GOTT, FREIHEIT UND UNSTERBLICHKEIT.


Prolog.


Wir haben zu „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ oder richtiger: zu Freiheit, Gott und Fortexistenz nach dem Tod, selbstverständlich noch vieles zu sagen. Aber ich will jetzt eine Zusammenstellung von kleineren Schriften, die zusammen höchstens um die 100 Seiten ausmachen. Dabei ergibt sich für manchen die Frage nach der Vollständigkeit. Heißt es nun: „Vollständigkeit ist dabei selbstverständlich nicht möglich, sie ist auch nicht angestrebt, aber ... “ usw. – so langweilig, wie es geht? Liebe Freunde, ich gehöre zu denen, die nie etwas anderes anstreben als Vollständigkeit; aber dazu genügt oft schon ein guter Satz, ein Aphorismus zum Beispiel, und der Gedanke ist vollständig; je gescheiter jemand ist, desto schneller ist ein Text für ihn vollkommen und abschließend, also vollständig. Allerdings! Freunde, es gibt ein edles Selbstbewusstsein, eine edle Urteilskraft, die sich zutraut, etwas beurteilen zu können; und es gibt auch ein feiges, niederträchtiges Zurückhalten des Urteils. „Aber die Gedankengänge müssen von lückenloser Schlüssigkeit sein.“ Das ja! Ich selbst lege ja auf der Startseite die Ratio als Methode zugrunde; und die Ratio schließt immer Lückenlosigkeit mit ein. Aber es gibt auch ein kleinmütiges Zögern, wenn es darum geht, Schlüsse zu ziehen, oft auf Grund eines Vorlebens, ganze Jahrzehnte hindurch, während dessen man es in herzloser Weise nicht für nötig gehalten hat, sich gewisse Grundbegriffe unserer Existenz etwas klarer zu machen, als alltägliche Bedürfnisse es unbedingt erfordern; und vor allem: als idiotische Vorurteile es zulassen. Und jene Art von Vollständigkeit suche ich nun also auf einer begrenzten Seitenzahl zu erreichen.

Kants Voreiligkeit.

     „Aber Kant sagt, das `Ding an sich´ sei für uns endgültig unerkennbar; und was übrigbleibe, sei nur die empirische Welt: `das fruchtbare Bathos der Erfahrung´, das heißt: deren fruchtbare Niederungen. Also wissen wir gerade über `Gott, Freiheit und Unsterblichkeit´ gar nichts.“ Freunde! Kant war voreilig, sein Genie hatte Mängel. In seiner „Kritik der reinen Vernunft“ untersuchte er alles Mögliche: die „Vernunft“, den „Verstand“, die „reine Anschauung“, die „sinnliche Wahrnehmung“, kurz unsere gesamte intellektuelle Innerlichkeit; denn zu der gehört ja im weitesten und genauesten Sinne auch die sinnliche Wahrnehmung; aber er vergaß den Willen, die andere, die voluntative Seite unserer Innerlichkeit, die ja wohl ganz, ganz sicher mit dazugehört – oder etwa nicht? – und die im Übrigen sogar sehr viel tiefer ist als unsere bloße Intellektualität. In der „Kritik der praktischen Vernunft“ erkannte der Philosoph dann sogar, dass die Ethik in den Bereich des „Dinges an sich“ gehört; und dass dann ja wohl auch der Wille dorthin gehört, der ja der Träger des Ethischen ist; dass das „Ding an sich“ also zumindest weitgehend für uns durchaus erkennbar ist; nur: dieses Mal erkannte er nicht, dass er es erkannte. Es war mit dem großen Mann insofern wirklich etwas hoffnungslos, er musste unbedingt bei dieser seltsamen asketischen Abstraktion bleiben; oder bei dem Glauben, dass er dabei bleibe: wir durften nur erkennende Wesen sein; schließlich war Kant ja ein Gelehrter, ein Philosoph; und bei diesen Leuten geht es ja um den Intellekt. Allerdings! Aber um den Intellekt nur als Mittel und Werkzeug, nicht als einzigen Gegenstand; und wer sagt uns, dass er auch nur der Hauptgegenstand ist?
     Nach dem Intellekt hätte Kant als Nächstes unbedingt den Willen untersuchen müssen. Warum gerade als Nächstes? Weil der Wille, nach dem Intellekt, der einzige andere Aspekt unseres Innern ist; man komme jetzt nicht mit Gemüt, Gefühl, Einsicht, Liebe usw. usf., sie sind samt und sonders nichts anderes als Nuancen jeweils des Intellektes oder des Willens; in das Gefühl teilen sich sogar beide, die intellektuelle und die willentliche (die voluntative) Komponente unsres Innern. Also wäre jetzt der Wille an der Reihe gewesen, und zwar der Wille als solcher, nicht nur der Wille von seiner ethischen Seite her betrachtet; das heißt, nicht nur die Ethik als Hauptgegenstand und der Wille als bloße Implikation und fast schon inkognito, als „Vernunft“, ohne programmatische Nennung, so wie Kant es in der „Kritik der praktischen Vernunft“ macht. Kant hätte dann vermutlich auch entdeckt, dass der Wille reine Energie ist – oder ein anderer hätte es im Anschluss an ihn entdeckt. Später entdeckte die Naturwissenschaft, dass alles in der Natur reine Energie ist; und sie vergaß dabei sogar den Willen, der aber selbstverständlich ebenfalls ein Teil der Natur ist; sie war insofern wie Kant. Reine Energie aber, so sage ich nun wieder, kann nicht anders als „aus sich selber“ sein, denn sonst wäre sie aus anderem, sie hätte dann folglich etwas Passives und wäre keine reine Energie. Es ergibt sich dreierlei; erstens: das „dynamische aus sich selber Seiende“ als Definition des Willens – wir kommen noch auf die Einzelheiten, es geht ja jetzt nur um einen Prolog – zweitens: ergibt sich die Subsumption der gesamten Welt unter diese Definition; das heißt: „Die Welt als Wille“ (wie bei Schopenhauer); und drittens wird sich zeigen, dass der Wille das “Ding an sich“ ist, schon weil wir selbst, gemäß besagter Subsumption, letzten Endes nichts anderes als Wille sind; und das schließt in sich: dass wir unseren Willen, zwar nicht unbedingt theoretisch, aber bei unserem inneren Erleben ganz genau kennen – also als „Ding an sich“ sogar erleben, also viel mehr als erkennen. Schopenhauer hat diese Ergänzung von Kants Philosophie vorgenommen, wenn auch ohne unsere Willensdefinition und überhaupt auf einem anderen Weg, als wir ihn jetzt gegangen sind.
     Was gehört noch dazu, wenn es um „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ geht, oder richtiger: um Freiheit, Gott und Fortexistenz nach dem Tod? Wir haben (im ersten Absatz) indirekt schon gesagt, dass ein klarer Kopf dazugehört. Machen wir es jetzt deutlicher; zum Beispiel darf man nicht, so wie Schopenhauer und sehr viele andere, den Schluss ziehen, ein Gott, wenn es ihn gäbe, müsse uns unbedingt durch Wirkursache geschaffen haben; dann aber wäre unser Wille nicht frei – weil eine Wirkursache immer determiniert, wir kommen noch darauf – also könne es, wenn wir moralisch verantwortlich sein sollten, keinen Gott geben. Wir werden alsbald und unter anderem in den Hauptteilen noch auf das Verhältnis zwischen Wirkursache und Freiheit zu sprechen kommen. Aber eines können wir uns jetzt schon klarmachen: was ist ein Gott, nach unserem gegenwärtigen und darüber hinaus schon sehr lange geltenden Sprachgebrauch? Er ist nicht nur ein höchstes Wesen, sondern in jeder Hinsicht ein absolut vollkommenes Wesen! Gut. Aber wieso muss er uns deshalb aa) durch Wirkursache und bb) trotzdem als freie Wesen geschaffen haben? Frei sein können wir ausschließlich, wenn wir „aus uns selber“ sind – wir gehen auch das noch im Einzelnen durch, mancher wird es aber auch so erkennen – aber wenn wir „aus uns selber“ sind, sind wir nicht durch Wirkursache geschaffen; „die Schaffung eines freien Wesens durch Wirkursache“ ist demnach ein begrifflicher Widerspruch! Wieso in aller Welt aber muss ein vollkommenes Wesen imstande sein, begriffliche Widersprüche zu verwirklichen? Allerdings behauptet die katholische Fundamentaltheologie ganz genau das; natürlich nicht explizit, explizit ist man ja immer sehr weise; aber sie behauptet: Gott habe uns durch Wirkursache (durch causa efficiens) erschaffen und uns „dabei“ „einen freien Willen gegeben“ – wir werden außerdem noch sehen, was es mit diesem „dabei“ und diesem „Geben“ eines freien Willens auf sich hat – aber was in aller Welt geht uns eine Dummheit katholischer Fundamentaltheologen an, die eingeständlich keine Philosophen sind und doch dauernd in den wichtigsten Bereichen herumphilosophieren? Sie hätten sich längst, längst berichtigen können und dann für den Theismus eine unendlich bessere Grundlage gehabt, als es jetzt der Fall ist. Dass sie das nicht getan haben, beruht auf bösem Willen; und zwar auch da, wo es ihnen von den amerikanischen Kreationisten oder Intelligent-Design-Leuten befohlen worden ist. Im Übrigen richte ich mich hiermit nicht an die betreffenden Theologen; ich richte mich nie an Menschen, die versuchen, andere totzuschweigen; oder bei denen die Allgemeinheit längst Gelegenheit hatte zu beobachten, dass sie keine Antwort geben. Ich wende mich nur an die, die von ihnen irregeführt werden könnten. Im Übrigen werde ich zu dem Gesichtspunkt am Ende dieses Prologs noch etwas sehr Konkretes und sehr Greifbares hinzufügen.
     Also, wenn es um Freiheit, Gott und Fortexistenz nach dem Tod geht, gehört ganz allgemein ein klarer Kopf dazu! Unter anderem gegen unentwickelte Begriffe, also zum Beispiel von der Schaffung eines freien Willens durch Wirkursache. Und sogar auch gegen die Erschöpfung, die Übereilung, überhaupt die Schwächen eines großen Philosophen; die schließlich zu verstärktem Schlagwortraunen geführt haben, beinahe schon zu einer verstärkten “Stimme des Volkes“, zu einer verstärkten vox populi der Abturienten oder auch zu einer popularisierten Stufe von Hegels „Weltgeist“: „Ach, wir wissen nichts von diesen Dingen“, nämlich von „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“. Nur eines muss man dabei wissen: der zuletzt genannte Satz, so wie ich ihn gelesen habe, stammt in diesem Fall nicht von einem Gebildeten, dessen Studienräte ihn in ihrer Jugend bei einem mittelbar von Kant beeinflussten Philosophieprofessor in der Vorlesung gehört hätten; ich habe die weise Bemerkung vielmehr als Zitat bei Descartes gelesen; Hegels „Weltgeist“ ist also nicht der Urheber; vielmehr musste sich schon erheblich früher Descartes mit solchen Belehrungen von Seiten aufgeweckter Allerweltsmenschen herumschlagen; am Ende ist es noch das ganze Mittelalter hindurch und überhaupt schon seit eh und je so gewesen. Man hätte sich dann schon damals, spätestens aber ab Descartes, perfekt anachronistisch, auf den Tragflächen von Hegels „Weltgeist“, tragen lassen können und zumindest auf die gesamte große neuzeitliche Philosophie verzichten können – wenn es so gewesen wäre, dass Kant dem Inhalt nach, der Sache nach in Hegel, und nicht etwa in Schopenhauer gemündet wäre. Die große neuzeitliche Philosophie wollte ja gerade die Fragen von „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ lösen, es war ganz spezifisch ihr einmaliges, titanisches Unternehmen – durchaus parallel zur spezifisch abendländischen Technik mit ihrem Ziel, der physischen Befreiung des Menschen. Aber man hat die große neuzeitliche Philosophie nicht zu Ende angehört, man hat sie nicht ausreden lassen; Hegel ist mit seinem endlosen Geschwätz dazwischengekommen. Also weg mit dieser Kantischen Einschränkung auf das „fruchtbare Bathos der Erfahrung“: auf die Niederungen der empirischen Schicht, mit dieser ganzen unbescheidenen, überheblichen, eingebildeten Vernünftigkeit und unechten Bescheidenheit; die so streng zu sein scheint und in Wirklichkeit nur einen Hang zum Banalen hat. Zumal Kant jetzt einen übereilten Schluss gezogen hatte – weil er nach der Prüfung unserer Intellektualität: Vernunft, Verstand, reiner Anschauung und sinnlicher Wahrnehmung, glaubte, alles durchgegangen zu sein, weil auch er, trotz seiner Größe, dem intellektualistischen Gelehrtenstubenaberglauben verhaftet war und gar nicht auf die Idee kam, dass wir mehr als bloße erkennende Wesen sind; dass wir außerdem noch einen Willen haben – den wir dann allerdings auch erkennen sollten. Oder haben wir etwa keinen Willen? „Schon. Aber der Wille ist keine Wissenschaft.“ Wir haben ihn also, brauchen ihn aber nicht zu erkennen. Hier liegt der Hase im Pfeffer! Es soll Dinge geben, die wir vor lauter Wissenschaftlichkeit nicht zu untersuchen brauchen! Unter anderem, weil hier, neben all den kleinen Geistern, auch noch ein großer zwar wusste, dass wir einen Willen haben, aber nicht wusste, dass er es wusste; so dass er den Willen nicht als solchen, nicht programmatisch untersuchte. Und Hegel hat dann so viel geredet, dass man nicht mehr wusste, „worum es ging“, wie Kierkegaard sagt – vor allem, weil Kant, bevor er beim Willen angekommen war, mit seinen direkten Untersuchungen unseres Innern Schluss gemacht hatte.
