytischer Natur: „Was darüber bestimmen kann, was und wie viel es ist, kann sich selbst als vollkommenes Wesen bestimmen“; mit anderen Worten: Urteile, deren Prädikat, hier: „kann sich selbst als vollkommenes Wesen bestimmen“, letzten Endes nichts anders besagt als das Subjekt, hier: „Was darüber bestimmen kann, was und wie viel es ist“, sind analytische Urteile – deren Verneinung im Übrigen einen begrifflichen Widerspruch in sich schlösse; die über keine Erfahrung hinausgehen; und die von Kantischer Kritik nicht betroffen sind. Im Übrigen fügt sich die „Dynamik“ problemlos in die Überlegung ein.
      Nun haben wir aber behauptet, das „dynamische aus sich selber Seiende“ = „Was darüber bestimmen kann, was und wie viel es ist“, habe sich selbst als Gott, „als vollkommenes Wesen bestimmt“ und könne es nicht nur. Frage: Ist auch dieses, weitergehende Urteil nur analytisch, oder ist es dieses Mal synthetisch, mit anderen Worten: geht es über das hinaus, was das Subjekt besagt? Was „aus sich selber“ ist, kann auch bestimmen, dass es „seine Wenigkeit“ bleibt! Das Urteil, das „aus sich selber Seiende“ habe sich, an der Spitze der Gesamtheit der Wesen, „aus sich selber“ als Gott, als vollkommenes Wesen, konstituiert, geht demnach über das Subjekt, das „aus sich Selber“, hinaus und ist daher kein bloßes analytisches, sondern ein synthetisches Urteil! Mit anderen Worten: es behauptet etwas, was die Begriffe des Subjektes, nämlich: das „aus sich Selber“ = „was darüber bestimmen kann, was und wie viel es ist“, nicht enthalten; das heißt: es behauptet etwas, was das Subjekt im vorliegenden Fall nicht hergibt, und folglich etwas: dessen Verneinung als Aussage über das Subjekt keinen begrifflichen Widerspruch bedeuten würde. Wir stehen nun also an diesem Punkt des menschlichen Denkens vor der Grundfrage Kants, wie ein solches synthetisches Urteil möglich ist!
      Ist es etwa „a priori“ = „ohne Erfahrung“ möglich? Kant klärt den Gedanken in der „Transzendentalen Ästhetik“, dem ersten Teil der „Kritik der reinen Vernunft“. Hiernach glauben wir a priori = ohne Erfahrung zu wissen: dass alles und jedes räumlich und zeitlich bestimmt ist; wir erfahren es nicht an den Gegenständen, die wir in Raum und Zeit einkleiden, nicht an den Gegenständen, von denen wir vielleicht glauben, dass wir es an ihnen erfahren könnten; denn in Wahrheit glauben wir, schon vorher zu wissen, dass alles und jedes räumlich und zeitlich bestimmt ist, eben „a priori“; was wir daran erkennen, dass wir uns einbilden, alles und jedes, nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb von uns, müsse auf jeden Fall und unbedingt räumlich und zeitlich sein: Also sind Raum und Zeit nur unsere Art, die Dinge zu erfassen, eben nur unsere „Vorstellung“, nur „Erscheinung“, nur das, was uns so „erscheint“. – Wahrscheinlich ist es überhaupt so, dass unser Erdendasein in einer solchen Sicht der Dinge ganz genau und ganz ausschließlich geradezu besteht; und wir müssen nur noch hinzufügen, dass wir vermeinen, die Ereignisse in dieser Welt folgten nicht nur zeitlich aufeinander, sondern ständen, auch hier: in und außer uns, außerdem immer und ausschließlich in einer Kausalkette mit vorhergehenden und nachfolgenden Geschehnissen.
      Aber: Ohne etwas aus der Erfahrung zu wissen, wissen wir nichts „an sich“; die Erfahrung und das, was nach dem Widerspruchssatz aus ihr hervorgeht, ist die einzige Erkenntnis, die es gibt; Räumlichkeit und Zeitlichkeit der Gegenstände aber haben wir nicht aus der Erfahrung; vielmehr glauben wir die Notwendigkeit, dass diese Gegenstände räumlich und zeitlich sind, schon „vorher“, schon „a priori“, zu kennen.
      Wäre unser (soeben festgestelltes) synthetisches Urteil, wonach sich das „aus sich Selber“ an der Spitze seiner Gesamtheit selbst als Gott bestimmt und gesetzt hat, von der gleichen Art wie unsere Auffassungen über die notwendige Räumlichkeit und Zeitlichkeit von allem und jedem, so wäre Gott ebenfalls nur Erscheinung, und nicht „Ding an sich“. Aber wir haben für unser Urteil – Gott sei Dank! – ganz andere Gründe, nämlich psychologische Tatsachen auf Grund von Erfahrung, und solche Erfahrungen reichen für synthetische Urteile aus:
      Descartes sagt (in der dritten Meditation, siehe vorhin unter N. II), dass er selbst sich als Gott setzen würde – wenn auch verfehlterweise als Einzelner – falls er „aus sich selber“ wäre, „si a me essem“. Und es ist über Descartes´ Person hinaus eine ausreichend bekannte psychologische Tatsache, erstens, dass fast jeder Mensch seine Lage, also auch sein Wesen heben und verbessern würde, physisch, nicht unbedingt moralisch, sobald und soweit er es könnte; und zweitens, dass zumindest außerordentlich viele Menschen im Grunde, wenn sie es könnten, augenblicklich als Gott hervortreten würden, Gott sein wollten und dass hierin überhaupt – in einem solchen Willen, ohne es zu können, und vor allem, ohne dass es angebracht ist – zumindest zu einem großen Teil, die Verfehltheit der menschlichen Natur besteht, aus der die menschliche Schuld und Fehle hervorgeht. Wobei, wie schon gesagt, nicht vom Streben nach moralischer, ethischer Verbesserung oder Vollkommenheit die Rede ist, sondern ausschließlich von dem Streben nach physischer, einschließlich geistiger, Macht und Gewalt – von der Macht und Gewalt oft genug nur und ausschließlich eines bösen Gottes!
      Und dem entsprechend sind wir unter anderem denn auch schon im Triptychon (unter „Kreationismus, Intelligent Design und Kierkegaard“, im achtletzten Absatz) den Gedanken durchgegangen: Oder sollte da, innerhalb der Entwicklung im zeitlosen Augenblick der Ewigkeit, auf einer höheren Stufe über uns ein Wesen sein, das die Entwicklung zur physischen Vollkommenheit nicht fortsetzen will, weil dieses Wesen destruktiv ist? Es ist einer der vorhin genannten Fälle, in denen das „aus sich Selber“ bestimmt, dass es seine Wenigkeit bleibt. Nehmen wir einmal an, dass es tatsächlich so wäre – obwohl sich die Destruktivität absurderweise dann ja gegen dieses Wesen selbst richten würde und obwohl dieselbe Stufe schon wegen der bloßen Fähigkeit zur Vollkommenheit denn auch schon vollkommen wäre, was man ja jedenfalls so auffassen könnte. Aber nehmen wir an, zugunsten des Atheismus oder jedenfalls gegen den Monotheismus, es wäre trotzdem so, wie wir sagten!
      So gäbe es erstens ja auch dann höhere Wesen oder ein höheres Wesen über uns; das heißt, wir hätten mehr oder weniger die alten Götter wieder.
      Darüber hinaus aber brauchten wir uns selbst in diesem Fall wegen der Existenz eines höchsten und vollkommenen Wesens, dessen, was man spätestens seit dem Alten Testament unter dem „einen Gott“ versteht, keine Sorgen zu machen. Denn wir kennen ja zumindest uns selbst, uns Menschen, gut genug, um genau zu wissen: Zumindest einer von uns – oder auch von den alten Göttern, wenn sie das waren, für das man sie seinerzeit hielt – also zumindest einer der Genannten hätte längst, zeitlich gesprochen: schon vor Urzeiten, im Übrigen aber im zeitlosen Augenblick der Ewigkeit, als erster die Entwicklung fortgesetzt, in etwaiger Ermangelung eines anderen Wesens, das bereits höher gestanden hätte als er selbst. Und er hätte, auch hier wieder kraft seines „aus sich Selber“ im Augenblick der Ewigkeit, den Weg bis zum intellektuell und überhaupt zum physisch stärksten und mächtigsten Wesen fortgesetzt. Nur nicht unbedingt bis zum ethisch vollkommenen Wesen; Freunde, der Mann würde vielleicht uns allen, schließlich und endlich jedem von uns ohne Ausnahme, das Dasein zur Hölle machen.
      Aber wir erleben es ja, wir „erfahren“ es: zur Hölle wird unser Dasein, außer vielleicht in Ausnahmefällen und -augenblicken, und vorausgesetzt, dass wir nicht verzärtelt sind, glücklicherweise nicht – wenn auch immerhin zu einem Tränental, dem „lacrimarum vallis“, das haben unsere Väter, besser als spätere Idealisten und Illusionisten aller Art, durchaus richtig gesehen; aber das ganze absurde Wesen eines missratenen Gottes ist uns erspart geblieben. Das Böse und die Übel in der Welt lassen sich vor allem mit uns selbst, aber auch mit den uns nachgeordneten Wesen, und hier nicht am wenigsten mit den Mikroorganismen und den anorganischen Weltwesen, erklären, sofern wir gereift sind und uns keine Illusionen machen; Schopenhauer sagt es einmal: wir haben oft genug Gelegenheit festzustellen, dass wir, und nicht nur die notorischen Übeltäter ethisch nicht so viel wert sind, wie wir selber „uns gütigst zugestanden hatten“. Und hiermit nun, und nicht erst mit einem ethisch mangelhaften Allerhöchsten erklärt sich alles vollkommen ausreichend.
      Sodass ein Anderer, Besserer, der aber die Freiheit aller übrigen respektiert, wofür er gute Gründe hat – wir sprachen schon davon – im zeitlosen Augenblick der Ewigkeit den ersten Platz einnehmen konnte, nämlich der, den man immer schon und auch jetzt noch, volkstümlich und vertraut, den Lieben Gott zu nennen pflegt.
      Soviel zur Schlussfolgerung vom „dynamischen „aus sich Selber“ in uns Menschen, und auch unterhalb von uns, auf ein höchstes Wesen in physischer Hinsicht – und wir dürfen hoffen, dass es das höchste auch in ethischer Hinsicht ist – an der Spitze des umfassenden und vollständigen „aus sich Selber“, dem auch wir angehören! Und in dem unter anderem wir Menschen eine der unvollkommenen, zum Teil leiderfüllten, ununterbrochen strebenden und sich sehnenden, wenn auch immer wieder zurückgeworfenen „dynamischen“ Zwischenstufen bilden – bis irgendwann der Ewige und Allerhöchste, dank seiner Vollkommenheit und im Falle unserer Mithilfe, uns so nahe an sich gezogen hat, dass wir endgültig selig oder glücklich sind und jedenfalls ohne einen auch noch so fernen Anflug des Niederen und des Elenden, dessen Überwindung uns schon jetzt vom Allerhöchsten und noch mehr von unserer eigenen Ethik aufgegeben ist.
      Aber wo ist hier nun die Erfahrung, auf die sich das synthetische Urteil stützen kann, dem gemäß sich das „aus sich selber Seiende“ wirklich und wahrhaftig in einer höchsten, vollkommenen Spitze selbst als Gott gesetzt, bestimmt, konstituiert hat? Wie kamen wir von der bloßen Möglichkeit: „Das `aus sich Selber´ kann sich an seiner Spitze selbst als höchstes Wesen setzen“ zu der Tatsächlichkeit, dass es sich als solches auch gesetzt hat? Wir haben jetzt die Antwort! Jeder kennt sich selbst: „alle Guten, alle Bösen“ – die ersteren und die letzteren, jeweils auf ihre Weise allerdings, die letzteren blasphemisch, die ersteren wesentlich bescheidener, auf das Angemessene reduziert! – sie alle also wüssten, was sie täten, wenn sie sich, „dynamisch“ und „aus sich selbst“, im Augenblick der Zeitlosigkeit, mit niemandem über sich, als Spitze der Gesamtheit des „aus sich Selber“, „alle“ physischen „Vollkommenheiten“ von sich aus „geben“ könnten, wie Descartes es sich für seine Person als Einzelmensch denn ja auch ohne Weiteres so gedacht und vorgestellt hat (siehe vorhin unter Nr. II); das heißt, die Guten würden dabei bleiben, dass sie nicht die Spitze der Gesamtheit werden wollen. In jedem Fall jedoch weiß jeder bei sich selbst, was dieser oder jener täte, was viele täten, Kantisch durch und durch, ganz aus „Erfahrung“, denn wir haben ja jetzt gesehen: auch die innere Erfahrung gehört dazu. Psychologen, nicht nur die vom Fach, wissen es wenigstens von anderen, aus Erfahrung von deren Erfahrungen. Wir alle also wissen, oder könnten wissen, was jedenfalls ganz sicher viele von uns täten, und was, sofern noch frei vom Sündenfall, die Besten von uns täten, wenn nicht der Allerhöchste über uns den Platz im zeitlosen Augenblick, in dem wir alle leben, längst eingenommen hätte.
      Worin nämlich besteht die gesuchte, Kantisch gemeinte „Erfahrung“, dieses Mal die innere Erfahrung? Wir hatten gesehen, was die Gesamtheit des „aus sich Selber“ kann: Sie kann sich an ihrer höchsten Spitze als vollkommenes Wesen selbst bestimmen, sich zu ihm machen! Jetzt sehen wir, dass dieselbe Gesamtheit dasselbe, teils potenziell in jedem von uns, teils aktuell, auch will. Die Erfahrung sagt uns demnach: dass die Gesamtheit des „aus sich Selber“ sich an ihrer höchsten Spitze als vollkommenes Wesen bestimmen kann und will. Und dass sie es folglich, in ihrer Zeitlosigkeit, auch tatsächlich, sozusagen längst, getan hat. Denn: „können und wollen = tun“, insoweit ist auch der bloße Schluss schon die Erfahrung selbst.
      Das heißt: wir haben jetzt die Erfahrung „Das `aus sich Selber´ wollte sich als Gott bestimmen“, die für das synthetische Urteil „Es konnte sich als Gott bestimmen; also hat es sich dazu bestimmt“ noch fehlte. Anders beim synthetischen Urteil vor aller Erfahrung und so denn auch ohne alle Erfahrung, über „Raum, Zeit und Kausalität als Notwendigkeiten in der empirischen Schicht“; aber so denn – weil ohne alle Erfahrung und doch als Notwendigkeiten – auch mit der Konsequenz „Raum, Zeit und Kausalität als bloße Vorstellung oder Erscheinung“ – im Unterschied zum Allerhöchsten, der sich an der Spitze des „aus sich Selber“ durchaus als „Ding an sich“ bestimmt. Und wir wissen jetzt, worin der Unterschied besteht: darin, dass er es auch will und dass wir diesen Willen auch erfahren haben.
      – Am Willen zum Göttlichen fehlt es nach allem nicht im „aus sich Selber“. Man weiß überhaupt, oder man könnte es wissen, es gibt im Tiefsten keine Atheisten, es gibt nur die, für die Gott über dem Menschen steht, und andere, die zumindest in ihren tiefsten Schichten zum Beispiel ihren Cliquenboss als Gott anbeten; oder vor allem sich selbst; o der den amerikanischen Präsidenten als „mächtigsten Mann der Welt“, laut unbedarften, weltlich verblödeten Zeitungsschreiberlingen; usw. usf. Vielleicht erklärt sich auf diese Weise sehr viel Böses in der Welt; jedenfalls hält Heinrich Seuse, der mittelalterliche Mystiker, in seinem „Buechli von der warheit“ die menschliche Anmaßung, Gott zu sein, für die Quelle alles Bösen. –
      Soviel zum Schluss vom „aus sich Selber“ auf den Allerhöchsten, diesmal mit dem Rückgriff auf „Erfahrung“, für die Gültigkeit des Schlusses, im Sinne der beiden Denker von Königsberg und Danzig.


