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Kreationismus, Intelligent Design und
Kierkegaard. Schlussfolgerungen zur Existenz Gottes. Mit einem Anhang zur systematischen Geschichte des existenziellen Theismus. Ich
will keinen bloßen Bildungsvortrag halten. In unserer Lage, als Menschen
in einer ungeistigen Zeit und als Nationale und Freiheitliche,
haben wir so viele Probleme, die auf uns und unserem Volk lasten, dass wir
zuerst diese Probleme lösen müssen und uns nicht mit bloßer Bildung
befassen können. Als Deutsche sind wir in der verzweifelten Lage, dass wir
einem Feind unterworfen sind, der uns vernichten will und der mit der
Vernichtung längst begonnen hat. Als Menschen der Gegenwart glauben wir,
mehr oder weniger verzweifelt, auf jede Hilfe und jede Stütze aus einer
höheren Welt verzichten zu müssen. Und wir können sagen, was wir
wollen: diese Schwäche beeinträchtigt uns zugleich in unserem Kampf
als Nationale, als Deutsche. Wir brauchen einen Herrgott, auf den wir
vertrauen können – gerade beim Gottesbegriff allerdings musste etwas sehr
Wesentliches geändert werden; und das ist allein das, worüber ich gleich
reden will – ; wir brauchen ferner die Einsicht, dass unser Wille frei
ist, damit wir wissen, dass wir verantwortlich sind und die Verpflichtung
zur äußersten Anstrengung haben; und wir brauchen die Gewissheit der
persönlichen Fortexistenz nach dem Tod, damit wir von unserem jetzigen
Leben unabhängig sind und tapfer sein können und die letzten
Konsequenzen unserer Verantwortung kennen.
Kierkegaard sagt öfter, er wolle die menschlichen Existenzverhältnisse klären. Aber dabei hatte Gott für ihn die entscheidende Bedeutung. Und diese Bedeutung versteht man nur, wenn man sich zugleich die Schwierigkeiten klarmacht, die mit dem Gottesgedanken verbunden sind. Sie waren so, dass Kierkegaard am Gottesgedanken etwas Wesentliches ändern musste. Gegen den Theismus, also gegen den Gottesgedanken, wird nämlich seit wenigstens zwei Jahrtausenden ein erdrückender Einwand geltend gemacht. Der Einwand arbeitet mit dem Begriff der Wirkursache. Machen wir deren Begriff klar: Am Rauch erkennen wir das Feuer, m. a. W.: der Rauch ist die Erkenntnisursache des Feuers; dagegen umgekehrt: das Feuer ist die Wirkursache des Rauches; entsprechend ist es oft, und hier wird das Verhältnis zwischen den beiden Ursachen-Arten besonders klar; sie sind aber auch sonst nicht schwer auseinander zu halten. Die Wirkursache ist das, womit in typischer Weise die Naturwissenschaft umgeht. Dann gibt es noch das Motiv, den Beweggrund; er ist die Ursache für das Verhalten z.B. von Menschen und nimmt seinen Weg über den Intellekt; ich muss mir den Beweggrund, einen bestimmten Erfolg, ein bestimmtes Ziel vorstellen, damit er mich in Bewegung versetzt, damit er bei mir ein bestimmtes Verhalten auslöst. Typischer Anwendungsfall: die Psychologie. Der Vollständigkeit halber nenne ich nun auch noch die mathematische Ursache, Beispiel: Hat ein Dreieck einen rechten Winkel – hier haben wir eine mathematische Ursache – so ist das Hypotenusenquadrat so groß wie die beiden Kathetenquadrate zusammen, gleich: mathematische Folge oder „Wirkung“. Damit haben wir dann aber auch alle vier Arten der Ursache zusammen. Nochmal Beispiele für die Wirkursache, um die es ja geht: Das Feuer verursacht den Rauch – dagegen ist der Rauch für das Feuer nur die Erkenntnisursache. Die Glaslinse zusammen mit der Sonne verursacht den Brand. Die Kanonenkugel verursacht das Loch in der Burgmauer. Usw. Also, der besagte erdrückende Einwand gegen den Theismus, den Gottesgedanken, arbeitet mit dem Begriff der Wirkursache (der „causa efficiens“, wie die alten Scholastiker sagten). Der Einwand lautet: Gott soll uns und die Welt durch Wirkursache geschaffen haben. Nun kann aber das Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung, schon rein begrifflich, gar keinen anderen Inhalt haben als „bestimmen“, „festlegen“, „determinieren“. Entweder die Wirkursache legt fest, bestimmt, determiniert; oder sie bewirkt gar nichts und existiert auch nicht. Soweit die Wirkursache nicht bestimmt, nicht festlegt, nicht determiniert, ist sie nicht Ursache, sondern allenfalls „Mitursache“; eine „Mitursache“ aber ist keine Ursache im eigentlichen Sinne, sondern nur Faktor einer Ursache; und vor allem besagt der herkömmliche theistische Gedanke, dass Gott auf jeden Fall unsere Ursache, und nicht nur unsere Mitursache ist. Und jetzt kommt das große Also: Also ist die Folge oder Wirkung einer eigentlichen Ursache, u.a. Gottes, absolut unfrei, eben bestimmt, festgelegt, determiniert. Schafft also Gott uns und die übrigen Wesen durch Wirkursache, so hat kein Wesen, auch wir nicht, einen freien Willen; wir Menschen sind weder moralisch noch unmoralisch, die Moral, die Ethik geht uns gar nichts an; und Gott ist für alle Übel außerhalb seiner selbst, in der Welt, in der „Schöpfung“, nicht nur verantwortlich, sondern allein verantwortlich. Frage: Ist das große Also zwingend? Kann die Wirkursache wirklich keinen anderen Inhalt haben als „bestimmen“, „festlegen“, „determinieren“? Ich sage: sie kann es nicht, jeder kann die Sache durch Betrachten und Experimentieren in seinem eigenen Intellekt, sozusagen durch Kontemplation, selber ganz unmittelbar kontrollieren. Und dann ergibt sich ja, dass der gesamte Schluss zwingend ist. Alles, was man sonst noch dazu sagen kann, sind nur andere begriffliche Formen für dieselbe Sache, mit demselben Inhalt. Schopenhauer versucht, sie alle zu nennen; man kann sie in seinen Werken von überall her zusammensuchen. Aber wenn man das alles durchgehen will, braucht man eine eigene Sitzung oder Abhandlung. Man hätte dabei allerdings ein leichtes Spiel; denn der Einwand ist wirklich glasklar und zwingend. Warum? Er operiert mit einem begrifflichen Widerspruch: „verursachter freier Wille“, eine contradictio in adiecto, ein Widerspruch im Adjektiv. Man könnte dann, sofort oder bei einer weiteren Gelegenheit, auch noch gleich die Widerlegungsversuche durchgehen; und hätte wieder ein leichtes Spiel; man könnte auch sagen, das sollen dialektisch starke Studenten machen. Jedenfalls so glasklar, wie der Einwand ist, weil er mit einem begrifflichen Widerspruch operiert, so töricht oder überhaupt von vornherein nichtig sind die Widerlegungsversuche, von Paulus im Römerbrief (man muss Philosophie und Offenbarung auseinanderhalten), über Augustinus in seiner Schrift „Über den freien Willen“ „De libero arbitrio“, Thomas von Aquin in der „Summa theologica“ (Thomas, sonst oft sehr tüchtig, ist hier der Unehrlichste), Leibniz in „Essais de Théodicée“ (Untertitel: Über die Güte Gottes, die Freiheit des Menschen und den Ursprung des Bösen) oder in den „Nouveaux essais sur l´ entendement humain „Neue Versuche über den menschlichen Verstand“ – bis zu Kant! Man könnte das einen Kursus, nicht nur in Dialektik, sondern auch in menschlicher Unehrlichkeit nennen: Zur menschlichen Unehrlichkeit gehören nicht nur Scheiterhaufen und Gefängnis für Andersdenkende, sondern auch der Unsinn, den die Leute immer noch lieber reden, als dass sie einen Irrtum eingestehen. Bei Kant zeigt sich allerdings ganz deutlich eine Wende, wir kommen noch darauf. Fazit: Gott soll uns durch Wirkursache geschaffen haben, dann aber hätte die Moral für uns keine Bedeutung, wir würden von ihr nicht einmal etwas wissen; und Gott wäre für alles Böse und für alle anderen Übel nicht nur allein verantwortlich, sondern er säße über die von ihm selbst determinierten Wesen obendrein zu Gericht. Stillschweigende Konsequenz: er existiert nicht – wenn er unbedingt unsere Wirkursache sein soll. Einwand zunächst: Warum sollte er nicht existieren? Dann wäre er eben böse. Ein israelischer Soldat sagte in einem Interview auf die Frage, ob er an Gott glaube: „Wenn es einen Gott gibt, dann ist er böse; deshalb bete ich nicht zu ihm.“ Eine brave, wackere Antwort, jedenfalls besser als Theologengeschwätz! Aber wir haben reichlich Grund anzunehmen, dass es einen solchen Gott nicht gibt. Ich will Sie mit einer Aufzählung von Gründen nicht langweilen; ich erinnere im vorliegenden Fall nur an die ungeheure Absurdität, bestehend in der dann zu folgernden unendlichen Minderwertigkeit Gottes, und der absoluten Nichtigkeit und Wertlosigkeit des Menschen, der von der Moral konsequenterweise dann nicht einmal einen Begriff haben könnte. Vor allem aber hoffe ich, es wird gleich von anderen Gesichtspunkten her klar werden, dass man einen solchen Gott nicht nur nicht annehmen muss und Grund hat, das nicht zu tun, sondern dass man ihn nicht einmal annehmen kann. Und jetzt etwa schon zu den Konsequenzen? Bei Schopenhauer, bei dem das sehr schnell geht, und bei Kierkegaard, bei dem es eine längere und tiefere Sache ist? Ich muss vorher noch einmal um Geduld bitten; es bleibt noch ein erschwerender Umstand zu Lasten des bisherigen Theismus zu nennen. Die Begriffe von Ursache und Wirkung, der einzigen Quelle der Determination, sind uns ausschließlich von der empirischen Welt her bekannt. Und hier bedeutet die Wirkung nicht die Substanz einer Sache, sondern nur ihren Zustand: Das Feuer schafft den Rauch nicht aus dem Nichts, sondern schafft nur das Holz in Rauch um und treibt dann den Letzteren aus dem verbrennenden Gegenstand heraus. Die rollende Kugel schafft nicht die Bewegung der angestoßenen Kugel, sondern sie überträgt ihr nur ihre eigene, schon vorhandene Bewegung. Es ist absolut sicher: So wie in der empirischen Welt „kein Wesen“ „zu nichts“ „zerfallen“ „kann“ (Goethe: „Kein Wesen kann zu nichts zerfallen.“), so „schafft“ in ihr auch keine einzige Ursache irgendein Wesen „aus dem Nichts“. Dagegen soll Gott uns durch Wirkursache nicht nur determinieren – was schon grotesk genug ist und auf jeden Fall unser moralisches Verhalten zur Gänze miterfassen würde – ; sondern er soll durch Wirkursache die Substanz unseres Wesens „verursachen“; er soll uns also „aus dem Nichts erschaffen“. Und man weiß: unser Verhalten wird seinerseits ausschließlich von unserer Substanz, unserem Sein, determiniert, sonst wäre es nicht unser Verhalten; wir können uns dann also auch nicht damit herausreden, Gott habe ja nur unsere Substanz, und nicht unser Verhalten erschaffen. Die Determination des Menschen durch Gott und so denn auch seine Entmoralisierung ist damit auf die Spitze getrieben, bis zur Verrücktheit und Exaltiertheit. Die grobe und unsaubere Unachtsamkeit, mit der die empirische Wirkung, die sich durchaus begrifflich sauber erfassen lässt, ohne Weiteres mit einer Schöpfung aus dem Nichts gleichbehandelt wird, und umgekehrt, verdient Verachtung. Und die Determination, auf bisheriger theistischer Grundlage? Ist hiernach dreimal unwiderleglich. Und jetzt die Konsequenz, bei Schopenhauer und bei Kierkegaard! Mit Schopenhauer ändert sich die Philosophiegeschichte: die Widerlegungsversuche hören auf, der Einwand wird bei ihm ganz im Gegenteil vervollkommnet, ich sagte es schon. Ausgezeichnet im Übrigen – weil es nicht anders geht! Und dann Schopenhauers Konsequenz: Atheismus; es gibt keinen Gott; ohne irgendeine Differenzierung. Basta. Ganz anders bei Kierkegaard. Eigentliche Widerlegungsversuche macht er ebenfalls nicht, der Einwand ist unwiderleglich, soweit er reicht, nämlich bis zum wirkursächlichen Schöpfer einschließlich – Schopenhauer meint ja, er erfasse überhaupt jeglichen Gottesgedanken. Aber Kierkegaard hat insofern einen weiteren Horizont und ist sehr viel geschmeidiger. Er sieht, zunächst einmal – wir kommen auf das Übrige noch zu sprechen – auch den geistesgeschichtlichen Aspekt. Dabei geht es nicht um das „Geschichtliche“ als solches – das wäre wieder nur Bildung – es geht um den „Zusammenhang, die Einheit“, unseres abendländischen „Geistes“, um das, was dem gesamten Abendland gemeinsam ist; und das ist der Geist des Dynamischen, des Willens, der Freiheit, des vorwärtsdrängenden menschlichen Schöpfertums. Und es ist nun also nicht nur der Gottesgedanke, der durch die soeben beschriebene Determination und Entmoralisierung des Menschen, durch die unsere ganze Geschichte bedrängende Deutung des biblischen Schöpfungsberichtes, ad absurdum geführt wird. Es geht vielmehr um unseren menschlichen, abendländischen Geist, den Geist der Freiheit und des Schöpfertums; hier wird nichts ad absurdum geführt, sondern die Gefahr besteht jetzt darin, dass man wegen des angeblich determinierenden Gottes die Determination, die Unfreiheit des Menschen akzeptiert. Besonders der junge Kierkegaard denkt über diesen Punkt nach; er trägt am 23. November 1834 (Pap. I A 7) , mit einundzwanzig Jahren, in sein Tagebuch ein: solange von Freiheit nicht die Rede ist und dieser Gedanke in der Welt noch nicht zur Geltung gekommen ist, solange konnte auch noch nicht der Gedanke an eine Prädestination aufkommen, erst als sich der Gedanke von der menschlichen Freiheit entwickelte, und nun durch die menschliche Reflexion mit der Vorstellung vom göttlichen Welten-Lenker in Verbindung gebracht wurde, erst da konnte ein solcher Gedanke aufkommen, und musste nun auch aufkommen, als Versuch, die Schwierigkeit zu lösen. Dabei ist es allerdings merkwürdig, dass das, was die Schwierigkeit lösen sollte, nun gerade zum Problem geworden ist, nämlich, wie sich die beiden Vorstellungen miteinander vereinen lassen. Ich würde, zunächst einmal, sagen: Lieber junger Kierkegaard, merkwürdig ist am ehesten, dass du die Lehre von der Prädestination (unserer