     Er fragte nicht, völlig gradlinig: Welche Kraft haben wir noch in unserem Inneren, außer der Kraft der Einsicht, des Wissens; mit der Antwort: natürlich die Kraft des Willens. Sondern er fragte, um sein Denken praktisch einzuordnen: „Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Was können wir hoffen?“ Und kam so von der „Kritik der theoretischen Vernunft“ zur „Kritik der praktischen Vernunft“. Das war schon zu praktisch, zu wenig rational, es war eben voreilig.
     Er untersuchte den Willen dann nur noch unter dem Gesichtspunkt des Ethischen, des „Sittengesetzes“ – gemäß „Was sollen wir tun?“ – und obendrein unter dem Inkognito der „Vernunft“ (in der „Kritik der praktischen Vernunft“). Und er untersuchte ihn sodann (in der „Kritik der Urteilskraft“) noch mittelbarer unter dem bloßen Blickwinkel des Ästhetischen, Künstlerischen und des Teleologischen. Aber er untersuchte ihn nicht direkt! Hätte er das getan, so wie Schopenhauer, so hätte er das „Ding an sich“, eben den Willen, im eigenen Innern, als sein eigenes Wesen entdeckt, erlebt, und wäre nicht auf den Gedanken gekommen, das „Ding an sich“ bleibe uns ewig verschlossen und nur „Erscheinungen“ oder „Vorstellungen“ wären für uns erkennbar. Den Willen „als sein eigenes Wesen erlebt“? Ja selbstverständlich, nach der soeben gehabten Subsumption der Welt „als Wille“, nämlich als reiner Energie; oder gehören wir etwa nicht zur Welt? Aber da Kant den Willen nicht als volle Realität akzeptierte, ihn „nicht für voll nahm“ – die Mehrheit tut es heute noch nicht, die besonders Intellektuellen faseln immer noch ausschließlich vom „Bewusstsein“ – und da in uns außer Intellekt und Willen mit all ihren zahllosen Nuancen nichts ist, so erlebte Kant die menschliche Intellektualität in der Hauptsache, primär, in erster Hinsicht, als etwas, das auf die Welt außerhalb von uns gerichtet ist; und dann allerdings kommt man schon auf den Gedanken, dass uns der Intellekt nur „Erscheinungen“ oder „Vorstellungen“ liefere.
    Wie gesagt, Schopenhauer holte die Willensphilosophie im Wesentlichen nach – und erwies sich dadurch als ebenso genial wie Kant. Allerdings rannte er dabei erstens, wie schon gesagt, in die Sackgasse des vorhin angedeuteten Atheismus, indem er voraussetzte, wenn schon ein Gott, dann hätte er uns und die übrige Welt unbedingt durch Wirkursache schaffen müssen – man fragt sich, warum nur? – und uns folglich restlos determiniert; was Schopenhauer nicht akzeptieren wollte; und was auch nicht zutrifft, wie wir sehen werden und zum Teil schon gesehen haben, in Gestalt des „aus sich Selber“ unseres Willens. Und zweitens kam Schopenhauer auch nicht zu der besagten Begrifflichkeit der Willensdefinition des „dynamischen aus sich selber Seienden“, zusammen mit den übrigen, von dieser Formulierung implizierten Begriffen, mit denen wir in den drei Hauptteilen arbeiten wollen.
    Und strengen wir uns nun an – in den Untersuchungen, die auf diesen Prolog folgen! Oder ziehen wir es vor zu schwafeln? Dem Geschwafel in diesen Dingen entspricht die Verzweiflung! Überlegen wir zum Beispiel, angesichts des „aus sich Selber“, nur einmal Folgendes: Wie unmöglich es wäre, wenn alles „aus anderem“ wäre, jedes „andere“ wieder „aus anderem“, und so weiter, bis ins Unendliche! Und die einzige Alternative? Das „Sein aus sich selber“, und damit die Rechtfertigung dieses Begriffes! – obwohl wir dafür wahrhaftig auch noch andere Gründe haben, wir werden es sehen! Und haben es schon gesehen: in Gestalt der Dynamik, der allumfassenden „reinen Energie“. Und so fort. Und wie gesagt, ziehen wir im Folgenden – im Hauptteil – aus diesen sämtlichen Begriffen wirkliche, schlüssige Konsequenzen!
    Die menschliche Willensfreiheit liegt ja im „aus sich Selber“, genau genommen, schon ausreichend zutage. Und der Weg vom „aus sich Selber“ zu Gott, dem vollkommenen Wesen, ist nicht weit; denken wir nur an „aus sich selber“ und an Vollkommenheit! – wenn dabei auch eine ganz bestimmte, von Descartes zwar gesehene, aber von ihm noch nicht genommene Hürde gemeistert werden muss – die aber bis ins Letzte glasklar gemeistert werden kann, wir werden auch das sehen. Und unsere Fortexistenz nach dem Tode, sollte sie nicht noch viel leichter dem „aus sich Selber“ zu entnehmen sein? Allerdings auch das wieder mit einer Hürde – die aber genommen werden wird.
     Überhaupt, glauben wir denn, echte Philosophie wäre nicht möglich? Oder – um einen kläglichen Unterschied zu machen – sie bestehe in der Einsicht, dass echte Philosophie nicht möglich wäre? Und obendrein: dass sie denen nicht möglich wäre, die selbst die freien Wesen sind, aus deren Freiheit, nämlich aus deren „aus sich Selber“, sich zugleich auf Gott und auf unsere Fortexistenz schließen lässt? Die Grundbegriffe unserer Existenz ließen sich nicht klären? Es gäbe nur das inzwischen üblich gewordene Bildungsgerede, aus dem Fernsehen und viertklassigen Buchproduktionen? Zum Beispiel von der Art: „der Gott der Theologen“ sei „etwas anderes als der Gott der Philosophen“; soll es von vornherein nur noch solche „phänomenologischen“ Weisheiten geben, solche Schulstubenweisheiten, mit ganz bewusstem Verzicht auf jede objektive Erkenntnis der Gegenstände? Oder – noch schlimmer – soll es nur grobe Pfaffenlist geben, zum Beispiel: mit der „Freiheit des Glaubens“ sei gemeint, dass wir das Dasein Gottes nicht ausreichend begründen könnten – ja, dann macht mal schön Gebrauch von der „Freiheit des Glaubens“, die euch der Pfaffe mit Römerkragen im Fernsehen vorschwätzt! Der Römerkragen ist ja der Beweis „zum Anfassen“ dafür, dass der Mann „seriös“ ist.
     Wie seltsam wäre es, wenn ausgerechnet das, was in und durch und von uns selber ist, uns vollständig und ewig verschlossen wäre, wenn es hier keine klaren begrifflichen Grundrisse und keine überzeugenden Schlussfolgerungen gäbe!

„Die Moderne.“

Doch nun ist da noch so ein dümmliches, geistloses Schlagwort; in den schlimmsten Fällen spricht der Betreffende es nicht einmal aus, auch bei sich selber nicht; er kennt oder spürt auf Grund anderer Schlagwörter die heimliche Verpöntheit seines Schlagwortes, aber er ist unehrlich genug, es unausgesprochen zugrunde zu legen; er will von ihm zwar Gebrauch machen, aber er will keine Rechenschaft darüber geben; das heißt, er ist fast schon unheilbar. Es handelt sich bei dem Schlagwort um das „Moderne“, um „die Moderne“.
    Widerspricht „die Moderne“ dem Gedanken und dem Geist von Freiheit, Gott und Fortexistenz nach dem Tod?
    „Die Welt“ schreibt (am 19.11.07 auf Seite 7) unter dem Titel ZWEIFEL AN DER MODERNE   Verachtung jedweder Tradition, Gender-Mainstreaming, Plattenbauten, industrieller Massenmord – Viele Erscheinungsformen der Moderne werfen grundsätzliche Fragen nach deren Legitimation und Humanität auf, unter diesem Titel also schreibt „Die Welt“ unter anderem :
     In Dresden findet die Abstimmung über die Moderne mit den Füßen statt. Seit sich die Dresdner entschlossen haben, den Neuen Markt rund um die Frauenkirche wiedererstehen zu lassen, wandern Heerscharen von Einheimischen und Touristen an Häusern vorbei, die den Ideen des Bauhauses Hohn sprechen: Vor moderne, industriell gefertigte Betonkerne werden ebensolche Fassaden gehängt, die – nach alten Vorlagen gegossen – dem von Bomben zerstörten Neuen Markt seine auf Canalettos Bildern festgehaltene Gestalt zurückgeben.
     Für die Anhänger der Charta von Athen, die Ästheten der Sachlichkeit und der baukünstlerischen Wahrheit ein Gräuel. Denn nichts stimmt hier, Material, Fertigungsweise und barocke Formen widersprechen sich, schließen einander aus. Doch die Menschen fühlen sich unwiderstehlich von der alten Formensprache angezogen und übersehen gern das allzu Neue, Glatte, den Mangel an Tradition und Patina. Und wie in das alt-neue Dresden strömten die Menschen in Peter Steins „Wallenstein“, reines Texttheater ohne alle Regiemätzchen. Das Stück war immer ausverkauft, und Dresdens neuer Freiluftsalon ist immer voller Menschen. Und auf einmal ist es für die Besucher hier wie dort auch ohne Bedeutung, dass „fortschrittliche“ Intellektuelle aller Richtungen über beides den Kopf schütteln, auf das vorgeblich Falsche, Antimoderne verweisen und von Kulissenarchitektur und Abspieltheater sprechen. Das erste Mal beginnt die Deutungshoheit der Modernisten zu wanken, wirken ihre Einwände formelhaft und phantasielos.
     Was ist der Kern der Sache? Es sind die „Ideen des Bauhauses“, das „Ästhetische der Sachlichkeit“, die „baukünstlerische Wahrheit“, „Material und Fertigungsweise“ auf der einen Seite und die „barocken Formen“ auf der anderen, die sich angeblich „widersprechen“ oder „einander ausschließen“, und es sind weiter: die „Fortschrittlich“keit, das „Falsche“, das “Antimoderne“, also durchweg Ideale – oder Gegenbilder von Idealen – , die erstens neu sind, statt ewig-menschlich, und die zweitens ihre Rechtfertigung durchaus nicht in sich tragen und deshalb auch nicht aus sich deutlich machen. Das „Ästhetische“ muss nicht unbedingt in „Sachlichkeit“ bestehen oder in den „Ideen des Bauhauses“; so dass niemand das Recht hat, eine Ästhetik der Sachlichkeit oder des Bauhauses zu fordern. „Baukünstlerische Wahrheit“ ist gegeben, wenn ein Bau statisch richtig ist; alles andere an dem Begriff ist Quatsch auf Kothurnen; ebenso der angebliche „Widerspruch“ der „Material- und Fertigungsweise“ zu den „barocken Formen“, offensichtlich widersprechen sie sich nicht, sondern bestehen ganz friedlich und unmittelbar nebeneinander. Ich weiß, dass ich fünfundfünfzigjährige Backfische mit einer solchen Denkweise in atemlose pädagogische Ratlosigkeit versetze; aber man kann auch zuviel Rücksicht nehmen; was sollen diese ewigen, ganz offensichtlich unrichtigen pseudointellektuellen Behauptungen? Sie sind pseudointellektuell, weil sie offensichtlich unrichtig sind; auch das akzeptiert man, natürlich ohne es auszusprechen! Dasselbe gilt für das „Falsche“: Amerikanische und englische Bomber haben völlig bewusst herrliche Werke der Baukunst zerstört – vom ebenso bewussten Genozid ganz abgesehen - eine Wiederherstellung mit allen Innenwänden ist untunlich, aber etwas ist besser als gar nichts, also stellt man wenigstens die Fassaden wieder her. Was gibt es denn da für einen Grund, sich wichtig zu tun? Und „Fortschrittlichkeit“? Sie setzt voraus, dass es auf dem Gebiet der großen Kunst von früheren Jahrhunderten her bis in unsere Zeit einen Fortschritt gibt, der folgerichtig auch nach uns fortgesetzt wird. Dummer und lächerlicher geht es nicht, mehr sagt man nicht dazu. Und schließlich „antimodern“! Es setzt dumm und frech voraus, dass die Moderne auf allen Gebieten Recht hat; jeder Mensch, der noch ganz gescheit ist, weigert sich, das zu kommentieren. Für „die Moderne“ gilt, soviel sich bis jetzt gezeigt hat: dass sie einerseits neu ist und den Anspruch erhebt, besser zu sein als alles, was vor ihr war; dass aber andererseits ein Vorrecht „der Moderne“ vor anderen Geistesrichtungen nicht bewiesen ist.
     Die abendländische Technik, mit ihrer ganz spezifischen Eroberung und Nutzung zahlreicher riesiger, bis dahin völlig unbekannter Kraft- und Antriebsbereiche, ist ebenfalls neu. Aber sie trägt ihre Rechtfertigung in sich; es wird keinem Narren gelingen, die Menschheit von ihr abzubringen, abgesehen einmal von ganz besonders gearteten Minderheiten. Und die begriffliche Abgrenzung? „Abusu usus non tollitur“ „Durch Missbrauch wird der Gebrauch nicht unzulässig“. Allenfalls wird es minderwertigen Subjekten gelingen, den technisch schöpferischen Menschen und auf diesem Wege schließlich auch die Technik selber abzuschaffen; die Menschheit ist ja fast immer in tödlicher Gefahr – findet man das im Übrigen beruhigend? – . Anders also mit der „Moderne“; sie ist zwar neu, aber ohne Rechtfertigung. Machen wir diesen zuletzt genannten, besonders wesentlichen Punkt gerade jetzt zum Schluss noch deutlicher. Ein Vorrecht „der Moderne“ ist nämlich nicht nur nicht bewiesen, sondern es steht fest, dass sie Unrecht hat; die Leute in Dresden, die die alten Fassaden vorziehen, brauchen sich nur auf etwas ganz Unbestreitbares, All- und Altbekanntes, Ewig-Menschliches zu berufen: nämlich auf den Schönheitssinn, den Kunstsinn. Bilden die Fortschritts-Apostel sich ein, dass Plattenbauten und öde Fassaden ein Gewinn sind? Ihr werdet lachen, sie bilden es sich tatsächlich ein! Das ist jedoch kein Grund, sich um sie zu kümmern.