4) Das Entsprechende für unsere Fortdauer nach dem Tod.


Aber wir haben auch noch den zweiten kardinalen Schluss vom „aus uns Selber“, nämlich den auf unsere Fortdauer nach dem Tod (siehe vorhin Nr. III Punkt 1). Und wir müssen nun auch diesen Schluss darauf prüfen, ob er durch Erfahrung gedeckt ist.
      Was die beiden voluntativen begrifflichen Merkmale des „aus sich Selber“ und des „rein „Dynamischen“ oder der „reinen Energie“, betrifft, so sind wir im Vorhergehenden auch sie schon durchgegangen (Nr. X Punkt 2 in den letzten Absätzen), als diejenigen Gegenstände innerer und äußerer Erfahrung, die uns (Nr. III Punkt 1) konkreter als Kräfte des Willens bekannt sind. Und dass dieses „dynamische“ „aus sich Selber“ sich über die gesamte empirische Schicht erstreckt, ist ja wohl auch ein Gegenstand der Erfahrung; der ständige Wandel der Erscheinungen im Einzelnen ändert daran nichts.
      Oder hat jemand von uns gesehen, „erfahren“, wie irgendjemand diesen Wesen oder Dingen, und nicht nur ihren Umwandlungen, ins Dasein verholfen hat, sodass sie nicht „aus sich selber“ wären? Solche Erfahrungen hat niemand gemacht, der dazugehörende Schöpfergott kommt in der Erfahrung nicht vor! Darüber hinaus aber sind solche Erfahrungen auch nicht denkbar, weil sie dem in der Natur lückenlos verbreiteten „aus sich Selber“ widersprechen; und die Realität dieser Lückenlosigkeit, die auf dem uns ständig gegenwärtigen Willensbegriff beruht – mit seinem „aus sich Selber“ als uralter und nur noch nicht beachteter Menschheitserfahrung – sind wir schon oft durchgegangen (Siehe u.a. vorhin:Die zweite Begründung für die Fortdauer. Sowie: Ein dritter Grund. Unter: III. Die Aseität und die Fortdauer nach dem Tod. 1.) Die Fortdauer des Willens überhaupt. !). Fabriziert etwa der Apfelbaum seinen Sprössling, das Pferd das Füllen, der Vater den Sohn? Oder entsteht ganz im Gegenteil der Nachkomme in allen Fällen innerhalb der Elternorganismen „aus sich selbst“?
      Oder erkennen wir, was nun schließlich die „Dynamik“ betrifft, das Mikroskop nicht als Werkzeug der Erfahrung an?
      Und dann das Leben! Dass es das ist, was die Einzelwesen durch Zellvermehrung und die Spezies durch Vermehrung der Einzelwesen im Dasein erhält, geschlechtlich oder ungeschlechtlich; dass alles „dynamische“ „aus sich selber Seiende“, dem jene beiden Merkmale des Lebens fehlen, zwar kein Leben ist, aber überaus häufig existiert; dass aber andererseits wir Lebewesen nicht nur aus jenen beiden Merkmalen bestehen, sondern wie alles und jedes immer auch „dynamisch“ und „aus uns selber“ sind; dass es also „dynamisches“ „aus sich selber Seiendes“ ohne Merkmale des Lebens gibt, aber nicht das Umgekehrte: dass also der Wille, der sich in allen findet, in lebenden und in nicht lebenden Wesen, die Basis des Lebens ist, und auch hier wieder nicht umgekehrt; alles das dürfte ebenso gut eine Erfahrungstatsache sein wie das, was wir vorher als solche bezeichnet haben. Selbstverständlich dürfen wir die Begriffe auf ihre Ordnung hin beobachten, um daraus Schlüsse zu ziehen! Denn auch für die berühmte Kantische wie für jede „Erfahrung“ brauchen wir Begriffe, die dem von der Erfahrung gebotenen Stoff ihre Form geben.
      Ich höre hier und da Triumphgeschrei: „Und die Einzeller? Die Amöben?“ Keimt hier vielleicht die Hoffnung auf beginnende Rückgewinnung von Chaos und gedanklicher Armseligkeit? Das ist ja das Einzige, was manche wirklich wollen, es gibt in diesen Dingen durchaus eine Tendenz. Ach du lieber Gott! In der Amöbe werden vor lauter nachträglicher Vereinfachung oder auch vor lauter Anfangs-Primitivität, mit anderen Worten: entweder im Nachhinein oder von vorneherein beide Funktionen des Lebens zu einer einzigen verschmolzen. Und wenn nun jemand die Gültigkeit beider Lebensfunktionen und -merkmale wegen dieses Sonderfalles opfern wollte, der aber ebenfalls auf beiden beruht, dann sage ich: O du blitzgescheiter Kopf, würdig, ein Pseudo-Laotse zu heißen!
      Es gibt Weltwesen mit Willen, „dynamisch“ und „aus sich selber“, die aber nicht leben, z.B. die Mineralien; aber es gibt kein Lebewesen, das nicht „dynamisch“ und „und aus sich selber“ ist, gleichgültig, ob es lebt oder nicht; wie soeben schon vermerkt. Fazit, noch einmal: Der Wille, das „dynamische aus sich selber Seiende oder ständig Werdende“, ist der Träger, die Voraussetzung des Lebens, nicht umgekehrt. Das wird auch durch eine, vorhin schon genannte, bestimmte volkstümliche Weisheit, bei Medizinern und Nichtmedizinern, zu bestimmten medizinischen Vorgängen, u.a. zum Lebenswillen, bestätigt. Und das alles ist doch wohl auch Erfahrung!
      Wer tiefere, feiner ziselierte Erfahrungen macht, wird beobachten: es ist eine Anomalie, dass anorganische Wesen sich unter Umständen zwar sehr stark wandeln, weil sie keine Individuen sind, dass sie aber nicht vergehen; – für sie gilt offenbar: „Kein Wesen kann zu nichts zerfallen./Das Ewige regt sich fort in allen“! – während dagegen Lebewesen zu Leichnamen und im Übrigen zu Nichts werden sollen, obwohl nicht einzusehen ist, dass ausgerechnet ihre Eigenschaft als Individuen gerade dafür verantwortlich sein könnte. Also, auch das ist eine Erfahrung, nämlich die einer Anomalie. Und die Rationalisierung dieser Anomalie, nicht zu verwechseln mit einer so genannten „Nachrationalisierung“: Auch der Wille der Lebewesen, ihr „dynamisches aus sich Selber“, besteht nach dem Tode fort. Allerdings in einer anderen Schicht, sie sind eben Lebewesen. Die sich in unserer Schicht nur durch Ernährung und Geschlechtlichkeit oder Ähnliches halten können.
      „Tot“ ist nur, was vorher gelebt hat; das Attribut „tote“ in „tote Materie“ ist eine Metapher, überdies eine irreführende. Auch das haben wir (unter Nr. III Punkt 1) gesagt. Freunde, es handelt sich bei all dem nur um die korrekte Anpassung der Begriffe, die die Form sind, an die Erfahrung, die den Stoff liefert. Und um deren Funktion es uns jetzt geht: Der Tod beendet nur das Leben, dessen Begriff wir ebenfalls vorhin klargemacht haben; er löscht nicht den Willen. Was nicht lebt, stirbt auch nicht, und so weiter; alles pure Erfahrung, nur dieses Mal eingefasst in korrekte Begriffe; um beides geht es uns ja jetzt! Begriffe brauchen wir Menschen zumindest bei allen geistigen Tätigkeiten – nehmen wir versuchsweise an: anders oder nicht bei den künstlerischen, aber ich will das jetzt nicht entscheiden! – gleichgültig, ob wir Erfahrungen machen oder spekulieren, Mathematik treiben oder sonst geistig tätig sind.
      Noch einmal der Einwand: „Aber man sieht nicht das, was vom Menschen nach dem Tod weiterexistiert.“ So der Protest einer Skepsis, die sich selber „gesund“ nennen würde; höher als eine solche Skepsis aber mit einem so schwammigen Attribut steht die Ratio, die Vernunft. Und deren Antwort lautet: Man sieht das, was nach dem Tode weiterexistiert, auch nicht, während der Mensch noch lebt; solange nämlich sieht man nur das Leben und dessen notwendigste Träger: die Körperzellen, die sich zur Erhaltung des Einzelnen, und die Körper, die sich zur Erhaltung der Spezies vermehren sollen, wir sind es schon durchgegangen; und während dieser Zeit des Lebens ist das, was nach dem Tod weiterexistiert, ganz sicher vorhanden – als Gegenstand der inneren Erfahrung! Und für die Außenstehenden: als Gegenstand mittelbarer Erfahrung – es ist das Innenleben des nunmehr Verstorbenen, wir haben es mit dem „aus sich Selber“ begründet; und warum nun auch sollte ein Innenleben nach dem Tod eines anderen für uns, unmittelbar, erkennbar sein, wenn es das vor dem Tod ebenso gut nicht ist und sich während dieser Zeit auf Grund des Innenlebens des Beobachters in Verbindung mit einigen Äußerungen und Gesten des Beobachteten nur mittelbar erschließen lässt! – Dieses Innenleben, des Beobachters und des Beobachteten, ist von unergründlicher Tiefe; wir haben es ausführlich verdeutlicht. Es ist an seiner Grundlage nichts anderes als: das „aus sich Selber“ mit der abgründigen Identität von „Ursache“ und „Wirkung“, das wir in der von außen sichtbaren empirischen Schicht nicht mit einem unserer fünf Sinne, also nicht von außen empirisch wahrzunehmen brauchen, um sein Vorhandensein als erwiesene Tatsache zu erkennen, nämlich das Vorhandensein des einzigen, was, für sich betrachtet, in seinen tiefsten Schichten total unbewusst und dennoch subjektiv ist, was mit anderen Worten: der Wille ist.
      Damit aber waren wir denn (vorhin unter Nr. III Punkt 1) beim zweiten Argument für unsere Fortdauer nach dem Tod: beim „aus sich Selber“, bei unserem „Sein aus uns selbst“. Wir haben (hier unter Nr. X gegen Ende des 2. Punktes) um des Schlusses auf den Allerhöchsten willen schon ausgeführt, wieso auch dieser Begriff des „aus uns Selber“ auf nichts als auf Erfahrung ruht.