Vorherbestimmung von Seiten Gottes für eine ewige Qual oder für eine ewige Seligkeit) als Lösungsversuch ansiehst. Ich würde stattdessen sagen: Wir Abendländer haben deshalb mehr als alle anderen aus der Prädestination gemacht, weil dieser Gedanke unserem Geist besonders stark widerspricht; und weil wir innere Feinde haben; denn auf dem bestimmenden Grund unserer Seele ist genau das Gegenteil lebendig, nämlich der Geist der Freiheit. Aber auch so erkennt man, dass dein Gedanke sehr viel wert ist: Der besagte Einwand gegen das Dasein Gottes – nennen wir ihn den existenziellen Einwand – vernichtet nicht nur den Gedanken vom wirkursächlichen Schöpfer, durch seine haarsträubenden Konsequenzen; sondern er bedroht, wenn man den determinierenden Gott akzeptiert, den Geist unserer abendländischen Kultur. Nennen wir dafür das Beispiel, auf das es heute ankommt: Heute existiert, als missratene Tochter unseres Abendlandes, und leider zugleich als militärische Großmacht, eine Nation, die tatsächlich die abendländische Kultur vernichten will. Sie versucht das auf vielerlei Weise; unter anderem sucht sie den so genannten Kreationismus zu verbreiten, das heißt: den fundamentalistischen Afterglauben, dass der mosaische Schöpfungsbericht wörtlich zu verstehen ist - und so wie ihn unehrliche und exaltierte Theologen in stiller Hysterie ausgelegt oder belassen haben. Nämlich genau so, wie der besagte Einwand es will: Gott soll uns durch Wirkursache geschaffen haben; und zwar aus dem Nichts, obwohl Wirkursachen in der empirischen Welt – und anderswoher kennen wir sie nicht – niemals irgendetwas aus dem Nichts erschaffen, sondern ohne Ausnahme immer nur den Zustand einer Substanz hervorbringen, aber nie die Substanz selbst. Dann aber usw. ... wären wir nur determinierte Marionetten, die keine Willensfreiheit in den Knochen haben und die folglich auch keinen Begriff von Moral oder Ethik im Kopf haben könnten. Meinen die Förderer des Kreationismus es fromm? Nein! Woher weiß ich das? Die Förderer sind selbstverständlich die inneren Kreise der Hochfinanz; sie aber denken atheistisch. Und woher weiß ich das nun wieder? Der Zeitgeist ist atheistisch! Der Zeitgeist aber schwebt nicht in den Lüften – wie bei Hegel – sondern er lebt, heutzutage als atheistischer Geist, in den Medien: in den Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, im Fernsehen und in den Filmen; sie alle aber sind in der Hand der inneren Kreise der Hochfinanz. Also denken diese Kreise atheistisch. Was ist der Kreationismus denn, wenn er nicht fromm ist? Er bedeutet im Klartext: Ihr lieben von uns bewusst in Unwissenheit gehaltenen Menschenmassen in den USA: Ihr seid von Gott geschaffen, also von ihm determiniert; was hatte das zur Folge? Völkermord und Imperialismus. Also, da alles das von Gott kommt: Weiter so! Und dann, ihr Deutschen: auch ihr seid von Gott geschaffen, und zwar offensichtlich zu Niederlagen. Also geht gefälligst zugrunde; denn ihr seid uns sowieso im Weg. Und für beide Gruppen zusammen: Was wir denken, geht euch nichts an, für euch ist die Kitschreligion da; Nietzsche sagt: „Alle Religionen sind Pöbelaffären“. Die Realität bestimmen wir, die Aristokraten. Das ist der Sinn des Kreationismus, da er ja im Kopf seiner atheistischen Urheber oder Förderer keinen frommen, religiösen Sinn haben kann. So ist es plausibel, und so sollten wir es deshalb auch sehen; wir sollen uns keine Illusionen machen, sondern tapfer sein und einfallsreich in der Gegenwehr. Im Jahre 1987 untersagte das oberste Gericht der USA kreationistischen Biologieunterricht in den Schulen. Begründung: die Trennung von Staat und Kirche in der Verfassung, sie mussten es also. Ändert das etwas? Es ändert nichts Wesentliches. Denn sie wollten es auch: Der Kreationismus eignete sich nur für die Unbedarften, für die übrigen ist er kontraproduktiv. Man brauchte denselben Gedanken in einer anständig-pseudointellektuellen Form. So erfand man das „Intelligent Design“, das heißt, wir sind durch ein höheres Wesen mit „planender Intelligenz“ durch Wirkursache geschaffen. Also dasselbe in Grün! Nur der „Lehm der Erde“, der „Erdenkloß“, der „Staub, aus dem wir gemacht“ sind, musste weichen. Soweit die Gefahr des determinierenden Gottes - wenn man ihn in dieser Eigenschaft akzeptiert – also als Gefahr für unseren abendländischen Geist der Freiheit; für „diesen schönen Teil der Welt“ „cette belle partie du monde“, wie Montesquieu einmal sagt. Aber selbstverständlich wollte Kierkegaard noch viel weniger den determinierenden Gott, als absurde Folgerung, die dann natürlich abzulehnen wäre, im Sinne der reductio ad absurdum, also mit atheistischer Konsequenz. Das war das eine – und er war geschmeidiger als Schopenhauer. Deshalb zog er nicht den Schluss: also gibt es keinen Gott; sondern: dann schafft er uns eben nicht durch determinierende Wirkursache. Also: Entweder die Wirkursache musste abgeschafft werden. Oder – konzilianter gegenüber dem Herkommen – : ihre determinierende Wirkung musste fort. Kierkegaard legte nämlich keinen Wert auf einen unnötigen Bruch mit dem Herkommen. Und so quälte er sich, ungefähr als Dreiunddreißigjähriger, zunächst noch mit dem zuletzt genannten, im Übrigen unmöglichen Gesichtspunkt, der Aufhebung der Determination – ohne Aufhebung der Wirkursache! Er schreibt in sein Tagebuch (Pap. VII 1 A 181): Das Höchste, was man überhaupt für ein Wesen tun kann, höher als alles, wozu man es machen kann, besteht darin, dass man es frei macht. Er meint: als Freies erschafft; er fährt fort: Gerade dazu gehört Allmacht, das zu können. Das scheint seltsam zu sein, da gerade die Allmacht abhängig machen müsste. Das gibt er selber zu; er sagt dann jedoch: Aber wenn man den Begriff der Allmacht denkt, wird man sehen, dass gerade darin zugleich die Bestimmung liegen muss, sich selbst in der Weise bei der Äußerung der Allmacht wieder zurücknehmen zu können, dass das durch die Allmacht Zustandegekommene gerade deshalb unabhängig sein kann. [Die „Äußerung der Allmacht“, von der Kierkegaard spricht, ist jedoch nichts anderes als die Ausübung der Wirkursache; zum Inhalt der Wirkursache aber gehört, dass sie determiniert; denn man kann nichts Unbestimmtes machen oder bewirken, sondern immer nur etwas Bestimmtes, etwas Determiniertes; man kann also den Inhalt der Wirkursache nicht denken, ohne die Determination zu denken. „Etwas machen, durch Wirkursache, und zwar als Freies“, wäre folglich ein Widerspruch im Objekt (eine contradictio in obiecto). Und eines kann auch die Allmacht nicht: widersprüchliche Gedanken in die Wirklichkeit umsetzen. Insofern gibt es keine Allmacht; insofern „ist“ – mit Heine zu reden – wirklich und wahrhaftig auch „unser Herr nicht ganz