    Aber was hat das alles mit „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ zu tun? Einem Menschen mit umfassendem geistesgeschichtlichen Sinn würde ich zunächst antworten: Plattenbauten, öde Fassaden u.ä. sind atheistischer Baustil, so wie z.B. Gothik und Barock theistischer Stil sind; aber die meisten werden es vorziehen, rational und Schritt für Schritt vorzugehen und dabei nur vorauszusetzen, dass die Zuhörer gescheit sind.
     Suchen wir also zuerst „die Moderne“ einigermaßen als Ganzes in den Blick zu bekommen! Was hat der „moderne Mensch“ als solcher in den letzten zweieinhalb Jahrhunderten angestrebt, was hat er eigentlich und wirklich gewollt? Er wollte den „alten Adam“, so wie er uralter Menschheitserfahrung entspricht, mit seiner durchaus ursprünglichen, ursprunghaften, unendlich tiefsitzenden moralischen und sonstigen Fehlerhaftigkeit, mit dem, was die Kirche „Erbsünde“ „peccatum originale“ genannt hat, diesen alten Adam also wollte er nicht als unabänderlich gelten lassen; und er wollte ihn auch nicht der Veränderung durch Gott, durch übernatürliche Vorgänge überlassen; sondern er wollte ihn aus eigener, rein diesseitiger Kraft, unter „Verachtung sämtlicher Traditionen und jahrhundertealter Erfahrung“, ohne die bisherige Geschichte zu berücksichtigen, oder in entschiedener Abkehr von dieser Geschichte und von den „gewachsenen Strukturen des Lebens und des Glaubens“, von „Altersweisheit und Lebensklugheit“ – also losgelöst von all dem wollte er den alten Adam durch einen „neuen“, durch „den neuen Menschen“ ersetzen. „Der neue Mensch“, das war das leidenschaftlichste, und zugleich das oberflächlichste und absurdeste, aber jedenfalls das zentrale Schlagwort „der Moderne“ – das aber dennoch von all den vielen Narren in der Welt mit derjenigen Andacht und Ehrerbietung angehört wird, die diese Narren allen offiziell und lärmend hinausposaunten Parolen zollen.
     Wieso das absurdeste? „Der Mensch zeugt und gebiert den Menschen“ „Homo generat hominem“; ich habe noch nie erlebt, dass er ihn macht; ich glaube auch nicht, dass andere das erlebt haben. Ich habe nur idiotische Versuche erlebt, ihn durch Erziehung zu machen, nachdem er durch „homo generat hominem“ schon vorher fix und fertig war; was ist da zu erwarten? Glauben wir, Babys oder Kleinkinder wären keine ganzen Menschen, also keine fertigen und abgeschlossenen Menschen – die sich, allenfalls unter Mithilfe von Eltern und Lehrern, nur noch entwickeln, entfalten, sonst nichts?
     Oder wir haben erlebt, dass man den Menschen durch Klonen angeblich „machen“ wollte; was entweder nur vorgetäuscht war, auch schon als bloßer Versuch, oder allenfalls ein Organ erbringt, auf keinen Fall einen neuen und besseren Menschen. Zwischen Klonen und Züchten ist überdies kein prinzipieller Unterschied; Klonen bedeutet ebenso wenig wie Züchten, dass man den Menschen „macht“; der eine Vorgang ist geschlechtlich, der andere geschlechtslos; in beiden Fällen jedoch setzt man lediglich die Vorbedingungen dafür, die das Wesen verlangt, das „aus sich selber“ in unsere Welt treten soll. Will man den Menschen besonders zweckmäßig klonen? Dann kann man ihn auch gleich züchten, à la Platon in der Schrift über den „Staat“ oder die „Politeia“, wie man weiß. Das ist grundsätzlich nicht rassistischer als, ihn zu klonen; der primitivste Rassismus auf dem Gebiet war der Gedanke, Nobelpreisträger zu klonen!
    Über alle diese Dinge hinaus aber suchte der „moderne“ Mensch seinen Willen auch im Großen, im Politischen zu verwirklichen. Zum Beispiel durch so etwas wie die französische Revolution und den sich anschließenden jakobinischen Massenmord, „La Terreur“! Oder durch die Bolschewisierung Osteuropas und die damit verbundenen Massenmorde. Sowie durch die amerikanische Revolution von 1776, die jenen beiden und allen anderen Umwälzungen, als noch größeres Übel, heimlich und verdeckt zugrunde lag, mit ihrem Gleichheitswahn, und zugleich in praktischer, tatsächlicher Verbindung mit einem der größten Genozide der Geschichte, der Ausrottung sämtlicher Indianer auf dem Gebiet der USA, einer ganzen Rasse, bis auf wenige heruntergekommene Ureinwohner in den sogenannten Reservaten. Worauf bis heute noch die massenmörderischesten Kriege und Völkermordhandlungen gefolgt sind – von dem vollendeten Völkermord an den Hawaianern abgesehen. Wir sehen an allen drei Beispielen: Erziehung, im ideologischen Sinne, und Mord gehören zusammen; beide akzeptieren nicht die Natur des Menschen; anders als erziehende Eltern und Lehrer, die sehr wohl die Natur und, völlig zu Recht, nur nicht die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen als abgeschlossen betrachten.
    Etwas allgemeiner, etwas entfernter vom Kern der Sache, bedeutet die Ideologie „der Moderne“, je nachdem ob man mehr politisch, oder mehr pädagogisch, oder mehr soziologisch dachte: „Innovation“ und „Fantasie“, selbstverständlich ohne wirkliche Erfolge; dazu gehörten auch: total abstrakte, angeblich rationale Gesellschaftsentwürfe, die Berufung auf „die Menschheit“, gegen die Unvollkommenheiten „des Menschen“, eine „abstrakte Freiheit, die sich nicht in Institutionen zur Sicherung der Freiheit des Einzelnen verwirklicht“; wie überhaupt: „gesellschaftliche Entwürfe vom Reißbrett“, eine Staatsräson, „die den Staatszweck losgelöst von den Menschen definiert“; und – um noch einmal wieder auf einen einzelnen Punkt zu kommen – „die Moderne“ schloss und schließt, als allerabsurdesten Versuch, die Idee mit ein, den Unterschied zwischen Mann und Frau aufzuheben.
    Wie verhalten sich zu diesem Konzept die Dresdener auf dem Neuen Markt rund um die Frauenkirche, mit ihrem Kunstsinn, mit ihrem Schönheitssinn, mit ihrer Ablehnung „der Moderne“ und ihrer öden Fassaden, ihrer Plattenbauten? Antwort: der „alte Adam“ hat Kunstsinn und Schönheitssinn. Der „moderne Mensch“ dagegen mit seiner ewigen „Innovation“, seinen abstrakten Gesellschaftsentwürfen vom Reißbrett, seiner abstrakten Freiheit losgelöst vom einzelnen Menschen, ist nur ein noch zusätzlich verschlechterter „alter Adam“. Hatten wir etwas anderes erwartet?
     Es kommt zum zentralen Gedanken „der Moderne“ ein zweiter Punkt hinzu: die Idee, dass diese gesamte Verbesserung des alten Adam, moralisch wie auch geistig und intellektuell – die physischen Kräfte übersieht man bei dieser Kopfgeburt – durch einen kontinuierlichen historischen Prozess von selbst und ohne solche menschlichen Versuche zustande komme, wie wir sie jetzt skizziert haben; die gesamte umfassende Menschheitsgeschichte schlechthin soll einen solchen, ebenso umfassenden kontinuierlichen Prozess bedeuten, der überdies für alle Menschen auf Erden gleichmäßig verläuft – in Klammern und als Hintergedanke: soweit sie überhaupt zählen – ; „alle Menschen sind“ ja „gleich“ – mit dem genannten Hintergedanken – . Wir wissen schon, es ist das, was man „den Fortschritt“ nennt; es ist der Fortschritt als Grundlage der „Modernität“; im Übrigen mit den ungeheuerlichsten stillschweigenden Voraussetzungen – wenn auch der Höhepunkt des kollektiven Wahns inzwischen überschritten sein könnte – : „Wenn alles andere gleich ist“ „ceteris paribus“ sind wir heute klüger oder intelligenter als die Menschen zur Zeit Newtons, erst recht als die Zeitgenossen Ciceros und Caesars, und das, wie schon gesagt und wohlgemerkt, für alle Weltgegenden völlig gleichmäßig – soweit man an diese Weltgegenden gedacht hat, Ideologen denken nicht an alles; aber „alle Menschen sind gleich“. Sehr viele Menschen haben haargenau diesen Forschrittsgedanken immer für etwas völlig Normales, wenn auch „Neues“ und „Modernes“ gehalten, durchaus nicht für Spintisiererei, für etwas Lächerliches oder absolut Wirklichkeitsfremdes – ohne darüber nachzudenken, worauf sich der Fortschritt gründen soll.
     Sobald man das aber tut, sieht man, die jetzt gekennzeichnete und zumindest bis vor Kurzem weitverbreitet gewesene Idee ist aa) weder mit Darwins Entwicklung oder mit parallelen Gedanken identisch; noch ist sie es bb) mit der Entwicklung innerhalb der jeweiligen Hochkulturen – die auf die Entwicklung des jeweiligen kulturellen Einzelgebietes begrenzt ist, die nur in einer Summierung von dessen Ergebnissen besteht und die auch wieder verloren gehen kann. Darwinistisch betrachtet, oder parallel dazu auch im Sinne des Lebensbaumes mit seinen zahllosen Spezies und Familien, sind wir in Wahrheit, auch mikroskopisch betrachtet, heute nicht weiter als Caesar und seine Zeitgenossen, als Hermann der Cherusker, als Perikles und Themistokles. Und was die Entwicklung innerhalb der jeweiligen Hochkulturen angeht, so weiß ein heutiger Fachmann normalerweise zwar mehr als Newton, als Kepler, als Galilei, aber er ist nicht aus diesem Grund genial, wie sie es waren, geschweige denn, noch genialer; es existieren auch nicht aus dem Grund in unserer Zeit mehr Genies als in jenen früheren Jahrhunderten – obwohl nicht nur dumme Jungen oder Gänslein in der akademischen Welt in aller Stille auch zu diesem Irrweg im Denken neigen. Und die spezifisch abendländische Technik als Ganzes betrachtet, von der wir schon sprachen, ist nichts als ein einmaliges Ereignis – ohne jede Anbahnung in anderen Kulturen und, so oder so verstanden, auch in unserer eigenen Kultur, ohne jede vorhergehende oder auch nur vorbereitende Steigerung – ; sie gehört vorhin zu bb) zur Entwicklung innerhalb einer bestimmten Hochkultur, natürlich der unseren; sie entwickelt sich bestenfalls innerhalb ihres eigenen Bereiches ungehindert weiter, soweit es menschenmöglich ist; und sie hat darüber hinaus nichts mit einer Entwicklung, geschweige denn mit einer biologischen Entwicklung der geschätzten „Menschheit“ zu tun. Und das Ergebnis? Der Fortschrittsgedanke, der die Modernität untermauern würde, wenn er zuträfe, und der deren Exaltiertheit genau angepasst ist, bedeutet nichts als eine willkürliche Übersteigerung und falsche Vergeistigung der beiden einzigen Entwicklungen, die es wirklich gibt und die wir gerade skizziert haben – eine weitergedachte Form ohne jede Begründung und ohne jeden Anhaltspunkt in der Wirklichkeit.
    Soweit das, was der moderne Mensch angestrebt und gewollt hat und wie er versucht hat, diesen Willen zu verwirklichen – und wie er, in Gestalt der USA und ihrer fixen Ideen, ihn auch jetzt noch zu verwirklichen sucht.
    Und der Erfolg? Natürlich hat sich der Gedanke des allgemeinen automatischen Fortschritts der Menschheit nicht bewährt.
    Und wie ist es mit der Änderung des alten Adam durch menschliche Bemühungen, mit seiner Ersetzung durch den „neuen Menschen“, die ja allenfalls eine Umwandlung in den „neuen Menschen“ hätte sein können? Denn einen „neuen Menschen“ von vornherein zeugen oder gebären konnte man ja schon einmal nicht. Die diesseitige, rein menschliche Kraft sollte ja genügen; und man hatte nur „alte Adame“ und konnte deshalb auch nur weitere kleine „alte Adame“ zeugen. Es blieb, im wesentlichen und weitesten Sinne, nur die „Erziehung“, die berühmt-berüchtigte pädagogische und militärisch-pädagogische Anmaßung. Wie also war es mit der „Erziehung“ des „alten Adam“ zum „neuen Menschen“? Mit der „Erziehung“, diesem zweiten zentralen, und natürlich auch wieder hässlichen, arroganten, vor allem aber wirklichkeitsfremden Hauptschlagwort „der Moderne“! Freunde, ich glaube nicht, dass ein schon vorhandener „neuer Mensch“ – was auch immer darunter zu verstehen ist – imstande gewesen wäre, einen kleinen „alten Adam“ zu einem „neuen Menschen“ „umzuerziehen“ (wir Deutschen kennen auch diesen überheblichen und beschränkten Begriff); aber wir brauchen uns gar nicht auf eine solche Frage einzulassen. Denn es steht ja von vornherein fest: der erste abzuändernde kleine „alte Adam“ musste auf jeden Fall von einem anderen, ebenfalls „alten Adam“ zu dem herrlichen, strahlenden „neuen Menschen“ erzogen werden, wie man ihn sich dachte – auch Nietzsche hat übrigens bei dieser Spintisiererei unendlich vieles zu verantworten.