      Wir haben uns schließlich klar gemacht (unter dem 3. Punkt von Nr. X), dass nach diesem Begriff kraft puren analytischen Urteils, das „aus sich Selber“, das allen Wesen zugrunde liegt, seine Selbstbestimmung zum höchsten, vollkommenen Wesen, an seiner höchsten Spitze, selber voll und ganz in der Hand hat. Das heißt, so erkannten wir das Können, mit dem sich anschließenden synthetischen Urteil (siehe, wenn nötig, am angegebenen Ort: Nr. X Punkt 3), wonach es von dieser Möglichkeit auch Gebrauch macht; sowie mit der hierin beschlossenen Notwendigkeit einer zusätzlichen Erfahrung als Grundlage des Urteils, die uns, für den Schluss auf Gottes Existenz, den Willen vieler Menschen zeigte, selber Gott zu werden (siehe zu allem am angegebenen Ort). So erkannten wir das Wollen, zumindest irgendeines Wesens in der Gesamtheit des „aus sich Selber“: sich an der Spitze dieser Gesamtheit als Gott, als höchstes, vollkommenes Wesen selber zu bestimmen – was es auch ausgeführt hätte, wenn kein anderes sich dazu entschlossen hätte. Und so folgerten wir aus dem Können in Verbindung mit dem Wollen, dass es auch tatsächlich zur Selbstsetzung als höchstes Wesen gekommen ist.
      Wir können uns endlich auch sehr leicht klar machen, jetzt, beim Schluss auf unser eigenes Dasein nach dem Tod: dass schon das „aus sich Selber“, das jedem Einzelnen von uns zugrunde liegt, laut purem analytischen Urteil voll und ganz die Gewalt darüber hat, ob es nach dem Tode weiterexistiert oder nicht, so wie wir unsere Gewalt über dieses Dasein vorhin (unter Nr. III gegen Ende des 1. Punktes) analysiert und wiedergegeben haben:
      Und: der Wille wird „wissen“ – um nun nach dem Voluntativen auch auf diesen Aspekt zu kommen – wohin, nämlich zu sich selbst, er sozusagen zu „fliehen“ hat; er braucht dazu keinen Intellekt, nicht das, was wir „Intellekt“ nennen: keine Reflexion oder Theorie oder sogar das „intelligent design“ eines Gottes. Allüberall in der Natur, vielleicht sogar in ihrem größeren Teil, beobachten wir diese Unmittelbarkeit, diese Lenkung durch den „Willen“ selbst, durch die „ursprunghafte Energie“ – wir sind es ja selbst – oder wie auch immer wir dieses eine und selbe Wesen mit den verschiedenen Namen immer wieder nennen, das sozusagen „weiß“, wie es zu reagieren hat, sollten wir in unserem jetzigen Stadium auch nichts mehr davon „wissen“, uns nicht mehr erinnern. Wir wenden ein: „Wir verstehen nicht, wie und auf welche Weise es das kann und wie es ihm möglich ist“? Aber gehören wir denn zu den aufgeblasenen, geistig schwachen Menschenkindern, die sagen „Es ist so. Aber wir verstehen es nicht. Also ist es nicht so“? Bleiben wir dabei, dass! „Es so ist“! Tatsachendenken! wenn wir hier oder da nicht mehr erreichen können, das gehört auch dazu!
      „Aber das `intelligent design´ eines höheren Wesens könnte ja den Weg gewiesen haben!“ Wir haben immer wieder klargemacht, weshalb es das nicht könnte: eine solche Lenkung widerspräche, wenn wir sie zu Ende denken! nicht nur dem Wesen und Begriff des Willens, des „aus sich Selber“, der ursprunghaften, reinen Energie, sondern auch unserer Willensfreiheit und so denn jeglicher Ethik und Moral: dem „moralischen Gesetz in uns“; mit anderen Worten: Gott hätte uns, wenn der Wille wirklich nicht den Weg von sich aus fände, mit seinem „intelligent design“ so geschaffen, wie wir jetzt sind und wie wir auf Grund dieses Seins auch handeln – „Das Verhalten ergibt sich aus dem Sein“ „Agere sequitur esse“– er hätte uns determiniert. Wir wissen aber, und wir werden es jetzt noch einmal kurz begründen: wir sind „aus uns selbst“ und haben „das moralische Gesetz in uns“.
      Misstraust du dem Begriff des Willens: dem „Seienden aus sich selbst“? Haben wir spintisiert, als wir unserem Innern den Begriff entnahmen? Als Extrempunkt der Subjektivität, wie wir gesehen haben? Als Gegensatz zum Mechanischen, wie wir ebenfalls bald sehen werden? Misstraust du dieser inneren Erfahrung? Du hast keinen Grund dazu; aber wenn – dann hebe die Moral gleich mit auf! Wir entnehmen auch sie unserm Innern. Ist „das moralische Gesetz in uns“ vielleicht sogar nur „anerzogen“? Die eingebildetsten und blindesten Gouvernanten unter den männlichen so genannten Wissenschaftlern reden so. Ist auch der Willensbegriff nur anerzogen? Nein! natürlich nicht! wir brachten ihn ja erst vor wenigen Jahrzehnten zu Bewusstsein! und Gouvernanteneffekte ohne Bewusstsein in unserm Innern sind ja wohl nicht möglich, wie denn ja auch die Gouvernanten ständig vom „Bewusstsein“ reden. Also gut! dann widerlege den Willensbegriff in unserm Innern – und den Moralbegriff gleich mit dazu; ich habe ja nichts dagegen, wenn jemand es kann. Ich habe nur etwas gegen Phrasen und Geschwafel. Oder akzeptiere beide Begriffe, den des Willens und den der Moral! Aber vergiss nicht: „Unser Verhalten ergibt sich aus unserem Sein“ “Agere sequitur esse“, sonst wäre es nicht unser Verhalten; das ist unwiderleglich, man wusste es spätestens im Mittelalter. Und unser „Sein“ ergibt sich „aus uns selbst“, solange das “aus sich Selber“, das „dynamische“ „aus sich Selber“, als wohlbegründeter Begriff des Willens nicht widerlegt ist. Und so denn: keine göttliche Wirkursache! Kein göttlicher Intellekt und kein „intelligent design“ bei Gott als Komponente seiner Wirkursächlichkeit! Die Lenkung liegt in unserem Willen, und in dem der anderen Wesen, als Intellekt oder auch als irgendeine andere Art der Lenkung. Tatsachendenken! wie gesagt.
      Und wir wissen ja inzwischen, was das „aus sich selber Seiende“ alles kann.
      Das heißt insgesamt: es ist uns damit auch hier, bei der Frage unserer Fortdauer nach dem Tod, das Können gegeben. Ebenso unmittelbar ist uns klar, weshalb wir dieses Mal kein weiteres, synthetisches Urteil, etwa über den menschlichen Willen zur Fortdauer brauchen – und so denn auch nicht den Nachweis einer Erfahrung von diesem Willen, zur Rechtfertigung des Urteils. Das heißt: wir haben so, mit dem Können auch schon das Wollen; und hoffentlich, seit soeben: auch die Einsicht in den Weg oder in den Ersatz dafür – und damit den Schluss auf Fortdauer nach dem Tod mit Intellekt und Willen.
      Es fehlen, um der gedanklichen Orientierung oder Durchsichtigkeit willen, nur noch folgende Klärungen: Um von der Gesamtheit der Wesen, die „aus sich selber“ sind, den Schluss auf die Existenz des Allerhöchsten zu ziehen, erschien uns das Können an der Spitze dieser Gesamtheit – ihre Fähigkeit, Gott zu werden – schon wegen der begrifflichen Grundlagen, schon wegen des „aus sich Selber“, völlig sicher; daher die Kennzeichnung als „analytisches Urteil“. Nur den Willen der Gesamtheit des „aus sich Selber“, sich als vollkommenes Wesen zu bestimmen, glaubten wir auf jeden Fall noch eigens durch Erfahrung sichern zu müssen (siehe Punkt X Nr. 3 über die Neigungen des Menschen, ein höchstes, vollkommenes Wesen werden zu wollen). Soviel zu diesem Schluss. Dagegen erschien uns für den Schluss von unserem „aus uns Selber“ auf unsere Fortdauer nach dem Tod nicht nur das Können, unsere Kraft zur Fortdauer, sondern auch das Wollen, und zwar das Letztere von vornherein, gegeben zu sein; deshalb betrachteten wir in diesem Fall das ganze Urteil als „analytisch“. Allerdings würde es nichts schaden, hätten wir dieses Mal den Willen zur Fortdauer eigens durch Erfahrung nachzuweisen und zu belegen; und es würde uns, wie schon vermerkt, wohl auch nicht widerstreben, dem Betreffenden selbst die Schuld zu geben, wenn ihm der Wille zur Fortdauer fehlte. Nur wäre das Urteil, unerheblicherweise, dann nicht „analytisch“.
      Im Übrigen spricht die Zeitlosigkeit des Willens in der Schicht des „Dinges an sich“ mehr als stark für die Widersprüchlichkeit einer Selbstaufhebung des Willens, zu der es ja kommen müsste, wenn der Wille zur Fortdauer fehlt. Siehe hierzu vorhin: „III. Die Aseität und die Fortdauer nach dem Tod“ (Unter: 1. Die Fortdauer des Willens überhaupt. „Die zweite Begründung für die Fortdauer“, in den letzten Absätzen, ab: „Darüber hinaus leitet uns der Gedanke von der Widersprüchlichkeit einer Selbstaufhebung des Willens zu seiner Zeitlosigkeit, durch die die Widersprüchlichkeit in perfekter Weise deutlich wird.“)
      Und soviel nun also zum „Sein aus sich selber“ als Erkenntnisgrund für die Existenz Gottes und für unsere Fortdauer nach dem Tod, dieses Mal beides unter dem Kantischen Gesichtspunkt der Erfahrung als Kriterium für die Richtigkeit der Erkenntnisse.


XI. Verdeutlichung und Vertiefung des Begriffes
vom „aus sich Selber“
sowie der Schlussfolgerung von ihm
auf die Existenz des Allerhöchsten.
Über die Voraussetzungslosigkeit.

1.) Verdeutlichung und Vertiefung.