allmächtig“. ] Wir haben hier also selbst auf dem Gebiet des Gottesgedankens, ganz gegen ein altes Vorurteil – es ist viel älter als Kant – schon einmal eine Wahrheit, die so sicher ist wie die Bläue am Himmel eines wolkenlosen Tages; das heißt, man müsste das Blaue vom Himmel herunterlügen, wenn man etwas anderes sagt. Es gibt noch ein Vorurteil: Gottesgedanke und Determinismus sind auf jeden Fall scharfe Gegensätze. Die Wahrheit ist: Der biblische Schöpfungsbericht, oder jedenfalls seine Auslegung, auf der einen Seite und der Determinismus auf der anderen gehören begrifflich zwingend zusammen. Wir sehen, wie vorsichtig wir gegenüber herkömmlichen Vorstellungen sein müssen – vor allem, wenn sie arrogant werden sollten. Also, Kierkegaard ist nicht darauf erpicht, sich mit der herkömmlichen Auffassung mehr als unbedingt nötig anzulegen; er kann aber auch nicht den Versuch machen, seine Philosophie auf der Grundlage des determinierenden Schöpfer-Gottes aufzubauen, weil das ein Ding der Unmöglichkeit wäre, wir werden es sehen. Kurz vor seinem Tod, mitten in dem so genannten Kirchenkampf, den er um die Zeit führt, am 25. September 1855 – am 11. November starb er dann – schrieb er sogar in sein Tagebuch (Pap. XI 2, 439): Ich bin gegen Gottes Willen entstanden. Es folgen dann allerdings wieder Konzessionen; und die Härte des Satzes könnte, rein menschlich gesehen, auch mit den bitteren Erfahrungen zu tun haben, die Kierkegaard inzwischen mit der menschlichen Natur gemacht hatte; dennoch pflegten christliche Philosophen bis dahin nicht solche Konsequenzen zu ziehen; jeder große Mensch macht ja desillusionierende Erfahrungen mit seinen Mitmenschen. Kierkegaard denkt eben im Tiefsten so und nicht anders – wenn auch seine Philosophie und der existenzielle Einwand ihn nur zur Verneinung von Gottes Ursächlichkeit zwangen und wenn er dann auch an derselben Stelle wieder von der Liebe Gottes zum Menschen spricht. Bei Kant ist die Entwicklung im Nachhinein übrigens schon zu erkennen: Als er (in der „Kritik der praktischen Vernunft“, „Kritische Beleuchtung“ 14. Absatz) den Einwand wiedergibt, um ihn pro forma zu widerlegen, nennt er Gott die Ursache auch der Existenz der Substanz des Menschen; und er fügt dann in Klammern hinzu, das sei ein Satz, der niemals aufgegeben werden darf, ohne den Begriff von Gott als Wesen aller Wesen und hiermit seine Allgenugsamkeit, auf die alles in der Theologie ankommt, zugleich mit aufzugeben. Man fragt sich, wie kommt Kant darauf? Bis dahin hatte kein Apologet eine solche Versicherung zugunsten der Urheberschaft Gottes für nötig gehalten. Es muss Kant der Gedanke durch den Kopf geschossen sein: Wäre es nicht auch denkbar, dass Gott nicht die Ursache der Substanz des Menschen ist? Und er hätte erst dann die Urheberschaft Gottes ganz bewusst bejaht und ausgesprochen. Außerdem: wieso „Wesen aller Wesen“ und „Allgenugsamkeit“? Es genügt, dass Gott das höchste Wesen ist; dazu braucht er nicht unsere Ursache zu sein – und wir brauchen nicht von ihm determiniert zu sein. Soviel zwischendurch zur Entwicklung in der Geschichte des Einwandes. Zurück zu Kierkegaard. In der Schrift über „Die Krankheit zum Tode“ (ziemlich am Anfang, im 10. Absatz) schreibt er, ungefähr als 35Jähriger, sehr viel humaner als Jahre später im Tagebuch (die Hervorhebung ist von mir): Woher kommt die Verzweiflung? Von dem Verhältnis, in dem die Synthese sich zu sich selbst verhält, indem Gott, der den Menschen zu dem Verhältnis machte, es gleichsam aus seiner Hand loslässt, das heißt, indem das Verhältnis sich zu sich selbst verhält.Die Bedeutung ist klar: teilweise Aufhebung der Wirkursächlichkeit Gottes, Gottes „Hand“, aus der er uns „loslässt“, als Symbol für die teilweise aufgehobene Wirkursächlichkeit. Die Inkonsequenz ist ebenso klar: eine Ursache, die nicht ausreicht, eine Kanonenkugel ohne Lunte, hat überhaupt keine Wirkung, und nicht eine teilweise Wirkung. Und das Prinzip? Bleibt von der Inkonsequenz unberührt; es besagt: Kierkegaards Philosophie setzt voraus, dass wir weder von Gott noch von sonst jemandem durch Wirkursache determiniert sind. Wir stellen fest: Kierkegaards Stichwort in der Schrift über „Die Krankheit zum Tode“ ist die Verzweiflung, die er in der Schrift bekämpft; er hat also für dieses Stichwort und dessen gedanklichen Zusammenhang ausdrücklich die Voraussetzung genannt, nämlich, dass der Mensch nicht determiniert ist. Nun ist „Die Krankheit zum Tode“ eines der reifsten Werke Kierkegaards, daher wahrscheinlich die bewusste, ausdrückliche Nennung der Nichtdeterminiertheit als Voraussetzung des Gedankenganges. Die ganz grundlegenden Stichwörter aus der vorhergehenden Zeit sind nun: die „Angst“ in „Der Begriff Angst“ und die „Subjektivität“ oder „Innerlichkeit“, beide im Wesentlichen gleichbedeutend, zusammen mit der „Begeisterung“, der „unendlichen Leidenschaft“, „in der wir Gott haben“, in der so genannten „Abschließenden unwissenschaftlichen Nachschrift“. Untersuchen wir jetzt, ob sich die Nichtdeterminiertheit, die Ursachenlosigkeit, auch als die Voraussetzung dieser Stichwörter und Zusammenhänge erweist und damit als Grundlage von Kierkegaards Philosophie überhaupt: Zunächst die Angst (in §5 über den „Begriff Angst“). Die Angst ist der Zustand vor der Grundentscheidung des Menschen: Eintritt, oder nicht, ins mehr oder weniger erbsündliche Dasein; was in sich schließt: Nur wer sich, mehr oder weniger, für das Böse entscheidet, wird Mensch. Es wird gefragt „Was ist es denn?“, nämlich dieser Zustand vor der Entscheidung. Antwort: „Nichts. Welche Wirkung aber hat Nichts? Es gebiert Angst.“ Das heißt: es gibt für den Menschen keine Ursache, die ihn determiniert, weder für das Gute noch für das Böse, also für den Eintritt ins erbsündliche menschliche Dasein. Dieses Nichtvorhandensein der Ursache ist das „Nichts“! Wieso aber „gebiert das Nichts Angst“? Antwort: „Angst ist sympathetische Antipathie und antipathetische Sympathie“, mit anderen Worten: Antipathie, die von Sympathie aufgewogen wird, und Sympathie, die von Antipathie aufgewogen wird. Das heißt: Weil es für den Menschen bei seinem Eintritt ins Dasein keinerlei Ursache, keinerlei Determination gibt, weder für das eine noch für das andere, weder für das Gute noch für das mehr oder weniger erbsündliche, böse Dasein als Mensch, darum zieht ihn beides gleich stark an: er muss sich entscheiden, kann sich aber nicht ohne Weiteres für das eine entscheiden, weil das Gegenteil ihn genauso stark anzieht; dadurch entsteht Enge, und das bedeutet Angst: „sympathetische Antipathie und antipathetische Sympathie“ – wir sehen, man kann auch mit griechischen Fremdwörtern poetisch reden. Kurz darauf heißt es: Wenn man Kinder beobachtet, so