     Ist da einer, dem das „zu rational“ vorkommt? Freund, wenn das bei dir so sein sollte, dann bist du wohl etwas verbildet. In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war es geradezu Mode, dass man auf keinen Fall „zu rational“ sein durfte; man war dann gleich aus dem Kreis der Erlauchten ausgeschlossen, man „hatte es dann nicht verstanden“; die Modebegabung musste etwas „erspüren“; das eigentliche Lob war „Das ist gut empfunden“, nicht etwa: gut gedacht. – Es gibt nicht nur eine Kleidermode, nicht nur Modewörter, es gibt auch geistige Moden, übrigens auch medizinische. Und in weltanschaulichen Fragen jedenfalls ist das modische Erfordernis der Irrationalität heute noch allbeherrschend. Gerade damit müssen wir uns in diesem Prolog ja auseinandersetzen; und gerade dieses Vorurteil hat die verheerendsten Folgen, richtig besehen: bis zur stillen, inneren, kaum ausgesprochenen, aber ununterbrochen nagenden Verzweiflung, in Gestalt ewiger Unsicherheit über die wichtigsten Fragen, die uns als Menschen, betreffen – die in die Welt eintreten und sie wieder verlassen.
     Also:    sowohl die Idee des „neuen Menschen“ wie auch die wieder einmal „wissenschaftlichen“ Methoden seiner Schöpfung durch Erziehung stammten ausnahmslos von lauter „alten Adamen“, und von ihnen mussten sie auch angewandt werden; es gibt ja keine anderen Menschen. Woher nun aber sollten gerade sie die Idee des „neuen Menschen“ geschöpft haben und erfolgreich handhaben? Aus ihrer teils bewussten, größtenteils aber unbewussten Dynamik? Also aus ihrem Willen, ihrem Charakter, ihrem „aus sich Selber“? Der Menschenkenner weiß: gerade das ist am allerallerwenigsten zu erwarten; vielleicht könnte uns ein Komiker, oder ein Schopenhauer, sagen wir, ein Wilhelm Busch – er schätzte Schopenhauer – diese Wahrheit am besten beibringen. Oder sollte die Idee vom „neuen Menschen“, ich meine, eine wahre und wirklich zutreffende Idee über ihn, aus seinem Intellekt, aus seinem Kopf entsprungen sein? Freunde, im Kopf des „alten Adam“ ist in dieser Hinsicht nichts, was nicht vorher in seinem Willen, seinem Charakter, gewesen wäre, und dann wissen wir ja Bescheid; wir wissen doch, wie es beim Menschen in dieser Hinsicht ist.
     Waren die bolschewistischen Funktionäre geeignet, durch „Erziehung“ „den neuen Menschen“ zu schaffen? Wir wissen genau, sie waren die Letzten, die sich dafür eigneten. Wundert sich noch jemand, dass der marxistische Versuch der Hochfinanz gründlich gescheitert ist? Denn, dass er das ist, steht ja inzwischen felsenfest, so dass es fast schon gleichgültig ist, warum er es ist. Eine endlos lange Zeit, eine völlig unangemessen lange Zeit hindurch musste die russische Menschheit der Unfähigkeit und Inkompetenz der Hochfinanz und ihrer Marxisten für deren qualvolle und sinnlose Experimente zur Verfügung stehen, bis die Eigenliebe der Hochfinanz, trotz deren intellektueller Begrenztheit, die Erkenntnis zuließ, dass die Sache aufgegeben werden musste.
     Oder waren die Jakobiner mit der Guillotine besonders gut in diesem Punkt, der Verbesserung des „alten Adam“ mit rein diesseitigen Mitteln? Die Antwort erübrigt sich; die Franzosen haben den einen Vorteil, sie haben es kurz gemacht.
     Oder sind etwa die Yankees mit ihrer Heuchelei, ihrem Gleichheitsgrundsatz, die Wahren, die Besten? Sie sind die Allerschlimmsten; sie haben eine ganze Rasse umgebracht, unter dem Vorwand, eine Nation mit menschenwürdigem Dasein schaffen zu müssen, nur um den Boden nach dem Rassengenozid ausschließlich für sich allein zu haben; sie wollten nicht durch Ureinwohner gestört werden. Das ist das, was sie wirklich unter Gleichheit verstehen; denn wir müssen eines begreifen:    säkularisierte Weltverbesserungsrezepte haben viele Eigenschaften, von denen jede für sich allein Grund genug ist, sie von vornherein und unbesehen auf den Kehrichthaufen zu werfen; und eine dieser Eigenschaften ist, dass die, die diese Rezepte hauptamtlich zu vertreten beanspruchen, deren Grundsätze in Wahrheit gar nicht teilen. Im Übrigen konnten Kultur und Zivilisation der durch Genozid aus dem Weg zu Räumenden so hoch sein, wie sie wollten; die selber ganz und gar unschöpferischen, Patente stehlenden US-Amerikaner machten dann eben genügend lange Propaganda; auf die Dauer kann man ja, wenn man nur Geld genug hat, in den Augen der Welt jeden Unsinn durch journalistische Schmierfinken und politische Lakaien mit Scheinargumenten versehen. Gegen uns haben die Yankees, von Anfang an – ganz eindeutig schon vor Auschwitz – sogar schriftliche Völkermordrezepte geschaffen; die wichtigsten Verfasser hießen Hooton, Kaufman, Morgenthau und Nizer; die moralisch einzigartig hochstehende „moderne“ Nation hat diese Pläne öffentlich und mit Begeisterung diskutiert; sie sucht im Augenblick den ersten von ihnen, den Überfremdungsplan Hootons, in geänderter Gestalt zu verwirklichen. Und das allein, weil sie glaubt, das deutsche Wesen stehe der absoluten Welttyrannei im Weg, nach der sie strebt. Deswegen hasst sie das deutsche Wesen mehr als alles andere auf der Welt, oder ist uns das noch nicht aufgefallen? Zieht dieses Mal nur den einen Punkt in Betracht: die USA behandeln in ihren Schulen von der gesamten tausendjährigen deutschen Geschichte nur die Jahre von 1933-45, und auch die in entstellter Form, u.a. mit der kindischen Lüge, wir hätten den Plan gefasst, die Vereinigten Staaten zu erobern. Ihre deutschen Lakaien, weniger ihre eigene falsche Freundlichkeit, tragen den Hass und dessen Konsequenzen an uns heran. – Ein Sprichwort sagt: „Der Mensch ist ein Raubtier, und die Pfaffen und die Weiber sind die Schlimmsten.“ Dagegen hat ein bedeutender Mann gesagt, bei den Geistlichen – er meinte zumindest die katholischen – sei das Verhältnis zwischen Gut und Böse günstiger als bei den übrigen Menschen. Gut, sagen wir einmal: das Sprichwort hat so viele Ausnahmen, dass es nur „cum grano salis“ gilt, nur mit einem „Körnchen Wahrheit“. Aber eines ist ganz, ganz sicher: die säkularisierten Pfaffen, nämlich die Yankees mit ihren geheiligten Grundsätzen und mit ihrer Kitschreligion fürs Volk, sind mit absoluter Sicherheit die Schlimmsten; kein Pfaffe ist so säkularisiert wie der US-Mensch; und keiner ist so schlecht wie er.
     Fassen wir die größeren politischen Systeme „der Moderne“, die wir jetzt gerade durchgegangen sind, noch einmal ins Auge, so stellen wir fest, dass das amerikanische System, hervorgegangen aus der Revolution von 1776, das eigentliche, ursprüngliche, ihren Urhebern wirklich auf den Leib geschnittene, wirklich aus ihrem Innern hervorgegangene System modernen Geistes ist; wir haben ja gesagt, was moderner Geist ist: nämlich aa) das zusammenphantasierte Versprechen der Umschaffung des „alten Adam“ in „den neuen Menschen“, auf rein diesseitigem Wege, und so denn auch durch lauter „alte Adame“; sowie bb) parallel dazu, alternativ, kumulativ, vermischt oder sonst in irgendeinem unklaren Verhältnis dazu: der noch utopischere, durch nichts und aber nichts begründete Fortschrittsglaube, wonach die Umschaffung in den „neuen Menschen“ stetig, kontinuierlich, gleichmäßig in allen Weltgegenden – soweit sie für moderne Menschen zählen - und vor allem ganz von selbst und ohne menschliche Mitwirkung, aber ebenso gut auch ohne Hilfe von oben zustande kommt. Und zwar durch ein ohne weiteres als real angenommenes Naturgesetz, das aber von keiner der uns bekannten naturwissenschaftlichen Disziplinen festgestellt und bearbeitet worden ist. „Ganz von selbst und ohne göttliches oder menschliches Zutun“ verläuft bei all dem, in der Kinderphantasie oder der Halbwüchsigenphantasie der betreffenden Erwachsenen, der allgemeine, gleiche und kontinuierliche „Fortschritt“, als bloße Steigerung und Übersteigerung, wie gesagt, als eine Art falscher, absolut unvernünftiger Vergeistigung, des modernen Grundgedankens: „auf rein diesseitigem Wege und nur durch menschliches Wirken“.
     Dem russischen Menschen, der sehr weitgehend mit ganz anderen, inneren Vorgängen beschäftigt ist und deswegen viel zu geduldig ist, hat man diesen Gipfel menschlicher Dummheit und Schlechtigkeit von außen aufoktroyiert; für den, der das nicht weiß, ist es sehr leicht, sich zu informieren. Dementsprechend war die Sache auch nur vorübergehend, die Russen haben sie inzwischen abgetan – und könnten, zu Nutz und Frommen der übrigen Welt, unendlich viel daraus gelernt haben.
     Ähnlich war es sehr weitgehend 1789 in Frankreich, was die Beeinflussung von außen betrifft; nur mit dem Unterschied, dass die Französische Revolution sehr viel schneller, sehr viel weniger geduldig als die russische und geradezu mit gesegneter Hast und Eile verlief. Die ersten Beratungen der damaligen Hochfinanz zur Herbeiführung der Französischen Revolution sollen in Frankfurt am Main stattgefunden haben. Natürlich hatten viele von diesen Leuten, vor allem die Mächtigsten und Reichsten unter ihnen, nicht das geringste ideelle Interesse an „der Moderne“, sie waren selbst dafür viel zu niedrig, sie hatten überhaupt ganz andersartige Gipfel und Regionen des Lichtes erklommen als das, was armselige geistige Menschen das „Ideelle“ nennen. Soweit die Hochfinanz im Allgemeinen. Maßgebend war bei ihr in diesem Fall (für die, die sich näher informieren wollen) eine schweizerische Bankiersfamilie namens Necker, die – wen wundert das? – entscheidende Verbindungen zur Londoner City hatte. Im Übrigen: die „revolutionären“ Massen in den Pariser Straßen waren, dieser Urheberschaft der Hochfinanz entsprechend, keineswegs spontan zusammengekommene „Bürgerliche“ aus der Stadt selbst; vielmehr war der allgemeine Spruch bei den Letzteren: „Wir wussten noch gar nicht, dass es in Paris so viele Verbrechervisagen gibt“; Freunde, die Visagen waren mit dem Geld der Hochfinanz aus ganz Frankreich nach Paris zusammenbugsiert. Und so weiter, dieser Einzelheit gemäß, mit der gesamten übrigen Mache und Künstlichkeit der „Grande Révolution“.
    Und wie war es mit der Dauerhaftigkeit des „revolutionären“, „modernen“ Geistes in Frankreich? Sicher, sicher, man bleibt dort bei „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“; aber man muss den Verdacht haben, der seit dem Ende des 18. Jahrhunderts „freie, gleiche und brüderliche“ „alte Adam“ genügt einem dazulande denn auch schon als „der neue Mensch“. Allerdings, es ist wahr, die Säkularisierung des Landes ist geblieben, in den Köpfen, an den Universitäten, in Gestalt der Trennung von Kirche und Staat. Woher im Übrigen die Säkularisierung? Wir haben es gesehen: die Schaffung „des neuen Menschen“ auf rein diesseitigem Wege! So aber ist es auch nur bei einer Mehrheit der Franzosen, im Gegensatz zu einer mehr oder weniger starken katholischen Minderheit. Außerdem: kraft jener Mehrheit ist Frankreich im Grunde eine säkularisierte Katholische Kirche; man erkennt es u.a. an dem Geist, in dem anderswoher stammende Menschen, wenn sie nur gewisse äußere, teils territoriale Bedingungen erfüllen, dann auch schon als Franzosen akzeptiert werden – worin natürlich die Gefahr der Überfremdung liegt; der wirkliche und wahrhaftige Staat eines Volkes kann eben nicht in jeder Hinsicht Züge tragen, die bei einer Kirche absolut in Ordnung wären. Man erkennt die säkularisierte Kirche ferner an dem fast schon warmherzigen sozialen Geist, der – bis jetzt, trotz Sarkozy, l´ Américain – in Frankreich herrscht; und man erkennt sie z.B. gerade daran, dass sich die besagte Kirche sehr dezidiert und sehr strikt gegenüber der nicht säkularisierten verhält, weil es, auch in den Tiefen des Seelischen, nicht zweimal „eine“ „allgemeine“: umfassende „katholische Kirche“ geben kann. Und wer weiß! vielleicht trägt die säkularisierte Kirche sogar den keimhaften Ansatz zu der einen oder anderen Art von Religiosität in sich, gleichgültig was man von der Letzteren halten sollte – wofür man nur, schlechtesten Falles, an Auguste Comte zu denken braucht.
     Freunde, die französische Heiterkeit, fast möchte ich sagen, der französische Künstlergeist, leistet sich über alles das hinaus sogar die ideologische Spezialität, dass man „den neuen Menschen“, ganz, ganz tief im Herzen, am liebsten gegen den frankophonen Menschen austauschen würde.
     Und man kann nun angesichts alles dessen wirklich nicht gut behaupten, dass es, spezifisch wegen der Franzosen, wegen einer „französischen Art zu leben“, ernsthafte Probleme mit einer intoleranten, herrischen, halb verrückten „Moderne“ gebe, sondern allenfalls, dass von einem kleinen, zu überwindenden, eigentlich schon überwundenen Problem mit einer gewissen französischen Freude an der eigenen Art, oder auch mit einer frankophonen Menschheit, die Rede sein könnte.