Aber Kant ist nicht der einzige, der Folgerungen innerhalb des Bereiches unserer Existenz gewissen strengen Regeln der Kritik unterwirft; Schopenhauer ist ihm auf seine Weise darin gefolgt; und wir werden uns gleich mit einem der Beispiele auseinandersetzen; nur mit der Besonderheit, dass wir Schopenhauer trotz der Fülle seiner richtigen Erkenntnisse auch dieses Mal nicht folgen.
      Gehen wir zunächst auf Descartes zurück, da, wo er das Gegenteil zu Schopenhauers kritischem Gedanken vertritt.
      Wir haben gesehen, Descartes suchte unsere menschliche A-se-ität, unser „Sein aus uns selber“, die Aseität jedes Einzelmenschen für sich, ad absurdum zu führen, indem er von diesem Gedanken darauf schloss, dass dann jeder Einzelmensch sich selber als Gott konstituieren würde; was aber bekanntlich nicht geschehe; sodass wir also nicht „aus uns selber“ wären. Dagegen müsste, so wie wir den Gedanken fortgesetzt haben und anders als Descartes vermeint, nicht jeder einzelne Mensch, wenn er „aus sich selber“ wäre, „sich selbst“ „alle Vollkommenheiten“ „gegeben haben“ und Gott geworden sein – im Gegenteil, wir haben gezeigt, dass ein solcher Schluss nicht einmal möglich ist – vielmehr wäre der mit Recht verlangten Konsequenz aus der menschlichen Aseität auch schon dann Genüge getan, wenn sich nur die Gesamtheit des Seins in Gestalt ihrer Spitze, ihres höchsten Wesens, als Gott konstituiert hat. Worauf wir sodann geschlossen haben. Aber sehen wir von diesem Unterschied, Einzelmensch oder Gesamtheit des Seins, einmal ab, so stellt Descartes den Vorgang der Gottwerdung grundsätzlich und im Großen und Ganzen richtig dar.
      Und er sagt nun darüber hinaus unter anderem: Ich brauche auch nicht zu denken, das, was mir fehlt, ist vielleicht schwerer zu erlangen als das, was schon zu meinem Wesen gehört, denn ganz im Gegenteil, es ist offensichtlich weitaus schwerer für mich, als denkende Sache oder denkende Substanz aus nichts hervorzugehen, als Kenntnisse von vielen Dingen zu erwerben, die ich nicht weiß und die nur Akzidenzien besagter Substanz sind. Und sicher hätte ich mir, wenn ich jenes Größere aus mir selber hätte, jene Dinge, die leichter zu haben sind, erst recht nicht versagt. Also: „Bin ich über den Hund gekommen, so komme ich erst recht über den Schwanz“ – wenn wir um des plastischen Ausdrucks willen Gott einmal so reden lassen – . Und wir konnten ja auch den Schluss ziehen, dass sich der Wille, das „dynamische“ „aus sich Selber“, tatsächlich in Gestalt eines höchsten und vollkommenen Wesens verwirklicht hat; und zwar seit Ewigkeit und ohne Verzögerung durch Zeitablauf, auch diese beiden Punkte dank seinem „aus sich Selber“, kraft dessen sich der Wille ja die nötige Natur dafür verschaffen konnte. Was wollen wir noch mehr als diese Folgerung? Descartes hat also – insoweit – durchaus Recht; aber seine Argumentation ist nicht gründlich genug.
      Schopenhauer zum Beispiel schreibt im zweiten Band der „Welt als Wille und Vorstellung“ (am Ende von Kapitel 26) – und ich bitte, wegen der „Magie“ an der Stelle nicht zu verzweifeln, es geht uns ja im Augenblick um etwas anderes, und Schopenhauer hat wegen der Magie selber Vorbehalte – er schreibt also: Auch könnte man sagen, dass, wie von seiner ursprünglichen Schöpferkraft – der des Willens – welche in den vorhandenen Gestalten der Natur bereits ihr Werk gethan hat und darin erloschen ist, dennoch bisweilen und ausnahmsweise ein schwacher Ueberrest in der generatio aequivoca hervortritt; – dass also – eben so, von seiner ursprünglichen Allmacht, welche in der Darstellung und Erhaltung der Organismen ihr Werk vollbringt und darin aufgeht, doch noch gleichsam ein Ueberschuß, in solchem magischen Wirken, ausnahmsweise thätig werden kann.
      Sehen wir jetzt davon ab, welche Bedeutung Schopenhauer der Aseität des Willens, dessen „Sein aus sich selber“, beigemessen hat. Denn in jedem Fall kennt auch er diesen Gedanken, wenn auch nicht mit unserer Begründung; und vorliegend sagt er nun also klipp und klar, dass der Wille – von dem Descartes und wir der Meinung sind, der erstere irreal-hypothetisch, er verwirkliche sich erst voll und ganz in Gott, im Allerhöchsten, in dessen vollkommenem Wesen – dass also dieser Wille schon in „den vorhandenen Gestalten der Natur“ „erloschen“ sei „und darin aufgeh“e; er sagt, mit anderen Worten: dass sich das „dynamische“ „aus sich selber Seiende“, wie wir es nennen, zeitlich gesprochen: „lange“ vor seiner Selbst-Konstituierung als Gott, schon in Gestalt der Welt, schon an diesem Punkt seiner begründeterweise zeitlosen Entwicklung, erschöpft, verschleißt, verbraucht – dass es „erlischt“ und in dem und dem schon Vorhandenen, schon Geschehenen „aufgeht“, wie Schopenhauer sich ausdrückt.
      Wie aber sollte es sich erschöpfen, verschleißen, verbrauchen usw., da es nun einmal der Wille, das „aus sich selber Seiende“, ist, das folglich „sein Was und sein Wieviel bestimmt“, und da der Wille eben das auch bleibt – oder, ebenso folgerichtig: da der Wille sein Was und sein Wieviel auch dann als das bestimmen kann, „was so bleibt, wie es ist“, wenn er, ohne diese Bestimmung etwas anderes befürchten müsste, wozu er aber nicht einmal Grund hat, da der Wille Wille bleibt. Schopenhauer bleibt in diesem Fall nicht folgerichtig.
      Und das alles trotz der Aseität des Willens; die ihm, wie gesagt, bekannt ist; und die er gelegentlich sogar „Allmacht“ nennt, mit vollem Recht im Übrigen; aus der er aber dennoch nicht, wie man sollte, auf eine Selbstkonstituierung als höchstes und vollkommenes Wesen schließt – im Gegensatz zu Descartes, der genau das tut, wenn auch irreal-hypothetisch und verfehlterweise nur mit Wirkung für den Einzelwillen, nicht für den Willen der Gesamtheit. Hat Schopenhauer in diesem Falle Unrecht? Besteht ein Widerspruch zwischen der A-se-ität, dem „ens a se“, dem „aus sich Selber“ des Willens auf der einen Seite und seinem Verbrauch, seinem Verschleiß, seiner Erschöpfung, seinem „Erlöschen“, seinem „Aufgehen in“ irgendwelchen diesseitigen Erscheinungen auf der anderen Seite? Man sollte es wahrhaftig meinen! Aber sehen wir noch einmal hin! Und zwar auf die tiefste Eigenschaft des „aus sich Selber“, des „ens a se“: auf die Entbehrlichkeit der Voraussetzung für dieses „Seiende“: auf seine „Voraussetzungslosigkeit“, auf die wir nach der bisherigen „Verdeutlichung und Vertiefung“ kommen wollten.


2.) Zur Voraussetzungslosigkeit.