wird man diese Angst als Suchen nach dem Abenteuerlichen, dem Ungeheuren, dem Rätselhaften in bestimmterer Weise angedeutet finden. ... Diese Angst ist dem Kind so wesentlich eigen, dass es sie nicht entbehren möchte; wenn sie es auch ängstigt, so fesselt sie es doch mit ihrer süßen Beängstigung. Dazu nur zweierlei: die Gleichgewichtigkeit der Angst, ihr gleichgewichtiges Ziehen und Abstoßen von beiden Seiten, mit der Folge der Enge der Angst, zeigt sich auch hier. Und zweitens: an sich ist der Eintritt des Menschen in sein Dasein – in Klammern: in sein erbsündliches Dasein - zeitlos, er findet immer statt; das ist das Eigentliche, das Ontologische. Aber was hier geschildert wird, „das Abenteuerliche“, die „süße Beängstigung“ usw., alles das ist, wie Kierkegaard ausdrücklich sagt, schon etwas Sekundäres; es sind die psychologischen Folgen des ontischen Grundtatbestandes. Und zum begrifflichen Inhalt: „Abenteuerlich“ ist so manches; aber abenteuerlich im tiefsten Sinne ist nur das, was noch nicht festliegt, was nicht determiniert ist, sondern frei und „aus sich selber“. Es heißt dann unter anderem noch: „die Angst fliehen kann er nicht, denn er liebt sie; eigentlich lieben kann er sie nicht, denn er flieht sie“ – Wir verstehen schon, auf diese Nichtdetermination läuft es immer wieder hinaus. Das Ergebnis: Kierkegaards Philosophie von der „Angst“ hat Nichtdeterminiertheit zur Voraussetzung. Und die „Begeisterung“, die „unendliche Leidenschaft“, die geistige „Leidenschaft“, „in der wir Gott haben“? Sie ist nur der äußerste Gegensatz zur Angst. Aber auf derselben Stufenleiter! Die Sache sieht so aus: Die Angst in ihrer wichtigsten, grundlegenden Erscheinungsweise, für und zugleich gegen unser mehr oder weniger erbsündliches Wesen, so wie wir sie gerade durchdacht haben, ist der Zustand vor der Grundentscheidung des Menschen. Es folgt die Entscheidung, sagen wir einmal, für ein weniger erbsündliches Wesen; mit der Entscheidung ist die Angst aufgehoben. Die verhältnismäßig gute Entscheidung wird immer sicherer, immer überzeugter – und wird schließlich zur „Begeisterung“, zur „unendlichen Leidenschaft“, „in der wir Gott haben“. Gut! Es ist klar: beruhte die Angst auf „Nichts“, nämlich auf dem Nichtvorhandensein einer Ursache, einer Determination für die eine oder die andere Entscheidung, so gilt für die Entscheidung dasselbe; und so denn auch für die „Begeisterung“, die ja nur eine gesteigerte Entscheidung ist, zusammen mit der „Leidenschaft“ – die wir uns als geistige Leidenschaft denken müssen. Alle vier sind nicht determiniert, nicht „aus anderem“, sondern dann ja wohl „aus sich selber“, wir werden den Begriff noch besprechen. Das alles ist durchsichtig genug. Aber wir können uns damit nicht begnügen. Kierkegaard wiederholt in der „Nachschrift“ (wie man sie kurz nennt) immer wieder seine These „Die Subjektivität ist die Wahrheit, die Innerlichkeit ist die Wahrheit“. Und jeder Leser kommt dabei zu dem Schluss, dass die „Subjektivität“ und die „Innerlichkeit“ aa) untereinander synonym sind und dass sie bb) im Verhältnis zur „Begeisterung“, zur „Leidenschaft“, „in der wir Gott haben“, Oberbegriffe sind. Nun haben wir Menschen zwei subjektive Kräfte: den Intellekt und den Willen, den Intellekt mit seinen Unterbegriffen Verstand, Vernunft, Gedächtnis, sinnliche Wahrnehmung usw., und den Willen mit seinen Unterbegriffen: Entschlüsse, Entscheidungen, Zustimmung, Ablehnung, Liebe, Hass, Freude, Trauer usf. Am Intellekt hat die Schulphilosophie einen Narren gefressen; der Wille dagegen scheint fast nicht wissenschaftswürdig zu sein. Was geschieht denn auch? Man hat die „Subjektivität“ in Kierkegaards Satz prompt als die „Subjektivität“ des Intellektes interpretiert: „Was ich denke, was ich meine, was ich mir einbilde, das ist die Wahrheit.“ Oder ganz ähnlich, im Prinzip genau so. Es gibt nichts Sinnwidrigeres, Frostigeres, Langweiligeres als diese Deutung. Hätte Kierkegaard das gesagt, dann würde man heute nicht über ihn reden. Und die Fortsetzung der Lächerlichkeit: Pius XII. verurteilt daraufhin Kierkegaards Satz, statt die falsche Deutung der „Subjektivität“ durch die Schulphilosophie als typischen Fall für gelehrten Blödsinn zu durchschauen. War es zu durchschauen? Ohne Weiteres! Vielleicht hat Kierkegaard sogar gerade zu dem Zweck die „Innerlichkeit“ hinzugefügt: „Die Subjektivität ist die Wahrheit, die Innerlichkeit ist die Wahrheit.“ Denn die „Innerlichkeit“ ist eindeutig ein Unterfall der Willenssubjektivität, sie bedeutet unter anderem eine Richtung, nämlich nach innen. – Frage: was hat Kierkegaard nun mit der Willenssubjektivität gemeint? Er kann ja nur ein feines, aber nicht greifbares Gefühl gehabt haben! Wir haben also Grund, den Begriff der „Subjektivität“ zu klären; ich sagte ja anfangs, es geht nicht um bloße Bildung, um bloße Philosophie-Geschichte, es kann in einer Zeit wie der unseren nicht um so etwas gehen, es geht um die Sache selbst, in diesem Fall um unsere Existenz und um die unseres Vaterlandes, um deren Glück und Gelingen. – Es gibt also eine Subjektivität des Intellektes und eine des Willens; oder ist der Wille etwa keine subjektive Kraft? Oder braucht man über Kräfte, über „Energie“ nicht nachzudenken? Die Subjektivität des Intellektes besteht in einem Gedankenbild; es ist „subjektiv“, weil es aus dem Subjekt hervorgegangen ist; die Subjektivität des Gedankenbildes ist dadurch eingeschränkt, dass ihm ein objektiver Sachverhalt, das „Gedachte“, entsprechen soll und dass das Gedankenbild um des objektiven Sachverhaltes willen da ist, nicht umgekehrt. Und nun zur Subjektivität des Willens, zur voluntativen Subjektivität! Wir wissen, dass alles in der Natur letzten Endes auf reine Energie zurückgeht; beim menschlichen Willen, der ja ein Teil der Natur ist – man denke nur! – liegt das sogar unmittelbar auf der Hand: Er ist schon seinem Begriff nach reine Energie. Wir wissen das deshalb so genau, weil der Wille zumindest ein Aspekt unseres eigenen Wesens ist; und ganz sicher würden alle anderen Weltwesen es von sich genauso gut wissen, wenn sie einen Intellekt hätten wie wir. Wir brauchen uns nun nicht darüber zu streiten, ob wir die reine Energie eine „Kraft“ nennen wollen oder ob wir sie als „dynamisches Sein“ bezeichnen sollten. Aus praktischen Gründen ziehe ich das Letztere vor; auch um der Klarheit willen, obwohl es in der empirischen Welt statisches Sein so oder so nicht gibt. Und die entscheidende Frage ist nun: Wieso ist das dynamische Sein, das wir den Willen nennen, „subjektiv“? Das intellektuelle Gedankenbild war deshalb subjektiv, weil es aus dem Subjekt hervorgeht. Und da wir nun ganz sicher wissen, dass auch unser Wille subjektiver Natur ist, bleibt