    Dagegen sind die Vereinigten Staaten, gerade wegen des Ungeistes ihrer Modernität, gegenwärtig das Welt-Problem Nummer Eins. In der amerikanischen Revolution von 1776, mit ihrem falschen Gleichheitsideal, ihrer Kitschreligiosität, mit ihrer inhärenten Säkularisierung und dem bitterbösen Atheismus in den innersten Kreisen der US-Hochfinanz, haben wir den völlig freien, echten, autonomen, originären Ursprung des modernen Ungeistes vor uns, tief verwurzelt in der dazugehörigen, angelsächsisch geprägten Nation, der führenden Schicht; und entsprechend dieser Freiheit und Ursprünglichkeit bei dem maßgebenden Teil der Nation ist von deren Ungeist bis auf den heutigen Tag denn auch alles und jedes genau so bestehen geblieben, wie es vom ersten Tag an gewesen ist: Den „neuen Menschen“ haben wir im „American way of life“, in einer vollkommen verdrehten Gleichheits-Idee für alle Menschen, verdreht bis zu ihrem Gegenteil – verdreht bis zum Cant, zur Gaunersprache; wir haben „den neuen Menschen“ in dem, was die Amerikaner unter „Demokratie“ verstehen, wenn auch vor allem die Letztere für die US-Menschen im Ergebnis, in der Realität, nur noch ein dummes Schlagwort ist, man ist ja, auch sich selbst gegenüber, verlogen bis in die Knochen. Und die „Schaffung“ des neuen Menschen finden wir in den amerikanischen Angriffs- und Eroberungskriegen wieder, ferner in dem, was US-Menschen unter „Erziehung“ und „Umerziehung“ verstehen, sowie in der unsäglichen, wirklich und wahrhaftig unverzeihlichen Anmaßung der US-Elite, dazu berufen zu sein, über andere Völker als so genannte „Schurkenstaaten“ ein Todesurteil auszusprechen, also Völkermord zu begehen, wie die kurze US-Geschichte ja seit eh und je von Völkermord geprägt war. Die Schaffung des „neuen Menschen“ par excellence finden wir in diesem Wesenszug wieder; die Völker, die dabei übrigbleiben, sind dann die „neue Menschheit“ – man beachte die abgeänderte Diktion – oder sie sind das „neue Europa“, wenn man Abwechslung möchte. – Wir sprachen schon einmal von der Verbindung zwischen „Erziehung“ im ideologischen Sinne und „Mord“; beiden ist gemeinsam, dass sie die Eigenart anderer nicht akzeptieren. Weder der Mörder noch der ideologische Erzieher akzeptiert seinen Mitmenschen! Man sucht anderen durch „Erziehung“ ihre Eigenart zu nehmen; man maßt sich an zu bestimmen, was die Eigenart anderer zu sein hat; und man ermordet sie, wenn sie ihre Eigenart beibehalten wollen – eben, wir wissen es ja, der „alte Adam“ soll durch den „alten Adam“, durch irgendwelche x-beliebigen US-Menschen, „geändert“ werden: eine Multiplikation seiner Fehlerhaftigkeit als „alten Adams“, durch die er, wenn es wirklich gelingt, wenn er es sich endgültig bieten lässt, nur um ein Vielfaches verschlechtert werden kann.
     Alles klar, was „die Moderne“ betrifft? Ich hoffe, dass wir inzwischen wenigstes den Kern der Sache einigermaßen in Worte und Begriffe gefasst
haben.
     Und nun, was hat das alles mit „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ zu tun? Oder richtiger: mit Freiheit, Gott und Fortexistenz nach dem Tod? Fragen wir so: Was ist neu an „der Moderne“? Der Gedanke, an die Stelle des „alten Adam“ müsse eine „neue Schöpfung“ (eine kαινή κτίσις – kainè ktisis), ein „neuer Mensch“ treten, ist mindestens so alt wie das Christentum; und in klarer Form gab es den Gedanken, vor allem im Abendland, mindestens schon einige Jahrhunderte vor „der Moderne“. Aber wer überhaupt etwas aus der Theologie weiß, der weiß auch, dass die Umwandlung im Sinne des ursprünglichen Gedankens nur durch die „Gnade Gottes“, durch die „Erlösungstat Christi“, kurz: dass sie nur kraft übernatürlicher Hilfe möglich ist. Und das Letztere verhält sich in der Gedankenwelt „der Moderne“ radikal anders, wie wir gesehen haben. Bemerkenswert übrigens, dass man über die Unzulänglichkeit des „alten Adams“, so wie er vorerst war, offensichtlich ganz einer und derselben Meinung war. Aber nun sollte dieser Adam sich plötzlich, à la Münchhausen, ohne außermenschliche Hilfe selbst an den Haaren aus dem Sumpf ziehen; denn genau das Bild trifft ja auch dann zu, wenn der eine alte Adam den anderen verbessern soll; und parallel dazu – ohne dass die beiden Vorgänge zueinander einheitlich in ein klares Verhältnis gesetzt wurden – sollte die glückliche Umwandlung auch von selbst, durch den „Fortschritt“, zustande kommen; in beiden Fällen ohne Gott, ohne Jenseits, ohne Hilfe von oben, wenn man auch im Übrigen nie genauer sagte, wie denn.
    Fazit:    „die Moderne“ bedeutet die Säkularisierung, die Verdiesseitigung eines der grundlegenden Gedanken des abendländischen Christentums, ohne dass die Möglichkeit einer solchen Säkularisierung im Einzelnen nachgewiesen wird.
    Und die Folgen? Für Freiheit, Gott und Fortexistenz nach dem Tod?
    Muss „die Moderne“ wegen ihrer säkularen Einstellung die These von der menschlichen Willensfreiheit ablehnen? Aus unserer Willensfreiheit ergibt sich die Existenz eines Gottes, wir werden es sehen und haben es schon angedeutet. Wir müssen u.a. auch deshalb beim nächsten Punkt die Einstellung „der Moderne“ zur Frage der Existenz eines Gottes erörtern. Umgekehrt allerdings wie die Ableitung der Existenz eines Gottes aus unserer Willensfreiheit verhält es sich nach der herkömmlichen Auffassung, soweit sie theistisch ist: Danach ergibt sich unsere Willensfreiheit aus der Existenz eines Gottes: „Gott hat uns durch Wirkursache erschaffen und uns dabei einen freien Willen gegeben.“ In Wirklichkeit widerspricht sich dieser herkömmliche Satz – wir werden auch das noch sehen und haben es schon angedeutet – d.h. das Dasein Gottes widerspräche danach unserer Willensfreiheit. Abgesehen von dem allen aber bringen die meisten Menschen, auch die meisten „modernen“ Menschen, Willensfreiheit mit moralischer Verantwortlichkeit und moralische Verantwortlichkeit mit einem Gericht Gottes und ein Gericht Gottes mit der Zerstörung der Diesseitigkeit in Verbindung. Ergo!
     Und nun zu dem gerade in Aussicht genommenen nächsten Punkt! Muss „die Moderne“ wegen ihrer Diesseitigkeit das Dasein Gottes bestreiten? Sie muss es nicht unbedingt; aber vom Blickwinkel der Säkularisierung her gesehen, von der Umschaffung des „alten Adam“ ohne Hilfe von oben, geht es jedenfalls besser ohne Gott. Denn dann kann die Hilfe auf keinen Fall von ihm her kommen: die Leute waren sonst ja gewohnt, Gott um alles Mögliche zu bitten, und sind es großenteils auch jetzt noch; und die Religion jedenfalls nimmt die Urheberschaft der Setzung „des neuen Menschen“ für Gott in Anspruch, ein Satz, dem „der Moderne“ widersprechen muss; den er jedenfalls in seinem Innern nicht erträgt. Außerdem: welche Leidenschaft der Säkularisierung liegt im „von Selbst“ des Fortschrittsglaubens, gerade wegen der Verrücktheit, der absoluten Unbegründetheit der Sache. Wer so fanatisch denkt, erst recht, wenn ihm der Fanatismus nicht zu Bewusstsein kommt, wird für die Existenz Gottes keine Sympathien haben; er wird dem Gedanken, dass man das Dasein Gottes ausreichend begründen könne, in aller Stille direkt feindselig gegenüberstehen. Nun aber: wer behauptet, muss beweisen. Also, im Kopf heutiger Professoren zum Beispiel: praktisch Atheismus! Und theoretisch: Toleranz. Der praktische Atheismus würde selbstverständlich auch zur Ablehnung der These von der menschlichen Willensfreiheit führen, wenn die Letztere auf die Existenz eines Gottes schließen lässt; siehe den vorherigen Punkt. – Zwar sollen in den USA, dem Land der wahren „Moderne“, die Kirchen voll sein, bei uns sind sie es nicht. Aber die innersten Kreise der herrschenden Hochfinanz, der US-Ostküste sind auch theoretisch atheistisch, das beweist die Medienwelt, deren Inhalt und deren Tendenzen von diesen Kreisen bestimmt werden. Und was den normalen Kirchgänger in Amerika betrifft: glaubt er wirklich, dass die Umschaffung des „alten Adam“, also nach seiner amerikanischen Perspektive: dass der von ihm geglaubte „Fortschritt“, die von ihm schemenhaft geglaubte echte Demokratie und Gleichheit, nur durch eine Erlösungstat Christi möglich wären? Doch wohl nicht, das wäre für ihn geradezu eine reductio ad absurdum, eine reductio absurda. Also an einen wirklich christlichen Gott denkt hier auch nicht die Menge. Aber selbst wenn sie es täte: Entscheidend ist die Hochfinanz. Für das Volk ist die Kitschreligion, der unmögliche Gottesglaube: der Kreationismus, das „Intelligent Design“: die Lehre von der Erschaffung eines freien Wesens durch Wirkursache.
    Und schließlich:   Muss „die Moderne“, wegen der Schaffung des „neuen Menschen“ mit rein diesseitigen Mitteln, also wegen ihrer säkularen Einstellung, unsere Fortexistenz nach dem Tod bestreiten? Nicht unter allen Umständen! Eine Fortexistenz wäre zum Beispiel auch als Wiedergeburt im Diesseits denkbar; und dann wäre sie ja wohl diesseitiger als alles andere. Die meisten Menschen, und zwar gerade die, die Ideologie „der Moderne“ nachschwätzen, haben aber gerade für solche Denkbarkeiten, und im Übrigen auch für gewisse Wirklichkeiten, nicht die eigentlich logischen, gedanklichen Prämissen; vielmehr denken sie bei unserer „Unsterblichkeit“ vor allem an Abhängigkeit von Gott, sogar an ein Gericht von seiner Seite und so denn an eine vollständige Zerstörung zumindest einer gewissen, sehr häufigen Art von Diesseitigkeit. Also!
    Und die Erfahrung lehrt denn auch, dass diesseitig denkende, „moderne“, säkularisierte Köpfe, oder besser Herzen, Willen, Charaktere nicht nur der menschlichen Willensfreiheit und der Existenz Gottes, sondern auch unserer Fortdauer nach dem Tod kalt und ablehnend gegenüberstehen. „Die Moderne“ neigt eben, wegen ihrer Diesseitigkeit, wegen ihrer Säkularisiertheit, sehr stark zur Ablehnung des Gedankens von „Freiheit, Gott und Fortdauer nach dem Tod“. Außerdem dürfte inzwischen die äußerste Mangelhaftigkeit ihres Grundgedankens deutlich geworden sein: der Umwandlung des „alten Adam“ in „den neuen Menschen“ auf rein diesseitigem Wege, durch ebensolche „alten Adame“, oder auch: „ganz von selbst“ durch den „Fortschritt“.
    Darüber hinaus lehrt inzwischen auch die geschichtliche Erfahrung: Der Mensch ändert sich nicht! Wir wissen es genau, nachdem wir die Idiotien des Marxismus, die Schaffung „des neuen Menschen“ durch kommunistische Funktionäre, und überhaupt die elenden Jahrzehnte der „Erziehungs“-Ideologien einigermaßen zu Ende durchlaufen haben. Außerdem würde es zur Widerlegung „der Moderne“ auch genügen, wenn die Unmöglichkeit einer säkularisierten Änderung des „alten Adam“ nur eine sehr erwägenswerte Alternative wäre, was sie zumindest ist. Vor allem aber: wir werden in den Haupttexten die Unmöglichkeit ausreichend begründen. Das alles mit der Konsequenz, dass wir uns weder durch Kants Voreiligkeit noch durch „die Moderne“ von einer völlig unbekümmerten Prüfung des Gedankens von Freiheit, Gott und Fortdauer nach dem Tod abhalten lassen dürfen.

Die Technik.

Alles klar, was „die Moderne“ betrifft? Nein! Es fehlt noch eine Kleinigkeit. Die „Moderne“ ist nur ein Wort. Die eine seiner beiden Bedeutungen haben wir gerade kennen gelernt. Die andere ist: „moderne“ Technik, „moderne“ Medizin, „moderne“ Textverarbeitung, mit dem Rechner, dem „Computer“, „moderne“ Fortbewegungsmittel, „moderne“ landwirtschaftliche Maschinen; usw.; immer mit der Bedeutung einer Erleichterung unseres Erdendaseins durch die Technik. Haben die beiden Bedeutungen des Wortes „modern“ nichts miteinander zu tun? Doch! Beide bedeuten eine säkularisierte „neue Schöpfung“ (eine säkularisierte „kαινή κτίσις“), eine Säkularisierung des alten theologischen Gedankens; nur: die eine bedeutet eine neue menschliche Natur, „den neuen Menschen“, gegen die Naturgesetze und zugleich säkularisiert, mit der entsprechenden Entlarvung des Ganzen als Unsinn; dagegen bedeutet die andere: eine neue außermenschliche Natur, zwar säkularisiert, aber gerade unter ausdrücklicher und betonter Beachtung sämtlicher Naturgesetze, mit dem entsprechenden Erfolg. Die „moderne“ Technik ist mit dem allen das Unschuldigste, was es gibt – und sie ist auch durchaus kein Hindernis für irgendeine Klärung der Grundbegriffe unserer Existenz, geschweige denn für „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“.