Es geht bei der Voraussetzungslosigkeit um das Ganze, und das bedeutet: um die Summe von Gott und der Welt – ein Wichtigtuer allerdings oder ein ewiger Möchtegern-Richter würde behaupten, wegen des Begriffes der „Summe von Gott und der Welt“ in heiligen Gefühlen verletzt zu sein! – Jedenfalls aber geht um das besagte Ganze. Und dieses Ganze nun ist ohne Voraussetzung, von der es sonst im einen oder anderen Sinne zehren oder existieren würde; dass beides nicht so ist, liegt im Begriff des „Ganzen“, weil es außer ihm nichts gibt.
      – Freunde, wir tasten den Gedanken im unmittelbar Folgenden noch weiter ab, obwohl wir das vielleicht nicht einmal nötig hätten; wer die entsprechenden Absätze für zu mühselig hält, kann sie dann ja überspringen. Aber um der Klarheit willen stellen wir gleich jetzt schon fest: Wir sind hier beim Urfels der Wahrheit; ganz genau beim Kern dessen, was wir Menschen sehr wohl erkennen könnten! Und nicht nur das: wir kommen um die Erkenntnis dieser Wahrheit nicht einmal herum, wenn wir sie erst einmal ins Auge gefasst haben und uns von impotentem oder modischem Geschwätz nicht ablenken lassen: Das, was wir soeben „das Ganze“ genannt haben, ist ohne Voraussetzung, weil es außer ihm nichts gibt. Oder gibt es kein Ganzes, weil sein Umfang vielleicht nicht konstant ist? Hier brauchen wir nur vor Begriffsverwirrung zu warnen. –
      – Außerdem wissen wir: sobald wir an dem festgestellten Ganzen auch nur irgendein Teilchen genauer und tiefer in Augenschein nehmen, erweist es sich als reine Energie; deren Auswechselbarkeit mit reinem „aus sich selber Seiendem“ wir auch vorhin wieder deutlich machten. Also zehren auch die Teile des Ganzen, in ihrer Substanz, nicht voneinander – als „aus sich Selber“! – und setzen sich, in ihrer Substanz, einseitig oder gegenseitig auch nicht voraus. –
      – Was aber ohne Voraussetzung und dabei reine Energie ist, wie das Ganze, von dem wir reden, das ist auch in dieser Hinsicht „aus sich selber“: und „dynamisch“, so haben wir den Willen ja definiert. Daraus ergibt sich der gesamte Rest; wir haben es immer wieder und von allen Seiten her beleuchtet (unter anderem vorhin unter Nr. II, vor der Einlage – und man verschone uns mit unbedeutenden Köpfen wie Leonard Nelson und seiner Besserwisserei angesichts uralt gegebener und nur noch nicht begrifflich registrierter innerer Tatsachen, wenn er auch auf das „aus sich Selber“ und überhaupt in die Nähe unserer Themen selbstverständlich gar nicht gekommen ist). Und genügt im Übrigen und im Wesentlichen nicht auch ohne Analyse und Beleuchtung der eine Gedanke: der Felsen; der der vorrangige Gedanke ist: der Urfels, das Ganze nämlich, außerhalb dessen es nichts gibt, das folglich ohne Voraussetzung ist und das erfahrungsgemäß, und dazu passend, reine Energie ist und so denn auch schon das „dynamische“ „aus sich Selber“ mit allem, was sich daraus ergibt? –
      Und um nun die genaue Beobachtung des Begriffes fortzusetzen – im selben Sinne voraussetzungslos, weil es Weltwesen außerhalb des Ganzen nicht gibt, ist zweitens auch jeder Teil des voraussetzungslosen Ganzen, für sich betrachtet. Warum? Weil, zumindest, wenn man seine Eigenschaft als bloßen Teiles mitberücksichtigt, auch er ganz „aus sich selber“ ist: Auch was nur als Teil „aus sich selbst“ ist, bestimmt – innerhalb der Grenzen seiner Stufe in der Seinshierarchie – „selber“ nicht nur sein Dass, sondern auch sein Was und kann infolgedessen, zum Beispiel auf Grund der Grenzen seiner Seinsstufe als Mensch, festlegen, dass er dieses oder jenes nicht braucht. Und wozu nicht braucht? Z.B. nicht dazu, diese oder jene beliebig große, vielleicht sogar absolute Vervollkommnung zu erreichen. Welches sind die besagten Grenzen? Es sind die Beschränkungen, die in seiner Seinsstufe liegen: zum Beispiel in seiner Seinsstufe als Mensch, und als dieser ganz bestimmte Mensch, an einer bestimmten Stelle zwischen dem Nichts und dem Allerhöchsten. Und wir sagen gleich jetzt dazu, erstens, dass diese Beschränkungen nicht die Möglichkeit einschränken, dass der Vollkommene, Allerhöchste von Ewigkeit her möglicherweise aus der völlig uneingeschränkten Gesamtheit des „aus sich Selber“, also auch der menschlichen Stufen, hervorgeht; und wir sagen zweitens gleich jetzt, dass auch die Fortdauer des menschlichen Willens und der menschlichen Einsichtsfähigkeit nach dem Tod, gleichgültig welcher Art diese Einsichtsfähigkeit ist, nicht von den besagten Beschränkungen betroffen ist.
      Es liegt nicht im Begriff des Menschen, dass seine Existenz als Wille mit Intellekt zeitlich begrenzt ist, sondern nur, dass sein Leben es ist (siehe anfangs unter Nr. III); zumal er ein verantwortliches Wesen ist! – während die Zeit, ohnehin und von allem anderen abgesehen, nur etwas über „Erscheinung“ oder „Vorstellung“, und nicht über das „Ding an sich“ besagt. Allerdings verwendeten wir als Begründung für unsere Fortdauer nach dem Tod – außer unserem „aus uns Selber“ – : auch die Erwägung, dass der Tod nur das Leben, sein Gegenstück, und nicht den Willen beendet, der das Leben trägt, und nicht vom Leben getragen wird, weil der Wille der weitere Begriff ist; aber auch das bedeutet Voraussetzungslosigkeit auf Grund des Willens und seines „aus sich Selber“, um die es letzten Endes geht.
      Soviel zur Gesamtheit des Seins.
      Oder ragt von außen etwas herein, was in irgendeinem Sinne die Rolle einer Voraussetzung spielen könnte? Nein! Denn wir wissen ja: Außerhalb des Ganzen ist nichts, von außen kommt nichts.
      Oder ist innerhalb des „dynamischen aus sich selber Seienden“ etwas, dem in dem einen oder anderen Sinne die Bedeutung einer Voraussetzung zukommen könnte? Wenn es uns so vorkäme oder so erschiene, so ist eines sicher: Was „aus sich selber“ ist – und zwar nicht nur unter anderem „aus sich selber“, davon ist ja nicht die Rede – das ist nun einmal in keinerlei Hinsicht „aus anderem“, hat also keine Voraussetzung. Was uns innerhalb des „aus sich Selber“ – es geht dabei nicht um Stellen im Raum – als ein solches „anderes“ unrichtigerweise erschiene, „aus“ dem das „aus sich Selber“ dennoch wäre oder zugleich auch wäre, könnte nichts anderes sein als entweder ein Teil des „aus sich Selber“, also ebenfalls nicht mehr als „aus sich selber“, überdies mit der Einschränkung auf seine Eigenschaft als Teil, und das Schicksal des „aus sich Selber“ sogar nur insofern teilend, ohne es zu modifizieren. Oder es wäre sogar vom „aus sich Selber“ nur gesetzt, ob nun als dessen Teil oder als sonst irgendetwas; sodass das „aus sich Selber“, schon aus diesem Grunde, ausschließlich von etwas abhinge, was seinerseits ganz von diesem selben „aus sich Selber“ abhängig wäre, mit der Folge, dass eben dieses „aus sich Selber“ doch wieder nur von sich abhinge, und nicht von irgendeiner echten, wirklichen Voraussetzung! Andernfalls wäre es ja auch nicht „aus sich selber“: es liegt in diesem Begriff von vornherein schon alles, was wir jetzt nur ein weiteres Mal, für manchen überflüssigerweise, durchlaufen haben – und auf diese Weise nur betrachten und verdeutlichen wollten.
      Das heißt, die allgemeine und grundlegende Lehre, die daraus gezogen werden muss, besagt: alles, was zunächst wie eine Voraussetzung aussehen könnte, ist vom „aus sich selber seienden Ganzen“ – so gut wie von sich selbst als „reiner Energie“, als „aus sich selber seiendem“ Teil dieses Ganzen, wie wir ebenfalls gesehen haben – selber gewollt und geschaffen oder sonst veranlasst, ist also in Wahrheit für dieses „aus sich Selber“ keine Voraussetzung.
      Und soweit nun also die Voraussetzungslosigkeit? Aber:
      „Wir sind von Pflanzen und Tieren als Nahrung abhängig, vom Globus als „Schemel für unsere Füße“, usw. usf.“? Mit einem Wort: wir sind abhängig, weil wir lebende Wesen sind? Aber wie kann man nur so vergesslich sein! Wir sprechen von der Fortdauer nach dem Tod! Und wir haben längst begründet, weshalb das Leben den Willen, und nicht der Wille das Leben zur Voraussetzung hat.
      „Wir sind von Gott abhängig, unserem Ziel“? dem Motiv unserer Existenz, dem Ziel der Gesamtheit des „aus sich Selber“? Wir sagten schon, Motivationen sehen, oberflächlich betrachtet, zwar wie Voraussetzungen aus, aber sie zählen nicht als solche: weil der Wille sie kraft seines „aus sich Selber“ freiwillig „selber“ zur Voraussetzung macht.
      Oder: gibt es mehrere „aus sich selber seiende“ Gruppen nebeneinander, von denen sich jede am Ende als vollkommenes Wesen setzt? Antwort: Keines dieser Wesen am Ende wäre vollkommen, jedem würde das fehlen, was die übrigen haben, wir sagten auch das in paralleler Bedeutung vorhin schon! Also würden sich die verschiedenen Gruppierungen nicht nur in einer einzigen wirklich vollkommenen Spitze vereinigen – dem „aus sich Selber“ ist ja alles möglich – . Sondern das „aus sich Selber“, das alle Augenblicke kraft seiner Allmacht auf Grund seines „aus sich Selber“ ohne Werden und Vergehen in der zeitlosen Ewigkeit zusammenfasst, spaltet sich gar nicht erst in die Vielheit mit der Mangelhaftigkeit jeder einzelnen ihrer Gruppierungen. Woraus im Übrigen, wie ebenfalls schon gesagt, der tiefere Sinn des Monotheismus hervorgeht
      – den das Christentum zur Ermöglichung gegenseitiger Liebe zwischen Gleichrangigen dann allerdings auch wieder lockert: im „Vater“, im „Sohn“ und im „Geist“, ohne Preisgabe von deren Einheit, zu der sie sich nämlich, oberhalb ihrer selbst, in der obersten Spitze der Seinspyramide letzten Endes doch wieder zusammenschließen. Und worin wir vielleicht das Tiefste über die Liebe vor uns haben. Aber soviel in unserem Zusammenhang; und auch nur als kurzer, unverbindlicher Exkurs.
      Und soviel zur Gesamtheit des „Seins aus sich selber“, und zur Frage irgendwelcher Voraussetzungen von außen oder von innen.
      Mit der Antwort: dass das „aus sich Selber“, weder in irgendwelchen Teilen noch als Ganzes und schon gar nicht als höchstes, vollkommenes Wesen irgendeiner Voraussetzung unterliegt.
      Und der Sinn der Sache?


3.) Zurück zur Verdeutlichung und Vertiefung.

Wir hatten die Frage gestellt: Besteht tatsächlich ein Widerspruch zwischen der A-se-ität, dem „ens a se“, dem auch von Schopenhauer gekannten, wenn auch nicht gebührend in den Mittelpunkt gestellten „aus sich Selber“ des Willens auf der einen Seite und dessen ebenfalls von Schopenhauer vermeintem Verbrauch, seinem Verschleiß, seiner Erschöpfung, seinem „Aufgehen in“, seinem „Erlöschen“ auf der anderen Seite, anstelle seiner Konstituierung als höchstes Wesen an der Spitze der Gesamtheit des „aus sich Selber“?
      Und die Antwort nach den bis jetzt durchlaufenen Gedanken? Das „aus sich Selber“ kennt keine Voraussetzung. Also auch keinen Verbrauch, keinen Verschleiß, kein „Erlöschen“! Wir können darüber nachdenken, soviel wir wollen: der Schluss ist immer derselbe.
      Schopenhauer, der geniale Mann, hatte in diesem Fall Unrecht, er wusste etwas von der Aseität, dem „aus sich Selber“ des Willens – vom Willen wusste er mehr als bis dahin jeder andere, und von der „Welt als Wille“ erst recht – er hatte nur das „aus sich Selber“ des Willens nicht wirklich durchdacht: dessen Voraussetzungslosigkeit und, daraus hervorgehend: dessen absolute, unendliche Macht, an der Spitze des „aus sich Selber“.
      Dagegen hatte der ebenfalls große Descartes, wenn er es vielleicht auch nicht im Einzelnen durchdacht hat oder es vielleicht nicht mit Bewusstsein kontrovers durchdacht hat, Recht mit dem Gedanken: Wer „aus sich selber“ und folglich ohne Voraussetzung ist, wer alles und jedes als sein eigenes Wesen immer von Neuem „aus sich heraus“ ersetzen und überhaupt von Anfang an aus sich heraus ins Dasein rufen kann, der verbraucht, verschleißt, erschöpft sich nicht in irgendetwas Unvollkommenem; er „erlischt“ nicht „in seinem Werk“, das im Übrigen er selber ist und zu dessen Gunsten er eben „aus sich selbst heraus“ unendlich und ohne Grenzen schöpfen kann und alles und jedes immer wieder erstmals und aufs Neue haben kann
      – in unserer Welt, die er im zeitlosen Augenblick der Ewigkeit durchläuft, weil er „aus sich selber“ und schon aus diesem Grund an keine Zeit gebunden ist: sondern kraft seines „aus sich Selber“ alle Einschränkungen wettmacht, die die Zeit uns auferlegt – er „geht“ nicht „in diesem Werke auf“, wie Schopenhauer meint, weil er „dieses Werk“: „sich selbst“, unendlich oft erneuern, ausdehnen und so denn auch bis zur Vollkommenheit bringen kann. Er hat keine Grenzen, weil außer ihm und den von ihm durchlaufenen Wesen: dem vorhin besprochenen Ganzen, niemand da ist, der ihm Grenzen setzt, und weil sein eigenes und die von ihm durchlaufenen Wesen bei seinem „aus sich Selber“ kein Grund für Grenzen sind. Sondern er schafft sich, als Ergebnis seines „aus sich Selber“, selbst „aus sich selber“, als vollkommenes Wesen, als Gott, so wie es nach Descartes´ irrtümlichem Gedanken ausschließlich der Einzelne täte, wenn er „aus sich selber“ wäre (siehe vorhin unter Nr. II), so wie es aber – um Descartes gerecht zu werden – die Gesamtheit des „aus sich Selber“ zustandebringen muss; und auch zustandebringt, da sie „aus sich selber ist“ – und das vollkommene „aus sich Selber“ insgesamt nur eines ist.
      Soviel nun also von Neuem zur Schlussfolgerung vom „dynamischen“ „aus sich Selber“ auf den Allerhöchsten, Allervollkommensten an der Spitze der Gesamtheit dieses „aus sich Selber“. Und zwar dieses Mal zur Entkräftung des Einwandes vom Verschleiß oder Verbrauch, von der Erschöpfung: dem „Erlöschen“ oder „Aufgehen“ des „aus sich Selber“ in den zufällig gerade jetzt oder später oder früher „vorhandenen Gestalten der Natur“ – und zwar, zeitlich betrachtet: „bevor“ es zur Konstituierung des Allerhöchsten, Allervollkommensten „durch ihn selber“, „aus ihm selber“ kommen konnte.
      Und soviel überhaupt zu dem, was dem Ursprung und dementsprechend an seiner Spitze dem Vollkommenen und dem Unendlichen angehört.


XII. Verdeutlichung und Vertiefung des Begriffes
des „aus sich Selber“
sowie der Schlussfolgerung von ihm
auf unsere Fortdauer nach dem Tod.
Auch hier: zur Voraussetzungslosigkeit.

1.) Zur Voraussetzungslosigkeit.