uns nichts anderes übrig als die Schlussfolgerung, er sei es ebenfalls deshalb, weil er aus dem Subjekt hervorgegangen ist; in seinem Falle also aus dem dynamischen Sein, das er selber ist und das auch wir sind; er ist also „aus sich selber“, aus der reinen Energie – „aus“ übrigens als dynamischer Begriff! Der Wille ist kein bloßes statisches „es Selber“. Und es ist ja auch sonst und ohnehin klar, dass reine Energie „aus sich selber“ sein muss; denn wäre sie „aus anderem“, so hätte sie etwas Passives, wäre also keine reine Energie; so einfach ist das! Dann aber wissen wir auch, dass die gesamte empirische Welt nichts als Wille ist, da sie ja im Endergebnis nichts als reine Energie ist. – Im Übrigen sind wir spätestens jetzt an dem vorhin angekündigten Punkt angekommen, an dem klar wird, dass der determinierende Schöpfer-Gott als Wirkursache nicht nur absurd ist – erstens als Alleinschuldiger an allem Bösen und an allen Übeln und zweitens als Richter über Wesen, die er selber determiniert hat – sondern dass er auch undenkbar ist, weil wir eben „aus uns selber“ sind. Und zusätzlich ja auch wohl deshalb, weil wir von der Moral denn ja nun doch einen Schimmer mitbekommen haben. Fazit: der Wille ist deshalb subjektiv, weil er „aus sich selber“ ist, er ist das „dynamische aus sich selber Seiende“; er trägt im „aus sich Selber“ seine eigene Freiheit begrifflich zwingend in sich, in seiner Definition! Und der alte Kant hätte sich bestimmt gefreut über diese zusätzliche Begründung für seinen Gedanken, wonach wir Menschen die Naturgesetze in uns und in die übrige Natur nur „hineinlegen“, ohne dass sie „an sich“ in ihr sind und wirken. Und nun zum Wortlaut bei Kierkegaard! Erstens: Wir haben gesehen, in Kierkegaards These „Die Subjektivität ist die Wahrheit“ kann nicht die Subjektivität des Intellektes gemeint sein. Also bleibt nur die des Willens; und wie dessen Subjektivität anders zu entwickeln sein sollte, als ich es jetzt getan habe, das müsste mir dann erst jemand zeigen. Und zweitens: Kierkegaard sagt am Ende der „Abschließenden unwissenschaftlichen Nachschrift“ – die er eine Zeitlang für sein letztes Werk hielt – : „seine Bedeutung liege nicht darin“, einen neuen Vorschlag,, eine unerhörte Entdeckung zu machen, oder eine neue Partei zu gründen, und weiterzugehen – wie der damals gefeierte Hegel, in seinen Schriften, da hieß es immer: „wir müssen weitergehen, wir können dabei nicht stehen bleiben“ – vielmehr liege seine Bedeutung im genauen Gegenteil, nämlich darin, keine Bedeutung haben zu wollen, darin ... die Urschrift der individuellen, humanen Existenz-Verhältnisse, das Alte, Bekannte und von den Vätern Überlieferte, noch einmal solo durchlesen zu wollen, wenn möglich, in einer innerlicheren Weise. Und ich werde jetzt zeigen, dass dieses Programm, auf Kierkegaards Werke angewandt, genau auf das hinausläuft, was ich soeben mit der Herleitung der Willens-Subjektivität und der Willens-Definition begonnen habe. Außerdem bleiben nach der Klärung des Begriffes der „Subjektivität“ ja auch noch deren Unterbegriffe der „Begeisterung“ und der „Leidenschaft“ zu analysieren, „in der wir Gott haben“. Auch das hat seine präzise Bedeutung. – Nur eines ganz zwischendurch: Kierkegaard behauptet, „keine Bedeutung haben zu wollen“? Das nimmt man nicht ernst! Dann hätte er nicht publiziert. Im Übrigen aber ist Kierkegaards vorläufiges Testament von bewundernswerter Präzision. Die letzten sechs Worte z.B. haben es in sich: „Wenn möglich, in einer innerlicheren Weise“! „Innerlich“ ist das, was „aus sich selber“, „aus uns selber“ ist. Selbstverständlich ist es so, und zwar ganz wörtlich! Determinierte Wesen können mit begrifflicher Notwendigkeit alles nur von außen haben, weil sie ja „aus anderem“ sind. Und das, was man uns von außen eingegeben hat, ist eben auch von außen, und nicht „innerlich“. Was Gott uns, im Sinne des existenziellen Einwandes gegen seine Existenz, als wirkursächlich determinierender Schöpfer eingegeben hätte, käme nicht von uns, es wäre also nicht „innerlich“; und glauben wir, er hätte Freude an einem selbstgebastelten mechanischen Spielzeug? So bestätigt sich auch die vorhin festgestellte Synonymität von „Subjektivität“ und „Innerlichkeit“; die Willens-Subjektivität bedeutet „Sein aus sich selber“; und die „Innerlichkeit“ nun eben genau so. Und schließlich haben wir jetzt Brief und Siegel auf die Richtigkeit unseres Ergebnisses, wonach das „aus sich Selber“, die Nichtdeterminiertheit, bei Kierkegaard eine allgegenwärtige Voraussetzung ist; denn seine Worte „in einer innerlicheren Weise“ sollten ja für seine Schriften schlechthin gelten. „Die Urschrift der individuellen, humanen Existenz-Verhältnisse“, also die „Existenz“, passt dazu. Das „aus sich Selber“ mit seiner „Angst“ und mit seiner „Begeisterung“ und „Leidenschaft“, zusammen mit seiner Echtheit, weil es wirklich von uns ausgeht – wir sind es ja alles durchgegangen – ist ganz genau das, was wir das „Existenzielle“ nennen. Alles das liegt auf der Hand. Nur zu dem „Alten, Bekannten und von den Vätern Überlieferten“, dazu gehört nun außer der Logik auch ein bisschen Gelehrsamkeit – natürlich! wenn jemand, so wie Kierkegaard, alles repetieren, alles „noch einmal solo durchlesen“ will. Denn das kann er ja nicht in allen Einzelheiten; dann wäre er ein Übermensch. Aber wir wollen jetzt die Einzelheit; wir suchen ja auch nur nach einem einzigen Punkt: dem Sinn der „Begeisterung“, der „Leidenschaft“, „in der wir Gott haben“. Wir haben gezeigt, wie beide mit dem „aus sich Selber“ zusammenhängen: vorhin, als wir sagten, sie befänden sich mit der Angst auf einer und derselben Skala oder Stufenleiter; und die „Subjektivität“ sei der Oberbegriff für die ganze Skala. Aber das ist noch nicht alles, der Zusammenhang mit Gott ist nicht klar, wir wollen auch das wissen, weil es hier darum geht, „Gott zu haben“. Die erste Frage ist: Wer ist derjenige von den „Vätern“, „von dem“ das „Sein aus sich selber“ „überliefert“ ist? Antwort: es ist Anselm aus dem Aostatal, genannt Anselm „von Canterbury“; ein Elternteil von ihm war burgundisch aus dem heutigen Frankreich, der andere langobardisch aus Italien. Anselm war kein Angelsachse, Wilhelm der Eroberer hatte ihn mit nach England genommen und ihn dort zum Bischof gemacht. Anselm fand in seinem „Monologion“ (dem „Selbstgespräch“, 1076) den Begriff des „Seins aus sich selber“ (des ens per se, ens ex se, ens a se = des Seienden durch sich, aus sich, von sich), später im Mittelalter: war es die A-se-ität, sozusagen die „Von-sich-heit“. Der Begriff, die ersten sechs Kapitel bei Anselm, könnte wieder eine Abhandlung für sich gebrauchen. Ich erinnere deshalb zur Beglaubigung des Begriffes jetzt nur daran, dass