     Eine Verwechslung beider Fragenkomplexe wäre ungefähr so dumm wie die vorhin besprochene Verwechslung einer kontinuierlichen Entwicklung im Sinne der „Moderne“ aa) mit einer „Entwicklung“ der Lebewesen z.B. im darwinistischen Sinne oder bb) mit einer „Entwicklung“ innerhalb der einzelnen Sachgebiete einer Hochkultur.
    Aber das nur nebenbei zur Klarheit.

Der Trick des Papstes.

Dagegen sind noch zwei Gesichtspunkte zu klären, unter denen der eine oder andere meinen könnte, Hindernisse zu sehen, die einer bejahenden Antwort auf die Frage nach Freiheit, Gott und Fortexistenz von vornherein im Wege ständen. „Die Welt“ berichtet am 16., 17. und 18.1.08 über den beispiellosen Vorgang, dass der Papst, also jetzt Herr Ratzinger, daran gehindert worden ist, die traditionsreiche römische Universität La Sapienza, die im Jahr 1303 sogar von seinem Vorgänger Bonifatius VIII. gegründet worden war und die Jahrhunderte lang eine Einrichtung des Vatikanstaates gewesen war, zu besuchen und dort eine Rede oder Vorlesung zu halten – nachdem er zunächst dort eingeladen und dann also im Endergebnis schmählich wieder ausgeladen worden war. Es heißt in der „Welt“ u.a.:
     Der Papst und sein trojanisches Pferd. Wie in Italien versucht wird, den alten Kulturkampf zwischen Staat und Kirche neu zu beleben. Von Thomas Schmid.
    Berlin – Die Studenten triumphierten. Als man im Vatikan beschlossen hatte, dass der Papst die römische Universität La Sapienza nicht besuchen und dort nicht zur Eröffnung des akademischen Jahres sprechen wird, war der Jubel groß. „Non habemus Papam“ war auf Transparenten zu lesen – in parodistischer Anspielung auf jenen vatikanischen Satz, mit dem die Wahl eines neuen Papstes verkündet wird: „Habemus Papam“, wir haben einen neuen Papst. Doch eigentlich waren es nicht rebellionsfreudige Studenten, denen es zum ersten Mal seit undenklichen Zeiten gelungen ist, einen Papst daran zu hindern, sich frei in Italien zu bewegen. Denn die Initiative ging von 67 Professoren aus. Diese hatten schon am 14. November 2007 eine Erklärung veröffentlicht, in der sie Benedikt XVI. zu einer im akademischen Raum unerwünschten Person erklärten.
     Wortführer dieser Gruppe ist Marcello Cini. Der 84 Jahre alte Physikprofessor blickt auf ein bewegtes und für die italienische Linke bezeichnendes Leben zurück. Wie viele Intellektuelle des Landes trat er schon bald nach dem Ende des Faschismus der kommunistischen Partei bei. 1956 kritisierte er die Niederschlagung des Ungarnaufstands durch die Rote Armee und blieb auch in der Folgezeit ein Kritiker der Partei – und zwar von links. Er sympathisierte mit der Studentenrevolte von 1968 und ist einer der Mitbegründer der Tageszeitung „Il Manifesto“, die das Organ der links von der Partei stehenden orthodoxen Linken war und ist. Später wurden die Ökologie und die Kernkraft ein Lebensthema für ihn, und noch später wurde er zu einem recht radikalen Kritiker der Gentechnik – und zwar mit dem konservativen Argument, man müsse die gefährliche Idee von der Allmacht des Menschen bekämpfen. Oft rief er die Linke dazu auf, jenen Wissenschaftlern zu misstrauen, die die Wissenschaft für etwas ganz und gar Objektives und sich selbst für Götter hielten. Cini, in dessen Arbeitszimmer eine Reproduktion von Picassos „Guernica“ hängt, ist kein Scharfmacher, sondern einer, der mit ironischer Melancholie und selbstkritisch auf sein Leben zurückblickt. ... ...
    An einer Stelle ist er jedoch glaubensstark geblieben: im Nein zu Vatikan und Metaphysik. Im Papst sieht er eine Kraft der Finsternis, und er – der Ungläubige – unterstellt ihm eine fast diabolische Kraft. Ratzinger, sagt er, „hat nicht das Ziel, sondern nur die Strategie geändert. Da man heute nicht mehr mit Scheiterhaufen und Körperstrafen arbeiten kann, hat er von Odysseus gelernt. Er ist listenreich geworden.“ Cini spielt hier auf einen zentralen theologischen Ansatz von Papst Benedikt an: auf die Grundüberzeugung, dass Glaube und Vernunft nicht Gegensätze sind, sondern notwendig und unauflöslich zusammengehören. Das sei, sagt Cini, ein übler Trick: „Der Papst hat das aus der Aufklärung stammende Bild von der Göttlichen Vernunft als trojanisches Pferd benutzt, um so in die Zitadelle der Wissenschaft eindringen zu können.“

    Es ist sodann davon die Rede, dass fast die gesamte italienische Linke die Verhinderung von Ratzingers Besuch in der Universität La Sapienza „heftig kritisiere“, weil sie keine Neueröffnung des italienischen Kulturkampfes zwischen Staat und Kirche wolle, der ursprünglich aus der Einbeziehung des damals noch sehr großen Kirchenstaates in Garibaldis neu geeintes Italien hervorgegangen war – der heutige, mit Mussolini vereinbarte winzige Kirchenstaat war da ja das einzig Richtige – . Und ich sehe nun zwar den Beweggrund nicht im Widerstreben gegen einen neuen italienischen Kulturkampf, sondern in der gemeinsamen Beherrschung des Vatikans und der Linken und überhaupt des italienischen Establishments, durch die Hochfinanz der US-Ostküste; der Kulturkampf hat im Unterschied dazu nur noch historische Bedeutung. Aber es kommt auf das Motiv der Linken bei der Verteidigung des Papstes im Augenblick nicht an. Denn jedenfalls wird zum Schluss im Ganzen richtig festgestellt:
    So verteidigt die Linke das Recht des Papstes, auch außerhalb der Grenzen des Vatikanstaates laut darüber nachzudenken, ob das Christentum etwas zur Selbstaufklärung der Menschheit beigetragen hat und ob es eine gangbare Brücke zwischen Glauben und Vernunft gibt. – Allerdings handelt es sich nicht um Rechte des Papstes „außerhalb der Grenzen des Vatikanstaates“, sondern um seine etwaigen Aufenthalts- und Rederechte in der Universität La Sapienza; man erkennt die Tendenz der „Welt“, zugunsten der US-Ostküste!
     In der Hauptsache geht es jedoch um etwas anderes; nämlich um die Frage, wie der plötzliche und heftige Ausbruch der Feindseligkeit gegen den Papst zu erklären ist. Liegt der Grund etwa in dem, worauf sich die vorhin besagten 67 Professoren gestützt haben? „Die Welt“ erwähnt sie ziemlich kurz am 16.1.08.
    Vollständiger heißt es im Internet (Stichwort „Joseph Ratzinger Galileo“ in Google Suche) unter National Catholic Reporter Conversation Cafe unter anderem:
     Recently a group of professors and students from Rome´s La Sapienza University, including the entire physics faculty, wrote a letter protesting Pope Benedict XVI´s scheduled Jan. 17 lecture to open the academic year. They cited comments from then-Cardinal Joseph Ratzinger in 1990 on the Galileo case. Those comments are presented here.
    Cardinal Joseph Ratzinger
    “The Crisis of Faith in Science”, March 15, 1990, Parma
    Extracts taken from A Turning Point for Europe? The Church and Modernity in the Europe of Upheavals, Paoline Editions, 1992, pp. 76-79. English translation by NCR.
Originaltext: “Galileo” “Svolta per l´Europa? Chiesa e modernitá nell´ Europa dei rivolgimenti”, “Wendepunkt für Europa? Kirche und Modernität im Europa der Umwälzungen”, Rom 1992”.
    Also ein Text über die Affäre der Kirche mit Galileo Galilei: the star of modernity shining in the dark night of medieval obscurity – Herrn Ratzingers Töne! am Ende einer Tirade über Galileo. Er fährt fort:
     Today, things have changed.
     According to /Ernst/ Bloch, the heliocentric system – just like the geocentric – is based upon presuppositions that can´t be empirically demonstrated. Among these, an important role is played by the affirmation of the existence of an absolute space; that´s an opinion that, in any event, has been cancelled by the Theory of Relativity. Bloch writes, in his own words: “From the moment that, with the abolition of the presupposition of an empty and immobile space, movement is no longer produced towards something, but there´s only a relative movement of bodies among themselves, and therefore the measurement of that /movement/ depends to a great extent on the choice of a body to serve as a point of reference, in this case is it not merely the complexity of calculations that renders the /geocentric/ hypothesis impractical? Then as now, one can suppose the earth to be fixed and the sun as mobile.”
    Curiously, it was precisely Bloch, with his Romantic Marxism, who was among the first to openly oppose the /Galileo/ myth, offering a new interpretation of what happened: The advantage of the heliocentric system over the geocentric, he suggested, does not consist in a greater correspondence to objective truth, but solely in the fact that it offers us greater ease of calculation. To this point, Bloch follows solely a modern conception of natural science. What is surprising, however, is the conclusion he draws: “Once the relativity of movement is taken for granted, an ancient human and Christian system of reference has no right to interference in astronomic calculations and their heliocentric simplification; however, it has the right to remain faithful to its method of preserving the earth in relation to human dignity, and to order the world with regard to what will happen and what has happened in the world.”
    If both the spheres of conscience are once again clearly distinguished among themselves under their respective methodological profiles, recognizing both their limits and their respective rights, then the synthetic judgment of the agnostic-skeptic philosopher P. Feyerabend appears much more drastic. He writes: “The church at the time of Galileo was much more faithful to reason than Galileo himself, and also took into consideration the ethical and social consequences of Galileo´s doctrine. Its verdict against Galileo was rational and just, and revisionism can be legitimized solely for motives of political opportunism.”
    From the point of view of the concrete consequences of the turning point Galileo represents, however, C.F von Weizsäcker takes another step forward, when he identifies a “very direct path” that leads from Galileo to the atomic bomb
.
    Soweit Ratzinger. Es folgt nur noch die eine oder andere unerhebliche persönliche Meinungsäußerung und konventionell-heuchlerische Floskel – nachdem man, wenn man wollte, ganz gut auch schon die soeben wiederaufgetauchte Atombomben-Philosophie hierher zählen könnte, aus der natürlich ein Angehöriger der Familie Weizsäcker etwas gemacht hat. Warum gerade er? Deshalb, weil Atombombendauerentrüstung und langweilige Atombombenfaszination gerade in den Jahrzehnten C.F. von Weizsäckers, den ersten Nachkriegsjahrzehnten, an der Tagesordnung war; sie gehörte damals für den typischen „Hochgebildeten“ zur Essenz des „Geistigen“; und die Familie Weizsäcker war von der Hochfinanz beauftragt, die Rolle eines Hauptvertreters des „Geistigen“ zu spielen.
    Und nun also die Frage: kann man den plötzlichen und heftigen Ausbruch der Feindseligkeit gegen den Papst mit jenen Äußerungen erklären? Zunächst einmal: was sind das für Äußerungen – nachdem wir ihre langweilige Komponente gerade schon hervorgehoben haben?
     Was bedeutet „preserving the earth in relation to human dignity“? Auch diese Formulierung ist äußerst unklar, die Begriffe lassen fast alles offen; man nennt so was gebildet, kultiviert, brillant, ein Zeichen der Zugehörigkeit zur geistig besser gestellten, geistig privilegierten Schicht; und im Übrigen betrachtet man solche Ausführungen auch als Zeichen derjenigen geistigen Reife, die die schicke und typische Frucht höherer Bildung ist. Was aber müsste der brillante, hochkultivierte Papst der Logik der Sache nach gemeint haben – wenn wir uns jetzt einmal nicht kultivierten und brillanten, sondern klaren Begriffen zuwenden?
    Sollen wir die Wendung aa) so verstehen, dass sich die Sonne infolge der Menschenwürde um die Erde dreht – „infolge“ im Sinne eines Naturgesetzes? Dann könnten wir allerdings von der Umdrehung der Sonne um die Erde auf unsere Menschenwürde schließen. Natürlich ist das Unsinn; wir wissen genau, dass ein solches Naturgesetz nicht existiert. Deshalb konnten wir von vornherein auch von dem Umstand absehen, dass die Umdrehung der Sonne um die Erde, nach Bloch, Feyerabend und Ratzinger, nur eine relative Bewegung ist; was ja nicht einzusehen wäre, wenn sie eine Folge unserer jedenfalls nicht relativen Menschenwürde wäre.
     Oder sollen wir bb) annehmen, „der Schöpfer“ habe die Sonne angewiesen, sich ohne Naturgesetz, aber wegen unserer Menschenwürde, um die Erde zu drehen? Ich überlasse dem Leser die Beurteilung der Sache. Allerdings beschleicht mich der Verdacht, ob nun Schöpfer oder nicht, dass es in der Natur keinerlei Gesetze oder etwaige sonstige regelmäßige Vorgänge gibt, die nicht Naturgesetze sind. Nehmen wir aber einmal an, es wäre trotzdem so! Wir sind ja grundsätzlich immer maßlos nachgiebig. Dann hätte der Schöpfer die Erde, nach Ratzinger usw., jedenfalls nur zu einer relativen Umdrehung angewiesen und uns damit sagen wollen, dass auch unsere Menschenwürde nur relativ wäre.
     Ist es nicht schön, einen so gebildeten Papst zu haben, der sogar mit Einsteins Relativitätstheorie hantieren und seine Art von Glauben auf sie gründen kann! Aber vielleicht ist deshalb gerade er genau der Richtige für die Hochfinanz, deren innere Kreise ja atheistisch sind und von der Menschenwürde gar nichts halten.