Für uns Menschen gilt, wie schon gesagt (siehe vorhin unter Nr. II): dass wir nur eine Zwischenstufe des Willens, des „aus sich Selber“ und seiner „Dynamik“ sind, auf dessen zeitlosem Weg, kraft seines „aus sich Selber“ im Augenblick der Ewigkeit, vom Nichts zu Gott, dem Allerhöchsten und Vollkommenen; ganz im Sinne der für uns kennzeichnenden Existenz: unserer Unvollkommenheit und Fehlerhaftigkeit, unserer Sehnsucht, unseres Versagens, unseres „ständigen Strebens und Werdens“ in „Erscheinungen“ und „Vorstellungen“; und ebenso – mit Kierkegaard zu reden – im Sinne unserer „Innerlichkeit“ und „Subjektivität“, die „die Wahrheit ist“.
      Soviel nur, um die Erinnerung zu wecken; wir wissen, es geht jetzt um uns Menschen und um das, was uns kraft unserer Innerlichkeit, unseres „aus uns Selber“, unserer Voraussetzungslosigkeit, nach dem Ende unseres jetzigen Daseins erwartet: ich meine dieses Mal nicht Unseligkeit oder Seligkeit, sondern unsere Fortdauer überhaupt und unsere Weiterexistenz. Aber es geht gerade für uns als Zwischenwesen in unserer Welt auch um die Schicht der „Erscheinungen“ oder „Vorstellungen“, ganz anders als vorhin bei unseren Schlüssen vom „aus sich Selber“ auf den Allerhöchsten und Vollkommenen, bei denen die empirische Schicht mit ihrer Besonderheit nicht im Vordergrund gestanden hat.
      Und wie ist es nun bei alledem mit unserem „aus uns Selber“, mit unserer Freiheit, die nichts voraussetzt? Keine Sorge, sie besteht auch hier bei uns! Ihr schüttelt den Kopf? „Das geht denn doch zu weit“? Sagen wir es deshalb so: sie besteht auch bei uns in jeder wesentlichen Hinsicht! Das heißt:
      Wir finden Voraussetzungslosigkeit und Freiheit aa) zwar nicht bei den zahllosen Zusammensetzungen und -fügungen als solchen, genannt kausale Reihen und Kausalität, die der anorganische Bereich – um ihn zuerst zu nennen – für sich allein oder auch als Anfangskomponente dessen, was wir „Leben“ nennen, immer von Neuem, im Grunde immer auf die gleiche Weise, schafft und wieder auflöst; hier gibt es wahrhaftig Voraussetzungen genug! Dieselbe Voraussetzungslosigkeit, wenn man ausreichend abstrahiert, besteht bb) auch nicht im oberen und eigentlichen Bereiche dessen, was wir „Leben“ nennen: in der ständigen Zellfortpflanzung zur Erhaltung des Einzelnen und der ständigen Fortpflanzung der Einzelwesen zur Erhaltung der Spezies; in einem gewissen abstrahierenden Sinne geht es auch hier nur immer wieder um dieselben Auflösungen und Zusammensetzungen, auf Grund derselben Art von Voraussetzungen wie im ersteren Fall, zu aa). Es handelt sich in beiden Bereichen um Kausalität, um Ursachen oder besser: um das, was wir „Voraussetzungen“ nennen, um die Komponenten der Kausalität oder Ursächlichkeit – gleichgültig, ob sich alle Voraussetzungen oder nur ein Teil von ihnen mit anderen Voraussetzungen zu einer Kausalität zusammenfügen.
      Und soviel nun also zu der Schicht – der „Erscheinung“ oder „Vorstellung“ – in der Raum, Zeit, Kausalität und Voraussetzungen herrschen und die demnach gerade alles andere als ohne Voraussetzungen ist.


2.) Zur Verdeutlichung und Vertiefung.


Allerdings, wir wissen ebenso gut, erstens: die Kausalität ist nur „Erscheinung“, nur unsere „Vorstellung“; die nicht das „Ding an sich“ betrifft (siehe unter „Ein weiteres Mal: Schlussfolgerungen zur Willensfreiheit“ ziemlich am Ende des Kapitels „Zu den Naturgesetzen, die wir selber machen“; oder im Triptychon: das drittletzte Kapitel unter „Determiniert? Durch was denn?“; siehe außerdem die beiden „Antworten an einen Freund und Kritiker“). Vor allem aber wissen wir zweitens: es ist unbestritten und unbestreitbar, dass Ursachen und Voraussetzungen keine Substanzen, sondern nur Akzidenzien: Eigenschaften, Zustände oder Ähnliches verursachen, schaffen und vernichten, oder für sie die Voraussetzung sind; mit anderen Worten: Ursachen und erst recht Voraussetzungen sind keine „Schöpfer aus dem Nichts“. Kein Schöpfer-Gott, oder besser: kein Töpfer-Gott in der Natur! Was unter anderem in sich schließt, dass schon empirische Substanzen und so erst recht die „Dinge an sich“ von Ursachen, Kausalität und jeglichen Voraussetzungen undeterminiert und frei sind.
      Und nun zu den Konsequenzen; z.B. zu dem primitiven Spruch: „Mit dem Tod ist alles aus“; oder besser – damit wir darüber reden können – nun zu der Behauptung: „Wir werden durch den Tod zu Nichts.“ Denn dass nach unserem Tod die Elemente, die uns dienten, anderen Wesen dienen, bedeutet ja wohl nicht, dass wir nur umgewandelt werden oder sogar weiterexistieren. Also: „durch den Tod zu Nichts“? Genauer: durch einen empirischen Grund, eine Ursache in der empirischen Schicht, worüber wir ja gerade sprachen: eine Kugel, einen Messerstich, eine Unordnung im Organismus, kurz: durch eine Todesursache werden wir zu Nichts? Wohl kaum; denn selbstverständlich muss auch hier die angeführte allgemein bekannte und unbestrittene Regel gelten, dass Ursachen Substanzen nicht nur nicht schaffen – die als „Dinge an sich“, „aus sich selber“ sind! – sondern dass sie sie, entsprechend, auch nicht vernichten, nicht einmal Substanzen in der empirischen Schicht: der „Vorstellung“ oder „Erscheinung“, also erst recht nicht das Eigentliche, das Wesen eines Menschen, sein Inneres und dessen Kern: seinen Willen – das, was man auch das „Herz“ nennt – und mit ihm die Wurzel alles dessen, was er denkt und tut, das, was an uns das „Ding an sich“ ist und was ein ganzes Menschenleben lang als „Ding an sich“, mächtiger und intensiver als alles andere, wirkt und existiert. Alles das also wird durch Ursachen, und so denn auch durch „Todesursachen“, Voraussetzungen, empirische Größen innerhalb der Schicht der „Erscheinung“ oder „Vorstellung“, nicht berührt.
      Es vereinigen sich hier zu demselben Ergebnis die beiden Sätze, erstens dass das „aus sich Selber“ unseres Willens, also unseres Wesens, u.a. unsere Fortdauer nach dem Tod begründet, indem dieser Wille, weil „aus sich selber“, nach dem Tod erhalten bleibt; worin schon immer eines unserer beiden Grundargumente zugunsten der Fortdauer bestand. Und zweitens führt zu demselben Ergebnis nun also der bekannte oder jedenfalls erkennbare Satz, dass Ursachen und Voraussetzungen und so denn auch Todesursachen – das Letztere hatte man noch nicht bedacht – Substanzen und erst recht „Dinge an sich“, die ja „aus sich selber“ sind, weder vernichten noch wesentlich vermindern. Zufall? dieses Hinzutreten des zweiten Grundes? Nein! Zuerst war das „aus sich Selber“, das empirisch nicht ganz erfassbar ist: die Freiheit in der Zeitlosigkeit, der Wille als „Ding an sich“, u.a. als Begründung für die Fortdauer nach dem Tod. Und zu deren Gunsten nun die Beschränkung für die Wirksamkeit von Voraussetzungen und Ursachen, auch von Todesursachen, von denen die ersteren bedingt determinierend wirken, die beiden letzteren unbedingt determinierend; „die Beschränkung für die Wirksamkeit“ worauf? auf die zeitliche und kausale Schicht der „Erscheinungen“, der „Vorstellungen“, und hier auf die Akzidenzien: die Eigenschaften, die Zustände und Ähnliches. Sodass also nur sie von Voraussetzungen und Ursachen bestimmt werden, während erstens Substanz und Wille auch in der empirischen Schicht noch undeterminiert und „aus sich selber“ sind sowie zweitens auch von Todesursachen unberührt bleiben – und drittens als „aus sich Selber“ auch die Fortdauer nach dem Tod begründen.
      Soviel zur Vertiefung und Verdeutlichung des „aus sich Selber“ in seiner Eigenschaft als Begründung für die Fortdauer, das „Leben“, nach dem Tod; zur Vertiefung und Verdeutlichung durch den Gedanken, dass Ursachen, auch Todesursachen, und andere Voraussetzungen Substanzen und erst recht das „aus sich Selber“ weder schaffen noch vernichten –
      obwohl bisher kein Mensch auch nur mit einem Wort von dem Zusammenhang der Gedanken oder von der Eigenschaft des letzteren Satzes als Begründung für die Fortdauer nach dem Tod gesprochen hat.
      – Allerdings, dichterisch und so denn ohne Begründung wurde die Verbindung längst erfasst, schon vor Jahrhunderten, von Johannes Ewald, einem dänischen Soldaten, dem das Leben hart mitgespielt hat, der aber eben mehr Geist hatte als mancher, der auf seine paar dürftigen Universitäts-Ideen stolz ist; man versteht die dänischen Dichterworte schon fast:


                            Kan havets bölger slaette ud?
                            Kan gift fortaere praeg af Gud?
                            Kan dolken draebe tanker?

                      Können die Wogen des Meeres verwischen,
                      Kann Gift zerfressen, was Gott geprägt hat.
                      Kann ein Dolch Gedanken töten?


      – also Meer, Gift und Dolch als empirische Todes-Ursachen, die die Substanz des Menschen nicht betreffen. Sowie, intellektualistisch verzerrt, wie aber seit jeher üblich: „Gedanken“, die in Wirklichkeit den Kern des Menschen, nämlich seinen Willen, bedeuten. Soweit der Dichter.


3.) Abschluss. Zurück zur Voraussetzungslosigkeit.



Dagegen geht es uns um begriffliche Klärung.
      Und zwar dieses Mal, hier am Ende unserer Bemühungen, auf der Grundlage unserer menschlichen Voraussetzungslosigkeit, unseres menschlichen „aus uns Selber“: auf dem Weg zum Vollkommenen und Allerhöchsten, mit der von diesem „aus sich Selber“ kraft eben dieses „aus sich Selber“ zugleich geschaffenen Zeitlosigkeit des Weges im „ewigen Augenblick“, im „Augenblick der Ewigkeit“. Es galt für unsere Voraussetzungslosigkeit – innerhalb unserer Seinsstufe als Menschen! – dasselbe, was vom vollkommenen und allerhöchsten „aus sich Selber“, auch für dessen Selbstsetzung aus dem einen und umfassenden „aus sich Selber“, gilt; nämlich, dass wir als „aus uns selber“ schon gemäß dieser unserer Natur keine Voraussetzungen haben, keine Voraussetzungen nötig haben, mit der Folge absoluter Verfügungskraft und Allmacht über uns selbst, über unser Sein und dessen ewige Dauer, die in dieser Voraussetzungslosigkeit mit beschlossen sind (siehe vorhin Nr. XI als Ganzes, vor allem den 8. Absatz); es galt, dass folglich auch wir, innerhalb unserer Seinsstufe, mit Wirkung für unsere Seinsstufe!, keinem Verbrauch, keinem Verschleiß und keiner Erschöpfung unterliegen, ebenso wenig wie einem „Erlöschen“ oder „Aufgehen in“ diesem oder jenem Zustand, in dieser oder jener Verfassung, wenn der Zustand oder die Verfassung nicht gerade das Ziel unseres eigenen Wesens ist – sodass wir in eben diesem „aus sich Selber“ endlich die Quelle nicht nur unserer Seinsstufe, sondern auch unserer Fortdauer und Ewigkeit haben.
      Und es ging zur Verdeutlichung und Vertiefung zugleich um die Einsicht, dass auch der allgemein anerkannte Satz, wonach Ursachen und andere Voraussetzungen nur Eigenschaften, Zustände und sonstige Akzidenzien, im Übrigen aber weder das „Ding an sich“ noch auch nur die empirische Substanz eines Weltwesens begründen oder vernichten; dass also auch dieser Satz unmittelbar und offensichtlich zur Einsicht in die Fortdauer unserer Substanz nach dem Tode führt.
      Soviel zur Schlussfolgerung vom „dynamischen“ „aus sich Selber“ sowohl auf die Existenz Gottes wie auch auf unsere Fortdauer nach dem Tod; soviel ferner (unter den letzten drei Nummern, X – XII) zur kritischen Beleuchtung dieser Zusammenhänge an Hand der Beschränkung unserer Erkenntnis auf die „Erfahrung“, im Geiste Kants und Schopenhauers; und soviel endlich, mit Hilfe der Voraussetzungslosigkeit des „aus sich Selber“, zur Aufhebung von Schopenhauers Beschränkung des „aus sich Selber“ auf die „vorhandenen Gestalten der Natur“.