das „aus sich Selber“ eine Realität ist, als Subjektivität des Willens, wir sind es durchgegangen. Und zusätzlich: ohne „aus sich Selber“ ergäbe sich eine unendliche Reihe: Das und das ist „aus anderem“, dieses „andere“ ist, weil es kein „aus sich Selber“ gibt, wieder „aus anderem“ usw. ins Unendliche; das aber kann nicht sein; also gibt es ein „aus sich Selber“. Und nun zu der angekündigten Anwendung des Begriffes auf Kierkegaards „Begeisterung“ oder „Leidenschaft“, „in der wir Gott haben“! Wir wissen schon: die „Angst“ bei Kierkegaard beruht auf dem „aus sich Selber“, die „Subjektivität“, die „Innerlichkeit“ und die „Begeisterung“ ebenfalls. Aber was hat das mit Gott zu tun, den wir in der „Begeisterung“, in der „Leidenschaft“, ja „haben“ sollen? Wo sind hier die „Väter“, „von denen uns“ das Notwendige „überliefert“ wird – wie Kierkegaard ja sagt? Es verlief so: Schon im Mittelalter, von der neueren Zeit ganz zu schweigen, begann man die Aseität Gottes, sein Sein „aus sich selber“, ganz oder zum Teil, mehr oder weniger verschleiert oder inkonsequent, zugleich auf den Menschen auszudehnen. Ich nenne als Beispiel jetzt nur Meister Eckehart. Aber er war nicht der einzige, im Gegenteil! Wer die abendländische Geistes-Geschichte einmal durchgeht, wird feststellen, dass Anselm am Anfang dieser Geschichte im „Sein aus sich selber“ in genialer Weise auch gleich deren Grundbegriff gefunden hat: die A-se-ität, das „aus sich Selber“, als Grundbegriff der Kultur der Freiheit, der Dynamik und des Schöpfertums. Zugleich haben wir festgestellt, dass das „aus sich Selber“ bei Kierkegaard in besonders deutlicher und direkter Weise überall zugrunde liegt. Wir haben außerdem deutlich gemacht, dass es – neben dem „Dynamischen“ – als Grundlage der „Begeisterung“ und der „Subjektivität“ unseres Willens, aber auch der „Angst“ und überhaupt der Echtheit und „Innerlichkeit“ unserer gesamten Menschlichkeit, den Inbegriff des Existenziellen ausmacht. Und auf dieser Grundlage begreifen wir nun auch, nebenher bemerkt, wie es zu verstehen ist, wenn man einerseits sagt, Kierkegaard sei der Begründer des Existenzialismus, und wenn man andererseits zugleich die tiefere Intuition hat, dass der gesamte abendländische Geist existenzialistisch ist. Vor allem aber wollten wir nun ganz genau wissen, was die Aseität, das „Sein aus sich selber“, im Begriff der „Begeisterung“ und „Leidenschaft“, mit Gott zu tun hat. Also, wer ist derjenige unter den „überlieferten“ „Vätern“, der hier objektiv passt? – Subjektiv konnte Kierkegaard selbstverständlich nicht an die einzelnen „Väter“ denken; und sie dabei zugleich auch noch weiterentwickeln – . Der „Vater“ war René Descartes, der (in der dritten „Meditatio de prima philosophia“, der dritten „Meditation über die Metaphysik“) dem existenziellen Grundgedanken des „Seins aus sich selber“ eine erste sehr bedeutsame und an sich richtige Konsequenz verlieh – wenn auch in unrichtiger Anwendung und irreal-hypothetisch; das heißt, er spricht der Konsequenz die Realität ab; er schreibt hier unter anderem „ ... wenn ich aus mir selber wäre ... so hätte ich mir ... alle ... Vollkommenheiten gegeben und wäre ... selber Gott ... “ « ... si a me essem ... omnes ... perfectiones ... mihi dedissem, atque ... ipsemet deus essem ... ». Wenn ich also „aus mir selber" bin und folglich Inhalt und Umfang meiner Existenz, meines Daseins und Wesens und auch die Leichtigkeit von deren Entstehung und Aufrechterhaltung ausschließlich selbst bestimme, dann kann ich mir selbst alle Vollkommenheiten geben und bin damit ein vollkommenes Wesen, also Gott. Ein schlüssiger Gedanke! Und was tut man im Allgemeinen mit „Begeisterung“; was tut man deshalb, weil es einem keinerlei Mühe macht, weil es einem im höchsten Grade liegt, weil einem die Sache und ihre Ergebnisse mehr als voll und ganz gefallen. Und ebenso, vielleicht mutatis mutandis, mit der (geistigen) „Leidenschaft“? Liegt das alles hier nicht vor? Haben wir hier nicht gerade den Uranwendungsfall, das Urparadigma der „leidenschaftlichen“ „Begeisterung“ vor uns? Man sollte es meinen; mit welcher „Begeisterung“ würden wir uns nicht sämtliche Vollkommenheiten geben! So sehr, dass wir es uns und anderen gar nicht erst auszumalen brauchen. Aber Descartes hält die Sache nicht für real: Ich bin ja nicht Gott geworden, geschweige denn im selben Augenblick, kein Wunder, ich bin ja auch nicht „aus mir selber“! So Descartes. Er hatte die Entwicklung seit Anselm beobachtet, die Bemühungen, die Aseität vom Allerhöchsten auf den Menschen auszudehnen, und wollte nun der Sache auf den Grund gehen; mit dem Ergebnis, das wir gerade festgestellt haben. In Wahrheit haben wir hier nur das, was Schopenhauer einmal sagte: Descartes war „ein großer Mann; aber nur als Bahnbrecher“. Bitteschön! Die Bahn ist gebrochen! Der Stollen ist entdeckt! Aber schon ist er wieder verschüttet. Doch nun einmal schön genau und ganz präzise! Selbstverständlich! Ein Wesen, das allein und ausschließlich bestimmt, was und wie viel es ist, bestimmt sich als Gott, macht sich selbst zu einem vollkommenen Wesen. Oder es weiß jedenfalls genau, dass es das könnte, und wäre dann auch schon damit und aus dem Grunde Gott. Und wir sind „aus uns selber“, wir haben es gesehen, in Gestalt unserer Willens-Subjektivität und auch wegen unserer Moralität; und dasselbe gilt, wegen der reinen Energie, für die gesamte empirische Welt, wie sich gezeigt hat. Aber wer sagt denn, dass auch jeder einzelne individuelle Mensch, der „aus sich selber“ ist, deshalb schon bestimmen kann, was und wie viel er ist? Wir hätten dann zahllos viele höchste und vollkommene Wesen; das aber ist nicht möglich. Keines von ihnen wäre das höchste, alle hätten die gleichen Möglichkeiten; aber gut, lassen wir das noch gelten. Ganz unmöglich aber wäre es, das heißt, es wäre eine vollständige Pervertierung von Descartes´ Konsequenz aus unserer Aseität, aus unserem Sein „aus uns selbst“, dass keines dieser vielen Wesen auch nur annähernd vollkommen wäre, weil keines die Inhalte der zahllosen übrigen hätte. Daher ja der Monotheismus! In jedem Falle aber braucht die Gottwerdung als Konsequenz, die Descartes zwecks reductio ad absurdum unseres „Seins aus uns selber“ auf jeden Einzelmenschen anwendet, nur für die Gesamtheit des Seins zu gelten; das heißt, der Konsequenz ist schon Genüge getan, wenn nur die Gesamtheit des Seienden ausschließlich in der Person oder Überperson eines anderen, als wir es sind, die Unendlichkeit und Vollkommenheit erreicht, die dem „aus sich Selber“ allerdings entspricht. Es ist eine Unendlichkeit und Vollkommenheit sozusagen „von Anfang an“; in unmittelbarer Terminologie: sie ist zeitlos und „von Ewigkeit her“, sie