    Freunde, Brüder, wie ist es zu erklären, dass Leute in hohen Stellungen, gleichgültig ob unter den Buchautoren, in der kirchlichen Hierarchie oder anderswo, Texte hervorbringen, die einen solchen Mist als Konsequenz in sich schließen, Dinge, die auf einen solchen Mist hinauslaufen? Das ist damit zu erklären, dass man in unserer Zeit, der bis zur äußersten Spitze getriebenen Geldherrschaft, nicht durch genaues, also wirkliches Nachdenken in eine gehobene Stellung kommt – im Gegenteil, es gibt nichts Hinderlicheres! – sondern indem man „die Zeichen der Zeit“ erkennt, oder besser gesagt: indem man die Zeichen der Hochfinanz versteht; denn das Letztere ist das Genaue und Präzise, das allein die Dinge bei ihrem richtigen Namen nennt – das Erstere ist nur die Sprache der zahllosen ewig Unreifen, die sich in ihrem Leben niemals wirklich Rechenschaft über unsere Situation im Leben gegeben haben. Und die Konsequenz? Übt euch schon einmal ein! In der vollständigen Verachtung für die Leute in den hohen Stellungen, mit allen praktischen Konsequenzen, die ihr jetzt schon ziehen könnt – wie gesagt, es ist nur die Einübung.
     Aber die reductio ad absurdum (der Nachweis der Absurdität der Prämissen durch den Nachweis der Absurdität der Konsequenzen) ist noch nicht vollständig. Wir könnten z.B. auch noch die Frage stellen, ob unsere Menschenwürde vielleicht geradezu darauf beruht, dass sich die Sonne um unsere Erde dreht. Also die Drehung der Sonne um die Erde jetzt als Ursache und die Menschenwürde als Folge! Freunde! Es ist Zeit festzustellen, dass unsere Menschenwürde überhaupt nicht auf äußeren Dingen beruht; sie ist schon gar nicht – äußerst alberner Weise! – mit der Bewegung von Himmelskörpern zu begründen; und die Bewegung von Himmelskörpern ebenso wenig mit ihr, wie im gerade Vorhergegangenen. Und erst recht nicht ist unsere Menschenwürde, wie es sich bei Bloch, Feyerabend und Ratzinger ergeben müsste, mit einer relativen Bewegung von Himmelskörpern zu begründen, mit der Konsequenz, dass auch unsere Menschenwürde nur relativ wäre. Allerdings, Herr Ratzinger denkt nicht im Entferntesten daran, sich so etwas klarzumachen; er steht hoch über sachlichen Dingen, er hat ganz andersartige Höhen erstiegen! Schopenhauer spricht einmal von „armsäligen Philosophen“; ja wahrhaftig!
    Freunde! Unsere Menschenwürde beruht auf unserem Sein „aus uns selber“ in Verbindung mit unseren spezifisch menschlichen Eigenschaften, sozusagen multipliziert mit ihnen! Oder für den, der es vorläufig noch nicht so direkt haben möchte: sie beruht auf unserem freien Willen in Verbindung mit unseren spezifisch menschlichen Eigenschaften. Und lassen wir im Übrigen jetzt den Modequatsch von Bloch und Feyerabend außer Acht, den der Papst, was nun auch schon wieder länger her ist, noch einmal wieder aufgewärmt hat, um seine überdurchschnittliche akademische Bildung zu beweisen und christliche Werte mit Herrn Einsteins Relativitätstheorie zu zieren – dann aber auch aufs Glatteis zu führen.
     Nur noch eins, damit die kurzlebigen Modemätzchen von Bloch und Feyerabend sich, außer durch ihre Kurzlebigkeit, auch von Grund auf als eben solche Mätzchen zu erkennen geben; aber auch, damit wir uns nicht von Mode- und Hätschelautoren unser Bild von der Natur verfälschen lassen; dafür ist sie, trotz des Grundfehlers in ihr, und in uns als ihren Teilen, zu viel wert! Die drei hochintelligenten Männer – einer von ihnen, Gott sei Dank, ein Oberhaupt der Christen! – haben begriffen, dass das von Galilei richtig entdeckte heliozentrische System nur eine Vereinfachung astronomischer Berechnungen bedeute, nur eine Verringerung der „complexity of calculations“, nur eine „greater ease of calculation“. Ich erinnere mich noch daran, wie gläubig die Modeerscheinung, lange bevor Herr Ratzinger sie wieder aufgriff, von Nichtnaturwissenschaftlern besprochen wurde.
    Nun aber haben wir uns zu fragen: worum handelt es sich bei der Umdrehung von Himmelskörpern? Geht es um bloße geometrische Operationen ausschließlich in unserem Kopf: um Kreise, Ellipsen, Mittelpunkte usw. – die wir ganz nebenbei, nur zu unserer Erleichterung, auch zu Papier bringen können; worauf ein Mensch von ganz außergewöhnlicher Vorstellungskraft prinzipiell aber auch verzichten könnte? Kantisch ausgedrückt: geht es um „reine Anschauungen“? Oder geht es um Vorgänge draußen in der Natur? Kantisch: „um empirische Anschauungen“? Es geht um Letztere! Was aber gilt für „empirische“ Vorgänge draußen in der Natur, die Gegenstand unserer ebenso empirischen „Anschauung“ sind, gleichgültig, ob es sich um Umdrehungen der Sonne oder der Erde oder um sonst was handelt? Es gilt: Von Nichts kommt Nichts. Das heißt: Die Erde dreht sich nicht so um die Sonne, wie in unserem Kopf ein Kreis oder richtiger eine Ellipse aussieht – wohlgemerkt nur in unserem Kopf! – ; vielmehr gehört zur Umdrehung der Erde um die Sonne eine Kraft. Die Letztere ist wohl nicht notwendig, damit die Erde sich überhaupt bewegt, hier könnte das Gesetz der Trägheit ausreichen; aber die Kraft ist notwendig, damit sich die Erde nun gerade um etwas, nämlich um die Sonne, und nicht etwa nur gradlinig durch den Raum bewegt.
    Und bei dieser Kraft handelt es sich um die Anziehungskraft der Sonne; diese Anziehung macht die Bewegung der Erde, die sonst normalerweise gradlinig wäre, zu einer Umdrehung der Erde um die Sonne; d.h. die Sonne dreht die Erde um sich herum; die Erde „wird“ von der Sonne um die Letztere herum „gedreht“; in diesem Sinne „dreht sich“ die Erde um die Sonne; das ist der Sinn dieses Satzes! Das Reflexivum „dreht sich“ ist in diesem Fall ein uneigentliches Reflexiv und ein eigentliches Passiv; ein sprachliches Phänomen, das z.B. im Spanischen weitgehend geradezu ein grammatischer Usus ist; das in den skandinavischen Sprachen zur Entwicklung der Passiv-Endung „s“ (aus „sig“ = „sich“) geführt hat; und das im Deutschen, formal-grammatisch zwar weniger greifbar ist, das sich aber sprachlich-stilistisch dennoch vollkommen klar erkennen lässt. Woher wissen wir, dass dieser Fall jetzt vorliegt? Wir wissen es von der Sache her, von der Anziehungskraft der Sonne her; eine Sonne fängt einen Planeten ein, oder hält ihn fest, nicht umgekehrt. Und die Feststellung des sprachlich-stilistischen Usus baut auf der ausreichenden Anzahl von Anwendungsfällen auf.
    Zwar übt auch die Erde eine Anziehungskraft auf die Sonne aus; aber sie ist von der Schwelle, jenseits deren sie die Sonne um sich, nämlich um die Erde, drehen würde, so weit entfernt, dass sich im Sinne einer „Umdrehung der Sonne um die Erde“ nicht etwa nur Mikroskopisches, sondern absolut gar nichts daraus ergibt. Vielleicht ergibt sich etwas im Sinne einer Verlangsamung der Erdwanderung oder etwas Ähnliches. Aber darum geht es jetzt nicht.
    Summa summarum also, nach allem, geht es bei der Frage, ob sich die Sonne um die Erde, oder die Erde um die Sonne dreht, nicht um beliebig Austauschbares, nicht um eine bloße „relative Bewegung“; sondern die Erde dreht sich eindeutig um die Sonne, und es ist eindeutig nicht umgekehrt. Die vereinfachten astronomischen Berechnungen, die „greater ease of calculation“, sind also nicht die einzige Bedeutung des heliozentrischen Systems; vielmehr gesellt sich die Dynamik dazu, die in der empirischen Welt das Entscheidende ist. Einwand:    „Aber soweit innerhalb der „empirischen Bewegung“, der „empirischen Anschauung“, die „reine Anschauung“ geht, die bloßen geometrischen Figuren in unserem Kopf, (siehe vorhin Kants Unterscheidung), soweit geht doch auch die „Relativität der Bewegungen“. Antwort:    Die geometrischen Figuren in unserem Kopf dienen in Fällen, wie dem vorliegenden, der Gesamtheit der dynamischen „empirischen Anschauung“, sie sind ihr Teil; und sind genau aus dem Grund – so entspricht es geradezu ihrer Definition – keine „reine Anschauung“. Also Heliozentrik wirklich und wahrhaftig, nicht mal so, mal so. Das Mal-so- Mal-so ist typisch für Leute, die überflüssige Bücher schreiben.
    Es ist zugleich ein grundlegender und exemplarischer Fall für scheinbar Hochintelligente, die zwischen dem, was in ihrem Kopf, und dem, was außerhalb seiner vor sich geht, nicht ausreichend unterscheiden können. Gut! Es wird immer solche Käuze geben; und sie mögen in Frieden leben. Aber es ist nicht richtig, dass infolge des ablenkenden Geschwätzes und des pflichtwidrigen Verschweigens dieser Leute der Rest der Menschheit ebenfalls nicht über den Horizont dieser scheinbar Hochintelligenten hinausgeht – und nicht zu Erkenntnissen kommt, die ein normales menschliches Dasein möglich machen, ohne Unsicherheit darüber, wer wir sind, wer wir selber! sind, woher wir kommen und wohin wir gehen.
    Und jetzt könnten wir den nächsten Schritt tun: zu der Frage, ob und gegebenenfalls wie die beiden Bedeutungen der Heliozentrik – Dynamik und Vereinfachung der Berechnungen – miteinander zusammenhängen. „Aber das würde uns jetzt zu weit führen,“ pflegen würdige Redner zu sagen; ich sage: darauf kommt es jetzt nicht an. Denn jedenfalls trifft der scheinbar geistvolle – so geistvoll wie Schlagsahne – aber verdächtig mühelose Gedanke von der Relativität der Bewegungen nicht zu.
    Und die Folge, für die Geschichte notwendiger und überflüssiger Bücher? Ohne sich die Sache klarzumachen, empfindet jeder Blochs und Feyerabends Idee als vorübergehendes, schnell veraltetes Modemätzchen – außer Herrn Ratzinger, der es 1990, mit der manchem hohen Kleriker eigenen Langweiligkeit, noch einmal wieder aufgewärmt hat. Bloch und Feyerabend waren in einer Zwangslage; sie hatten von der Hochfinanz den Auftrag zu schreiben, nach Möglichkeit auch destruktiv zu schreiben, und mussten sich immer irgendetwas einfallen lassen. – Das heißt, sie mussten es nicht, sie hätten auch darauf verzichten können, überflüssige Bücher zu schreiben; es besteht sogar eine ethische Verpflichtung dazu, weil jedes überflüssige Buch infolge der Unerfahrenheit sehr vieler Menschen eine nutzlose wirtschaftliche und eine nutzlose geistige Belastung, also ein Übel, bedeutet. Vor Jahrzehnten wurden die meisten Bücher nicht „geschrieben“, sondern „verbrochen“; insofern hatte man damals Geist.
     Den Rest zu Galilei kann sich jeder schnell klarmachen. Die Kirche hätte auch die „ethischen und sozialen Konsequenzen“ seiner Entdeckung mitberücksichtigt? Das tut man, wenn es wirklich sein muss, mit wirtschaftlichen Übergangsmaßnahmen für bestimmte Berufszweige; eine Unterdrückung naturwissenschaftlicher Tatsachen ist nie gerechtfertigt. Kerker noch viel weniger; aber auch dessen hat sich der damalige Papst schuldig gemacht – ohne die sowieso nur eingebildete Rechtfertigung durch die superkluge „Relativität der Bewegung“ und die Relativitätstheorie, an die damals noch niemand dachte; die der Menschheit aber auch heute keinerlei physikalische oder sonstige geistige Vorteile bringt. – Die alte Zeit wusste nicht nur teils mehr, teils weniger als wir, es blieb ihr so auch mancher Irrtum und sehr viel eingebildetes Wissen erspart. Dummheit kann darin bestehen, dass man etwas nicht versteht, was ist, aber auch darin, dass man etwas versteht, was nicht ist; Beispiel für Letzteres: der typische Gelehrte; und mancher wird dazu neigen, diesen Flügel des Begriffes als den aufreizenderen zu empfinden.
    Kurz und gut:   Man beauftragte damals, in einem seltenen Anfall von gesundem Menschenverstand, zum Fall Galilei unter anderem einen wackeren Kapuzinerpater oder jedenfalls einen ganz ähnlichen Mann mit einem Gutachten. (Die Sache ist auf dieser Netzseite schon einmal erwähnt.) Die Antwort des braven Mannes lag auf der Höhe der Weisheit der damaligen Zeit, und interessanterweise genauso gut auch unserer heutigen Zeit. Er sagte: “Non è materia di fede” “Der Fall betrifft keine Materie des Glaubens”. Mit anderen Worten: Die Kirche hat sich von Amts wegen gar nicht mit solchen Fällen zu befassen. Hätte man doch auf ihn gehört! Seine fünf Worte hätten Galilei den Kerker und der Menschheit ganze Aktenstöße und vielleicht auch Bücher mit dummen Bosheiten, mit Intrigen, Unwahrhaftigkeiten, Besserwisserei, Herrschsucht und Gelehrten-Eitelkeit, einschließlich der Autoren-Eitelkeit Blochs, Feyerabends und Ratzingers, erspart.
    Jetzt wissen wir also, welcher Art die Ausführungen Ratzingers sind, auf die sich die vorhin genannten 67 Professoren gestützt haben, um den Theologieprofessor auf dem Papstthron nach der ursprünglichen Einladung zu einem Vortrag an der Universität La Sapienza, wegen nicht kompetenter Rationalität, schmählich wieder auszuladen. Und nun zu unserer Frage, ob man mit diesen Ausführungen Ratzingers die plötzliche und heftige Feindseligkeit der Professoren und Studenten gegen den Papst erklären kann.