XIII. Einstein – ein Zauberwort?


Also Kant und Schopenhauer als Kritik, der Rechnung getragen werden musste? Schon! Denn selbstverständlich haben wir nichts als die Erfahrung, wenn es um Erkenntnis geht; über die Erfahrung hinaus gibt es keine Erkenntnis, die Erfahrung ist die Erkenntnis. Es ist wahr, wir haben auch noch Begriffe; aber sie liefern nur die Form; den Stoff der Erkenntnis liefert ausschließlich die Erfahrung, insofern sind Erfahrung und Erkenntnis identisch. Also: Erfahrung als unerlässliche Rechtfertigung eines Gedankens, und das als grundlegendes Prinzip Kantischer Kritik!
      Allerdings will ich mich nicht darüber streiten, ob wir die Kantischen Bedingungen der Erkenntnis etwa unwesentlich erweitert haben; jedenfalls haben wir außer der äußeren Erfahrung auch die innere Erfahrung berücksichtigt; also großenteils den Bereich des Willens, den wir ebenfalls als Gegenstand der Erfahrung behandelt haben; es ging wohl kaum anders. Schopenhauer war es, der den Bereich des Willens überhaupt erst in seine vollen Rechte eingesetzt hat! Er hat auch schon die Innerlichkeit des Willens ins Auge gefasst; zwar nicht hauptsächlich und unmittelbar in Gestalt des „Seins aus sich selber“, der A-se-ität, aber doch in Gestalt der dazu passenden Konsequenzen; mit derselben Freiheit des Willens, die wir sodann umso mehr als „aus sich Selber“ herausgearbeitet haben. Die Konsequenz war bei Schopenhauer ein betonter und ausdrücklicher Atheismus – wir haben es an mehreren Stellen ausführlich behandelt – . Aber dem entsprach andererseits denn auch, dass er bei der willkürlichen begrifflichen Voraussetzung bleiben musste, wonach ein Gott im Sinne des höchsten und vollkommenen Wesens über diese Vollkommenheit hinaus unbedingt auch noch ein wirkursächlicher Schöpfer von Welt und Menschen sein musste.
      Wir haben diesen der Wirklichkeit und der Ratio fremden, widersprüchlichen und qualvollen Aberglauben aufgegeben; Kant war der erste, der stutzte, soviel ich weiß („Kritik der praktischen Vernunft“, „Kritische Beleuchtung ... “, 14. Absatz, ziemlich am Anfang); aber er zog sich fast schon im selben Augenblick die alte Haube dennoch ganz brav wieder über. Erst Kierkegaard begann (siehe den zweiten Vortrag im Triptychon), den neuen Weg einigermaßen zu betreten; wich dann aber genauso wieder zurück.
      Und wir? Haben zunächst das „aus sich Selber“ des Willens zur Gänze herausgearbeitet und vor allem zwei der wichtigsten Konsequenzen dieses wichtigsten abendländischen Grundbegriffes gezeigt und deutlich gemacht, nämlich erstens die Existenz des Allerhöchsten und zweitens unsere Fortdauer nach dem Tod.
      Und die Neuigkeit selbst und als solche der „inneren Erfahrung“, aus der alle diese Dinge hervorgingen? Sie war nur eine unmittelbare Konsequenz aus Schopenhauers Entdeckung der „Welt als Wille“ – wenn sich dann auch die Konsequenzen für einen Aspekt von erstrangiger Wichtigkeit in geradezu atemberaubender Weise von Schopenhauers Konsequenzen entfernt haben.
      Das wär´s? Kant, Kierkegaard und Schopenhauer? In einem gewissen Sinne ja, wir sprachen allerdings auch von Descartes – um nur noch diesen einen zu nennen von denen, die dazugehören.
      Aber man komme nur nicht mit Hegel und seinen Thesen, die sich nicht unmittelbar mit der Wirklichkeit befassen, sondern nur mit spießig pseudogebildeten Abstraktionen von Thesen anderer. Man kann sich denken, was beim Jonglieren mit solchen Stoffen herauskommt. Nämlich? Nichts Geringeres als der „Weltgeist“! Oswald Spengler wird von seinem guten Geist verlassen, den er weitgehend hat, und spricht von dem „gewaltigen Hegel“; nun, der „Weltgeist“ muss ja wohl auch „gewaltig“ sein.
      Außerdem aber ist da nun im Schoß einer gewissen Sekte auch noch der in der hellen, strahlenden Farbigkeit und auf dem Glanzpapier des Zeitgeistes mit seiner ganzen Hypermodernität brillierende und strahlende Einstein! Durch den sich ungeheuer vieles, ja eigentlich alles – man kann nur nicht genau sagen, was! – geändert haben soll, soweit die Leute, die ihn etwa noch pflichtgemäß würdigen, Lust haben, sich wirklich mit ihm zu befassen.
      Hat er etwas so Frappierendes wie auch nur Kants „Erfahrung“ als einzigen Stoff der Erkenntnis, vom ewig-realistischen Glanz der „Transzendentalen Ästhetik“ und ähnlich überzeugender, blitzgescheiter Genialitäten ganz zu schweigen? Nein! Oder hat er etwas so Einfaches und Wesentliches wie die Selbststeigerung des „aus sich Selber“ zu einem vollkommenen Wesen? Oder sonst irgendetwas Greifbares oder Begreifbares? Nein!
      Frappierend und plausibel ist bei ihm gar nichts! Es ist nur alles und jedes „unerhört“ neu – und kurz; nicht, weil mit der Kürze schon alles gesagt wäre, das gibt es ja auch; sondern weil Einstein nicht mehr sagen will, warum will er das wohl nicht? Methodischer Weise breche ich jetzt nicht in die Worte aus, dass der „vierdimensionale Raum“ Unsinn ist; ich sage nur: er ist nicht plausibel; der Raum ist als „dreidimenional“ definiert: Und eine allgemein anerkannte Definition ist eine zugrundeliegende gesellschaftliche Übereinkunft; sie ist nicht Stoff der Debatte, sondern ihre Voraussetzung!
      Natürlich kann man Begriffe metaphorisch erweitern, ohne dass die Berechtigung dafür sofort zu Tage liegt. Aber dann, nur flankiert von Begründungen gemäß sokratischer Methode, das heißt: jeder Begriff wird aufgelöst in eine allgemein verständliche Alltagssprache; keine Geheim-, Cliquen- oder Fachsprache als letzte Zuflucht! Gerade solche Zuflüchte liebt man ja umso heißer und inniger, je weiter man heruntergekommen ist! Und dann, bei mathematischen Begriffen: Metaphern allenfalls in den seltensten Fällen, wenn überhaupt! Dasselbe gilt z.B. für den „gekrümmten Raum“. Darüber hinaus ist ein Raum als solcher, spezifisch betrachtet, weder „krumm“ noch „gerade“, er ist nur „ausgedehnt“.
      „Picasso“, mit verdrehten Gliedmaßen, das sage ich vorläufig.
      Und endgültig? warte ich geduldig und gespannt auf Erklärungen und Beweise zugunsten Einsteins, vor allem auf Beweise in Gestalt praktischer Ergebnisse und Anwendbarkeiten; und nicht nur in Gestalt von Versicherungen, die sich auf die Einleitungen zu Doktorarbeiten beschränken. Und zwar bitte, wie gesagt: Erklärungen und Beweise nach der Methode der sokratischen Dialoge, mutatis mutandis so wie Platon sie geschrieben hat; einigen Menschen gegenüber würde ich die Formulierung wagen: „In demselben Geist“.
      Alles das ist weder Tyrannei noch Willkür, sokratischer Denkstil ist ein allgemein menschliches Erfordernis, eine Grundvoraussetzung für jeden ehrlichen Denker – „Klarheit ist die Ehrlichkeit der Philosophen“ „La clarté est la bonne foi des philosophes“, oder fast so (Vauvenargues, glaube ich) – für solche Leute wie Einstein sind die antiken Griechen die einzig denkbaren Erzieher. Würden sie Erfolg haben? Ganz unter uns gesagt: Bei Einstein und bei seinen Jüngern, nein!
      Einstein hat (sinngemäß) gesagt: „sein Gefühl für Reinlichkeit halte ihn davon ab, mit dem deutschen öffentlichen“ oder auch: „wissenschaftlichen Leben etwas zu tun zu haben.“ Hätte sich dieses löbliche Prinzip doch nur durchgesetzt! Stattdessen beschmutzt man nun Einsteins hehren und reinen Namen sogar mit deutschen Straßen – den Namen des Mannes, der unsere Hauptstadt atomar vernichten wollte und der dieserhalb dem US-Präsidenten in den Ohren lag! Ich glaube, wir sind nicht ganz gescheit! Glücklicherweise war Einstein nicht fähig, die Bombe zu bauen.
      Andererseits bleibe ich wissenschaftlich und sage: „Beweist, was ihr behauptet. Ich bin ganz Ohr.“
      Bis dahin denn, ihr Einstein-Sektierer!


XIV. Begriffliche, religiöse und politisch-historische
Schlussbetrachtung.



Doch zurück zum Willen, zum „Dynamischen“ und zum „aus sich Selber“! Und zu den beiden Schlüssen vom „dynamischen“ „aus sich Selber“ auf den Allerhöchsten und auf die Existenz nach unserem Tod! Wir zogen (unter X bis XII) die Kantische Beschränkung unserer Erkenntnis auf die „Erfahrung“ mit in Betracht; wir widerlegten Schopenhauers Beschränkung auf die „vorhandenen Gestalten der Natur“ mit Hilfe des „aus sich Selber“, das von Voraussetzungen frei ist,
      und wir kamen, ohne noch weiter gehende Analyse und Beleuchtung uralt gegebener Begriffe zur Grundlage von allem: zu dem einen Gedanken: dem Felsen, der zugleich der erste Gedanke, der unverrückbare Urfelsen ist: zum Ganzen, außerhalb dessen es nichts gibt, das folglich ohne Voraussetzung ist und das laut Erfahrung reine Energie und bei dem allen denn auch das „dynamische aus sich Selber“ ist mit dem, was sich daraus ergibt.


a


Und was ging vorher? Außer dem „aus sich Selber“, erweitert durch neue Gedanken? Die nochmalige geistige Durchfurchung des ganz bestimmt im Christentum, letzten Endes ebenso sicher aber auch im Judentum und im Islam unehrlich mitgeschleppten, begrifflich widersprüchlichen Gedankens einer wirkursächlichen Schöpfung von Menschen mit freiem Willen, laut Moses I, sowie: das traurige Arm-in-Arm der dadurch implizierten Determiniertheit unseres Willens mit der Idee des Alten Testamentes von einem Tod, durch den wir Menschen „zu Nichts zerfallen“!
      Die christliche Kirche war unehrlich genug, das erstere Problem, den zu Tage liegenden begrifflichen Widerspruch zwischen der behaupteten Schöpfung durch Wirkursache und unserem zugleich behaupteten freien Willen, bis vor wenigen Jahrzehnten zu verdecken oder zu überspielen; man gab schon mal eine „Schwierigkeit“ zu, wie man es nannte, aber von einem begrifflichen Widerspruch sagte man kein Wort; denn dann hätte man die salbungsvolle Behauptung, von der wirkursächlichen Schöpfung eines Menschen mit freiem Willen, augenblicklich unterlassen müssen, ohne die Möglichkeit, andere erst einmal mit Geschwafel hinzuhalten, und ohne die Hoffnung, danach das Geschwafel endlos fortsetzen zu können.
      Aber damit nicht genug: der Vatikan war so niederträchtig, das Problem und die richtige Antwort darauf auch in den letzten Jahrzehnten noch feige und voller Hochmut verschweigen zu lassen, ich sagte: „zu lassen“! und ich sagte: „voller Hochmut“! Beides im Übrigen „eine Sünde gegen den Geist“, ich komme gleich darauf, auf die Sünde, von der der Nazarener sagte, alles werde vergeben, nur sie nicht. Und alles das der atheistischen Hochfinanz und dem eigenen Priesterhochmut zuliebe, man dachte: „Warum er, warum nicht wir!“ Man kann es nicht genug verachten!
      Was nun die „Sünde gegen den Geist“ betrifft (Matth. 12, 31-32): wir alle, gerade wir Modernen, begreifen sie am allerbesten – sogar typischerweise! Denn was ist gemeint? Die extreme Unehrlichkeit und Ungeradheit, die gerade wir so sehr zu verachten vorgeben. Der „moderne Mensch“ ist unehrlich und heuchlerisch genug, vielleicht sogar mehr als alle anderen Generationen, die wir kennen! Aber in seinem Sittenkodex, den er der Welt selbstgerecht vorhält, steht genau das Gegenteil: er ist von „schonungsloser Offenheit“, er ist „wenigstens ehrlich“ usw. usf. Die „Sünde gegen den Geist“? Der moderne Mensch hat den Gegensatz als Tugend für sein Selbstlob und sein Eigenlob, er liebt die „ungeschminkte“ Wahrheit, wie er marktschreierisch behauptet – wenn er auch sonst „nicht so moralisch“ ist. Allerdings, gerade er moralisiert besonders viel, aber immer nur todschick, sodass der Unerfahrene das Pfäffische und Hinterhältige an der Sache nicht bemerkt; auch das gehört zur „Sünde gegen den Geist“. Man komme uns nicht mit dem geistlosen Vorwurf „veralteter Begriffe“!
      Und nun die Anwendung auf die Kirche! Auf diese fürchterliche Unehrlichkeit des kaschierten begrifflichen Widerspruches: der Mensch, von Gott gemacht, also doch wohl auch von ihm festgelegt, und dennoch mit freiem Willen, trotz „Agere sequitur esse“ „Das Verhalten ergibt sich aus dem Sein (für den, der es noch nicht durchdacht hat, erinnere ich hier an Nr. VII, im zweitletzten Absatz, zusammen mit dem Hinweis auf „Ein weiteres Mal: Schlussfolgerungen zur Willensfreiheit“, Kapitel: „Keine Determination durch andere. Zur Bedeutung Gottes.“ Beides hier auf der Netzseite). Zwei Jahrtausende lang diese Unehrlichkeit kosmischer Ausmaße – abgesehen von anderen Irrtümern!