kennt keine verzögernde, hinhaltende Sukzessivität, mit anderen Worten: sie weiß nichts von dem, was wir in unserer empirischen Schicht als endlose Zeiträume der so genannten „Entwicklung“ kennen. Das „aus sich Selber“, das in jeder Hinsicht nur von sich selber abhängt, macht aus sich alles und jedes genau so und genauso augenblicklich – im zeitlosen Augenblick der Ewigkeit – , wie es das selber will. Und wir Menschen? Sind nur der dynamische Weg zu diesem Ziel; ganz und gar im Sinne der für uns bezeichnenden Existenz: unserer Unvollkommenheit und Fehlerhaftigkeit, unserer Sehnsucht und unseres Versagens; und unseres „ständigen Strebens und Werdens“, von dem Kierkegaard ebenfalls spricht: wir sind es im Sinne der „Innerlichkeit“ und der „Subjektivität“ unseres Willens, die „die Wahrheit ist“, so wie wir die Willens-Subjektivität vorhin analysiert haben. [ Oder ist da, innerhalb der wahren Entwicklung im zeitlosen Augenblick der Ewigkeit, eine höhere Stufe über uns, die die Entwicklung zum vollkommenen Wesen nicht fortsetzen will, weil sie destruktiv ist? Nehmen wir es einmal an – obwohl sich die Destruktivität absurderweise dann gegen sie selber richten würde und obwohl dieselbe Stufe schon wegen der bloßen Fähigkeit zur Vollkommenheit denn auch schon vollkommen wäre. Aber nehmen wir an, es wäre trotzdem so! So gäbe es erstens ja auch dann höhere Wesen oder ein höheres Wesen über uns; das heißt, wir hätten sozusagen, mehr oder weniger, die alten Götter wieder. Darüber hinaus aber brauchten wir selbst dann um die Existenz eines absolut höchsten und vollkommenen Wesens nicht zu fürchten. Denn wir kennen ja zumindest uns Menschen gut genug und wissen sehr genau: Einer von uns hätte längst, schon seit Urzeiten, als erster die Entwicklung fortgesetzt. Bis zum intellektuell und physisch stärksten und mächtigsten Wesen. Nur nicht – das wissen wir ebenfalls ganz genau – bis zum ethisch vollkommenen Wesen; Freunde, der Mann würde uns allen, schließlich und endlich jedem von uns ohne Ausnahme, das Dasein zur Hölle machen. Aber wir erleben es ja: dazu ist es glücklicherweise nicht gekommen, das ganze absurde Wesen bleibt uns erspart. Das Böse und die Übel in der Welt erklären sich schon mit uns selbst und den uns nachgeordneten Wesen, während ein Anderer, Besserer, der aber die Freiheit aller Übrigen respektiert – was nur ohne Wirkursächlichkeit von seiner Seite möglich ist – längst das Rennen im zeitlosen Augenblick der Ewigkeit gemacht hat. ] Wir sprachen soeben von dem Urtatbestand der „Begeisterung“: von dem, was uns keinerlei Mühe macht, was uns die reinste Freude macht, wovon wir mehr als voll und ganz überzeugt sind, was sich mit dem Kern unseres Wesens mehr als deckt, was wir eben „mit Begeisterung“ tun. Und mit der Urkraft der geistigen „Leidenschaft“. Ich denke, wir haben hier genau dieses, und kein anderes Paradigma vor Augen. Und die Einheit alles Seienden, vom untersten bis zum höchsten, macht es auch denkbar, dass wir beide Willenskräfte nicht unbedingt nur von derjenigen Entwicklungsstufe des „aus sich Selber“ her erleben, die wir in Gestalt unseres Menschseins durchlaufen, sondern dass wir auch eine angeborene Ahnung von dem Wesen haben, das seit Ewigkeit das vollkommene und das höchste ist. – Der Gedanke der Entwicklung hat uns Abendländer begeistert; hier haben wir das Urbild der Entwicklung, das zugleich das Urbild der „Begeisterung“ ist. Ich beende hiermit den methodischen Gedankengang und gebe nur noch ein paar Hinweise. Zunächst: vergleichen wir den neuen Gottesgedanken mit dem vorhin erwähnten Kreationismus und dem „Intelligent Design“ seit 1987, dem kruden und dem verfeinerten biblischen oder angeblich biblischen Schöpfungsgedanken! So lässt sich sagen: In der Bibel geht der Gedanke von oben nach unten: Gott schafft den Menschen durch Wirkursache, er determiniert ihn also; der Mensch sonnt sich in dem Gedanken, dass „der Herrgott ihn erschaffen“ hat; und Gott ist für alles Böse und Schlechte, wo auch immer es sich zeigt, allein verantwortlich. Bei uns dagegen geht der Gedanke von unten nach oben; das „aus sich Selber“ durchläuft in einem zeitlosen Augenblick, über Welt und Menschen als Zwischenstufen, den Weg zu einer höchsten, vollkommenen Stufe; „Gott ist unschuldig“; und der ständig strebende Mensch ist jedenfalls verantwortlich und frei. Sodann: wie noch waren wir darauf gekommen? Unter anderem durch den Begriff der „Subjektivität“ bei Kierkegaard, die „die Wahrheit ist.“ Hier ging es nicht um Intellekt, hier musste es sich um die Subjektivität des Willens handeln; die sich als „Sein aus sich selber“ erwies; und als Oberbegriff auch von „Begeisterung“ und „Leidenschaft“. Und so weiter und so fort: von unten nach oben. Es konnte ja auch nicht anders sein – nachdem sich die Bibel-Auslegung, mit ihrer entgegengesetzten Richtung, als unerträglich absurd erwiesen hatte. Nur als absurd? Der wirkursächliche Gott war inzwischen sogar begrifflich ausgeschlossen – weil sich der menschliche Wille und die Welt überhaupt inzwischen nicht nur als „dynamisch“, sondern auch als „aus sich selber“ erwiesen haben. Schließlich, für Kenner von Kant und Schopenhauer: Schopenhauer ist die notwendige Ergänzung zu Kant; mit anderen Worten: der Wille ist das Ding an sich. Soweit das unklar ist, braucht man dafür wieder eine eigene Abhandlung. Dann aber wäre der Kant-Kenner auch ein Kenner von Kants „Kritik der praktischen Vernunft“ – und wüsste, dass diese Vernunft den Willen, das „Ding an sich“, betrifft; und im Willen, dem „Ding an sich“, findet ja alles statt, was wir besprochen haben. Und endlich, zum Schluss: Von oben nach unten! Das bedeutet: Determination, Unfreiheit, Zwang zum Bösen – und Auserwähltheit, die im Himmel und auf Erden vielleicht das größte aller US-Übel ist. Das alles ist so schlecht und minderwertig wie der gegenwärtig von der Wallstreet begünstigte pseudo-naturwissenschaftliche Determinismus. Unsere Wahl sollte sein: von unten nach oben, mit Freiheit, Anstrengung, Verantwortung und „Begeisterung“! Hans Rochol im September
2006. [Anm.d.Ü.: In der vorhergehenden Datei wurden bis einschließlich August 2009
verschiedene kleine Änderungen und zwei etwas größere Ergänzungen,
letztere in roten eckigen Klammern, vorgenommen.]
Es folgt eine vorläufige Ausführung zur systematischen Geschichte des existenziellen Theismus; aus dem Kommentar zu Kierkegaards Philosophischen Bissen 41,28-41 (ab 2.Abs.) Hamburg 1989: (K.=Kierkegaard. C.=Climacus, K.s Pseudonym in den Bissen. Anhang: zur systematischen Geschichte des existenziellen Theismus. (Vorläufiger Text) BA= Der Begriff Angst
von K. Siehe auch unter dem Link KIERKEGAARD auf
der Startseite. © www.rochol.net, September 2003. |