b


Selbst wenn ich nicht nur philosophisch, sondern – als Kierkegaard-Interpret! – hier und da einmal auch theologisch etwas Neues geäußert habe: „Es geht doch um die Sache!“ Aber gerade das ist ein ganz großer Irrtum! Es geht um die Person, jedes einzelnen eifersüchtigen Geistlichen: „Die Welt ist klein“ – ein Wort mit doppelter Bedeutung!
      Der Nazarener hat das Entscheidende vorausgesehen. Lukas, 13. Kap., 26. und 27. Vers, redet er noch von dem größtenteils erst bevorstehenden Versagen seines eigenen, des ursprünglich auserwählten Volkes. Aber Matthäus, 7. Kap., 22. und 23. Vers, bringt er zum Ausdruck, dass er offensichtlich auch noch ganz andere Personenkreise meint; er sagt: Nicht jeder, der zu mir sagt Herr, Herr, wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist. Bis hierher kann man noch meinen, es sei von bloßen Frömmlern die Rede; aber es folgen die Worte: Viele werden an jenem Tag am Jüngsten Tag zu mir sagen: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen prophetisch geredet, haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben, und haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder gewirkt? Dann werde ich ihnen ganz offen sagen: Nie habe ich euch gekannt; geht von mir, ihr Übeltäter. Und hier ist klar: es ist, in der Sprache der damaligen Zeit, von christlichen Priestern, weil vom „Namen“ Christi, von erstrangigen Amtsausübungen und von der Zeit bis zum Jüngsten Tag, die Rede; der Nazarener konnte noch nicht von Messelesen, Beichtehören und Ähnlichem sprechen, niemand hätte ihn dann zur damaligen Zeit verstanden. Der Sinn der Stelle ist also mehr als klar, unter anderem: kein automatischer Vorrang der Geistlichen! Mit anderen Worten: Priesterhochmut wird auf das Schärfste verurteilt!
      Gäbe es nicht bestimmte Leute an der Basis der Kirche, gäbe es nicht die wirklich großen Heiligen und die Notwendigkeit einer Kirche, wenn der Glaube erhalten bleiben soll, und gäbe es nicht die historische Erfahrung, dass die Gründung einer neuen Kirche zu nichts führt, sodass die alte die eine und endgültige bleiben muss – das alles zusammengefasst und erhöht im Gedanken von der Kirche als „mystischem Leib Christi“ – gäbe es das alles nicht: es gäbe keinen Grund zu bleiben!
      „Dialog“? Unehrlicher ist kein Modebegriff! In Wirklichkeit arbeitet man genau mit dem Gegenteil, dem Verschweigen! Herrn Ratzinger z.B. fällt nichts Besseres ein, u.a. zusammen mit dem Bischof oder Kardinal Schönborn von Wien, als vom „Dialog zwischen den Kulturen“ zu schwafeln.
      In Wahrheit ist es doch so: Der Begriff „Dialog“ bedeutet nicht unmittelbar die Wahrheitssuche; diese Unmittelbarkeit hat nur der Begriff der „Wahrheitssuche“ selbst, und um sie geht es ja wohl beim Dialog; die Wahrheitssuche aber betreibt man mit Feststellungen von Tatsachen und mit Schlussfolgerungen. Bei rein theologischen, nicht philosophischen Feststellungen legt man den Glauben zugrunde; bei ihm fängt man mit der Urteilskraft an: Die „Welt taugt nicht. Christus ist wie ein Verbrecher hingerichtet worden. Deshalb ist er der Glaubwürdigste“ usw. und fährt dann auch bei den theologischen Fragen möglichst mit Tatsachenfeststellungen und Schlussfolgerungen fort. Auf dem allen mag dann der „Dialog“ aufbauen, er kommt dann schon von selbst; baut er nicht darauf auf, so bleibt einem bei der Empfehlung des Dialoges, wie gesagt, nur noch Geschwafel, sinngemäß etwa so: „Man muss natürlich selbst einen festen Standpunkt vertreten, allerdings muss man auch wirklich auf den Standpunkt des anderen eingehen“ usw. usf.
      Das ist der Zustand, in dem wir uns befinden, ganz genau! Es wird immer widersinniger, abgegriffener und verlogener! Man quatscht einfach das abstrakte Substantiv „Dialog“ vor sich her. Im jetzigen politischen und geistigen System geht es um ganz andere Dinge als um das, was man mit „Dialog“ zu meinen vorgibt. Freunde, das ist ja der Grund, weshalb das System über seine Lakaien den Modebegriff in die Welt gesetzt hat und ihn nun bis zum Erbrechen wiederholen lässt. Bestenfalls will man den geistigen Inhalten früherer Zeiten mit dem schwankenden Hin und Her eines kontroversen Gespräches ein Scheinleben verschaffen. Alles natürlich nur mit dem Terminus „Dialog“, der gehobener, anspruchsvoller und literarisch-philosophischer klingt als „Gespräch“; ihr wisst doch: Wir sind beim billigen August; und: „Die Welt ist klein“: nämlich unrealistisch, unehrlich, geltungsbedürftig, auf Äußerlichkeiten bedacht, ohne höheren Impuls – aber so glaubt man wenigstens einen Aufschub zu bekommen, an mehr glaubt sowieso niemand von denen, die jetzt das große Wort führen. Man schiebt die Probleme vor sich her; man hat nicht im Entferntesten die Größe, auch nur eines zu lösen; dazu ist man zu krumm und zu schief.


c


Wir sprachen vom Alten Testament: einer Welt ohne Fortdauer nach dem Tod, ihre längste Zeit hindurch; und mit determiniertem Willen, einer contradictio in adiecto, einem Widerspruch im Adjektiv. Die Determination wurde Israel vermutlich nicht bewusst; jedenfalls nicht so, wie es bei uns ist; aber das schließt ihre geistige Wirkung nicht aus, gerade nicht! Desto größer ist die Hilflosigkeit ihr gegenüber! Und das Alte Testament überhaupt und als Ganzes? Es ist eine wunderbare Welt, von einigem abgesehen, was zeitbedingt war. Ich denke noch an die Seligkeit, die wir empfanden, wenn meine Mutter uns Kindern aus dem Alten Testament vorlas; diese altjüdische Literatur spricht tiefe und zutiefst glückliche menschliche Bereiche an: Josef und seine Brüder, Tobias, David und Jonathan – und hat, atemberaubenderweise, zugleich Verbindung zu Gott. Ich persönlich erlebe viele Stellen in den Psalmen als geistige Heimat.


d


Schließlich aber zu uns selbst! Zu uns Abendländern, einer Rasse, genauer: einer Rassenmischung, mit ganz bestimmten Stärken, die Appelle zur Selbsterhaltung braucht! Oder ist es Rassismus, wenn man einer Rasse, wie der deutschen insbesondere, die gehasst wird, die sterben soll, die vernichtet werden soll, wenn man ihr wieder zum Leben winkt, sie zum Leben zurückwinkt? Auch um der Erhaltung der übrigen Menschheit willen! Die Schwarzen eingeschlossen, unsere Brüder! „Black is beautiful“, wir sind ja nicht „farbenblind“. Ist einer da, der meint, sie könnten ohne uns Abendländer überleben? Die Völkermörder glauben es nicht! Und wollen es auch nicht! Sie reden nur anders. Oder ist es politisch inkorrekt, Völker- und Rassenmördern zu widerstehen, wenn sie von den USA herkommen?
      Aber „Rasse“? Ja, besser, man spricht von Rasse als, man begeht ein Genozid – wie es jetzt die Mächtigen der USA mit uns Deutschen versuchen. Ihr werdet staunen: das Genozid ist das Verbrechen, nicht der Widerstand dagegen. Fassungslos? Konsterniert über eine solche Moral? Ich glaub´s! Völkermord ist „politisch korrekt!“ Und schlimmer noch: Widerstand gegen den Völkermord ist politisch inkorrekt; es ist höchste Zeit, dass man die Hintermänner entmachtet! Sonst lernen es auch die Massen nicht wirklich und nicht genug: Das „moralische Gesetz in uns“ und das Herz des Allerhöchsten brauchen die Entmachtung der Hintermänner.
      Seit Kennedy ist man „farbenblind“: und völkermörderisch war man ja schon immer, wie sollte man da Kennedy nicht missverstehen! Zuerst wollte man das Land der Indianer, dann der Hawaianer; früher einmal gab es diese beiden Rassen, ganz bestimmte Mischungen von eigener Art und mit eigenem Daseinsrecht. Jetzt will man die Beseitigung des deutschen Volkes, man betrachtet es als Konkurrenten im Kampf um die Weltherrschaft, an der das deutsche Volk nicht im Geringsten interessiert ist, es hat unendlich viele Ideen, mehr als andere Völker, nur diese eine nicht. Man denkt ja niedrig und unterstellt den anderen die eigene Schlechtigkeit; außerdem ist man „farbenblind“ bei seinem Vernichtungswahn! Seitdem die USA bestehen, begehen sie Völkermord; dabei werden sie bleiben, bis sie, militärisch oder anders, besiegt und aufgeteilt sind! Völkermord ist ihr Geist: „Alle Menschen sind gleich; in jeder Hinsicht!“ Das halten sie krankhaft für ihre Meinung, seitdem sie Europa verlassen haben; und natürlich ist ihre Krankheit ein heiliges Evangelium für alle anderen. Die Ungleichen werden ermordet, so gut es geht, die Schwächeren, um sie zu berauben, und die Überlegenen, weil sie die Wahnhaftigkeit der Ostküste erregen.
      Das ist der Geist der USA!


e


Und unser Geist? Anselm „von Canterbury“, aus dem Aostatal, ein Elternteil burgundisch, einer langobardisch, mit seiner Schöpfung des Begriffes „aus sich selber“ („ex se“, „per se“ im „Monologion“), bei ihm noch ausschließlich auf den Allerhöchsten und die menschliche Natur des Nazareners angewandt – Anselm also steht am Anfang unseres Weges. Alles, was aus diesem Geist, der A-se-ität, hervorgegangen ist, einschließlich der Befreiung durch die Technik, durch die von ihr geschaffene „zweite Natur“, entsprechend deren theologischer Bedeutung, überhaupt die gewaltige Schöpferkraft des Abendlandes, alles das ist unser Testament. Wir haben keinen Grund zu fürchten, dass wir uns mit irgendjemandem nicht messen könnten.



Hans Rochol
am 21.März 2011.






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