    Kein Mensch hat sich den pseudowissenschaftlichen Charakter der Gedankengänge begrifflich klargemacht, so wie ich es gerade versucht habe; die, die heute in der veröffentlichten Meinung das große Wort führen, neigen nicht zu begrifflichen Klärungen, sie schwätzen lieber drauflos und achten ausschließlich darauf, ob „es ankommt“, das heißt, ob es denen gefällt, die sich an die von der Hochfinanz festgelegte Linie halten; unsere niedrige Zeit wimmelt ja von Ausdrücken und Wendungen, die man präzisieren muss. Dennoch aber: wenn ein anderer drauflosschwätzt, hat man trotzdem sehr oft ein ziemlich sicheres Gefühl dafür. Wer hat denn auch schon die Nichtnaturwissenschaftler Bloch, Feyerabend und Ratzinger als Naturwissenschaftler in einem solchen Ausmaß ernst genommen, dass er geglaubt hätte, sie könnten das heliozentrische System wirklich und wahrhaftig zu einer bloßen fachlich-methodischen Erscheinung herabstufen? Und man bedenke dann auch noch das typisch klerikale Nachhängen durch Herrn Ratzingers Wiederaufwärmen der Sache! Das seinerseits ebenfalls schon wieder achtzehn oder siebzehn Jahre zurückliegt. Ich meine, die Presse, auch die italienische (siehe „Die Welt“ vom 16. und 17.1.08), hat die Sache mit Recht als bloßen „Vorwand“ beurteilt , als „an den Haaren herbeigezerrt“, „mit einer Rede“ „aus dem Jahr 1990“, „Der Papst sollte einfach nur ausgeladen werden“, usw. usf.
    Aber gleichgültig, ob man es nun so oder anders sieht, und ganz unabhängig davon, ist die plötzliche und heftige Feindseligkeit gegen Herrn Ratzinger jedenfalls entweder ausschließlich oder ganz wesentlich mit dem zu erklären, was der alte, 84jährige Physikprofessor Cini gesagt hat, der „Wortführer“ der Professoren, die den Papst wieder ausgeladen haben. Machen wir uns dazu nur noch einmal kurz die Situation klar. Zur Heftigkeit könnte man ergänzen: Ein Pfeifkonzert und laute Musik sollte das Wenigste sein, das den Papst von den Studenten erwartete, dazu Graffiti an vielen Mauern Roms, schweinische Bankette und welche publikumswirksamen Protestformen die Fantasie sonst noch hergibt  („Die Welt“ am 16.1.08). Und was die Plötzlichkeit angeht, die Beispiellosigkeit des Vorgangs, so kann man sie sich gar nicht genug zu Bewusstsein bringen. Man hatte ganz genau bis dahin, geraume Zeit hindurch, Päpste extrem gegenteilig behandelt; vielleicht nicht gerade in allen Fällen mit höchster Begeisterung von Seiten aller einzelnen Beteiligten, auf jeden Fall aber mit äußerster Grundsätzlichkeit und Entschiedenheit.
    Und nun also von Seiten Cinis der Vorwurf, Herr Ratzinger habe nicht „das Ziel, sondern nur die Strategie geändert“. Da man heutzutage nicht mehr mit dem „Scheiterhaufen“ arbeiten könne, sei er „listenreich“ wie „Odysseus“ geworden. Womit Cini – was für „Die Welt“ nicht schwer zu erraten war – auf die Grundüberzeugung Herrn Ratzingers anspielt, dass Glaube und Vernunft nicht Gegensätze sind, sondern „notwendig und unauflöslich“ zusammengehören. Für Cini ein übler Trick: wonach „der Papst das aus der Aufklärung stammende Bild von der göttlichen Vernunft als trojanisches Pferd benutzt, um so in die Zitadelle der Wissenschaft eindringen zu können.“ Siehe vorhin!
    Warum also gerade jetzt gegen Herrn Ratzinger der Vorwurf eines „üblen Tricks“, weil er den Glauben zu einer Art „Vernunft“, einer Art Ratio mache, oder jedenfalls beide „notwendig und unauflöslich“ miteinander verbinde, um „in die Zitadelle der Wissenschaft eindringen zu können“; und das obendrein verbunden mit dem Rauswurf aus einer exemplarischen und einstmals sogar vatikanischen Universität – ausgerechnet, bezeichnenderweise, möchte man fast sagen, bei einem Papst, der auf seine „Wissenschaftlichkeit“ und seine Zugehörigkeit zur Zunft der Theologieprofessoren besonders stolz ist und den allergrößten Wert darauf legt.
    Es kommt noch etwas hinzu: Der „Glaube, der den Verstand, die Vernunft, die Ratio sucht“ „Fides quaerens intellectum“, ist ein Grundsatz spätestens seit Anselm von Canterbury aus dem Aostatal (im 11. Jahrhundert); vielleicht noch mehr seit Thomas von Aquin (im 13. Jahrhundert), der ein ganzes, großartiges System daraus gemacht hat. Und erst recht das Erste Vatikanische Konzil (bezeichnender Weise im 19. Jahrhundert) hat festgelegt: wer behaupte, das Dasein Gottes lasse sich mit dem natürlichen Licht der Vernunft nicht beweisen, der „solle im Banne sein“. Allerdings, vielleicht abgesehen von dem zuletzt genannten Fall, hat auch die katholische Theologie den Glauben zugleich immer noch zu einer Art Voraussetzung für die Vernunft gemacht, obwohl man sich dabei nicht klar oder direkt ausdrückte; aber an diese Grundsätze hat Herr Ratzinger sich durchaus gehalten! Wohl auch deshalb, weil gerade er zutiefst gespürt haben muss, dass seine Ratio nicht ausreichte, um auch nur den Theismus, die „Präambel des Glaubens“, die „praeambula fidei“ (bei Thomas), wirklich zu begründen. Was also war an ihm das Besondere, das den völlig unvermittelten und allerheftigsten Zorn der Gegner von Metaphysik und Kirche ausgelöst hat? Oder lagen die Gründe nicht in seiner Person, sondern in den zahlreichen Personen seiner Gegner? Das ist schon wegen deren größerer Zahl methodisch nicht das, was man zuerst annehmen sollte; vor allem aber: Die Gegner hatten solche persönlichen Gründe gar nicht nötig!
    Die katholische Kirche hatte seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil so viel an Boden verloren, oder richtiger: sie hatte soviel ohne Not aufgegeben, dass man zumindest einen großen Teil der Ehrerbietigkeit, oder des fairen Verhaltens, ihren Päpsten gegenüber mit dem Überlegenheitsgefühl ihrer Gegner erklären kann. Oder hat Herr Ratzinger nun gerade diesen Mangel durch eine siegreiche Offensive der Logik auszugleichen gesucht; und dadurch den Zorn der Leute um die Universität La Sapienza ausgelöst? Nein! Man lese seine Schriften. Zum Beispiel die Rede, die er an der Sapienza halten wollte, mit dem Titel „Der Papst ist die Stimme der moralischen Vernunft“ (u.a. in der „Welt“ vom 17.1.08, Seite 9); oder man lese „Das Salz der Erde“ von 1996; oder was man will; man wird in keiner einzigen von diesen verwaschenen, verschwommenen, schwafelnden Ausführungen irgendetwas finden, was die Gegner von Metaphysik und Kirche in Zorn und Aufregung hätte versetzen können.
    Oder ist euch das alles zu unbequem, weil die Schriften des Papstes zwar bei ihrem Erscheinen dem Gerede nach sofort weltweit Mode zu werden pflegen, schon sehr bald danach aber wieder nur mit Umstand zugänglich sind? Gut! Dann lest, wenn ihr wollt, hier auf der Netzseite unter dem Startseiten-Link VATIKAN, oder, drucktechnisch noch besser, auf www.unsernationalstolz.de   bei Phylax, in beiden Fällen unter „Fortsetzung und Abschluss zum Begriff der Hochfinanz“, die Nummern 79 – 83; hier gibt es nicht nur Ratzinger-Geschwafel in ausreichendem Umfang, vielmehr sind die einzelnen Assoziationen zugleich mit interpretierenden Denkanregungen dazu versehen, weshalb es sich dabei um logisch unmögliche Schlussfolgerungen, also wirklich und wahrhaftig nur um Geschwafel handelt. Wenn ihr die Nummern gelesen habt und mit mir einer Meinung seid, könnt ihr immerhin feststellen: Nein, Herr Ratzinger hat den Zorn der Leute von der römischen Universität nicht dadurch ausgelöst, dass sie „seinem Geist nicht widerstehen konnten“ usw. bis zum Steinigen, wie beim heiligen Stephanus; sondern er hat mit seinen Berufungen auf die Logik nicht nur Wut, sondern noch weitaus mehr Verachtung geweckt. Und das obendrein bei Leuten, die ohnehin schon weltanschauliche Gegner waren! Und! bei jungen Leuten, die ja nicht immer die Allerfeinsten sind! Ist das etwa keine Erklärung für die Ereignisse? Ihr könnt dann Schluss machen. – Die einzelnen Nummern sind im Übrigen nicht furchtbar lang.
     Ihr könnt aber auch noch die Nummer 84 lesen und dabei feststellen, dass die logisch nicht stringenten Ausführungen Herrn Ratzingers die verballhornte Wiedergabe eines gewissen neuen Theismus sind, uneingeständlich – und so verballhornt, dass nur der es merkt, der (die Nummer 84 liest oder der) den neuen (aber ab 1984 im Druck erschienenen) Theismus kennt, der im Übrigen von der Geldherrschaft unterdrückt wird, soweit das möglich ist. Wer will, kann auch noch die Nummer 85 durchgehen; aber er versteht nun allein schon auf Grund von 84, warum es sich bei der Wut und Verachtung für Herrn Ratzingers Worte nicht ausschließlich um weltanschauliche Gegnerschaft handelt. Gegner, auch solche von Metaphysik und Glauben, können ganz vertrackt objektiv und anständig folgerichtig sein, sie können geradezu Werkzeuge des Allerhöchsten sein, das sieht man am vorliegenden Fall. Auch wer den neuen Theismus bis dahin nicht kannte und ihn seitdem nicht gründlicher kennen gelernt hat und sich überhaupt für solche Dinge nicht besonders interessiert, spürt jetzt, warum dem Verhalten Herrn Ratzingers etwas eigen sein könnte, was besonders aufreizend wirkt. Warum? Weil es Herrn Ratzinger bei seinem Glauben als einer Art „Ratio“ oder „Vernunft“ nicht allein darum ging, „in die Zitadelle der Wissenschaft einzudringen“; sondern weil es ihm dabei vor allem um Liebedienerei gegenüber einer atheistischen Hochfinanz ging, vielleicht zugleich um Eigenliebe aus Eifersucht, jedenfalls um die Unterdrückung des besagten neuen theistischen Gedankens, zum Schaden seiner Sache, die angeblich die seine ist, einschließlich der Kirche, die schon angefangen hatte aufzuatmen – zu der ich gehöre und für die ich das Allerbeste will. „Alles wird uns heimgezahlt, wenn auch nicht von denen, welchen wir geborgt haben“, also in diesem Fall nicht von mir, sondern von denen, die „Nein zu Vatikan und Metaphysik“ sagen (v. Ebner-Eschenbach); es ist eine Weisheit der Völker. – Dabei könnt ihr es bewenden lassen.
    Wer aber den neuen Theismus kennen lernen will, auch um die Vorgänge um Herrn Ratzinger und La Sapienza noch besser zu verstehen, der möge außerdem die Nummern 10 - 15 lesen – Es ist ja nicht sinnvoll, wenn ich sie hier wiederhole – . Wer dann noch mehr über das ganze Gewicht des neuen Theismus erfahren will, der möge auch die Nummer 3 durchgehen – mit ihrem Problem, das Jahrtausende alt ist, das streng philosophischer Natur und zugleich von allgemein verständlicher Stringenz ist; fast müsste das Problem wegen dieser Kombination von Eigenschaften das Adelsprädikat erhalten. Und wer nun beides durchgegangen ist, 10 – 15 und Nummer 3, der weiß, abgesehen von allem anderen, auch noch ein bisschen mehr über uralte Menschheitsprobleme. Und über ihre Beantwortung – wir müssen uns ja ohnehin, ganz allgemein, von Leuten trennen, die dauernd schwätzen, die nichts klar, logisch und überzeugend beantworten können; und die es dann auch noch hochmoralisch oder graziös finden, dass sie es nicht können. – Auch an diesem Punkt könnt ihr Schluss machen.
    Wer aber alles verstehen will, das ganze höchst irdische, höchst diesseitige Interesse, das Herr Ratzinger gehabt haben könnte, aber auch die Opferbereitschaft, die auf der anderen Seite sein hohes Amt von ihm verlangt hätte und die er nicht erbracht hat, obwohl er die Ehrungen für sein Amt akzeptiert hat, der möge noch die Nummern 72 und 74 lesen. Und, wenn er die Zeit dafür hat, schließlich auch 75 – 78, die aber nicht sein müssen.
    Allerdings werden die Studenten und Professoren, die gegen den Papst waren, ihrer gesamten weltanschaulichen Einstellung nach kaum unmittelbar an den neuen Theismus gedacht haben.
    Aber wer die besagten, zitierten Nummern gelesen hat, versteht das Unschöne an dem Eifer Herrn Ratzingers sogar unmittelbar; an seinem jahrelangen Verharren bei seinem wertlosen Geschwafel über „Glauben und Vernunft“, an seinem Verschweigen völlig durchsichtiger, grundbegrifflicher („philosophischer“) Aussagen über den besagten Theismus. Und man kann den Vorgang nun schließlich auch als Variation der Unterdrückung naturwissenschaftlicher Wahrheiten zum angeblichen „ethischen“ und „sozialen“ Wohl der Menschheit erkennen, wie sie im Fall Galilei stattgefunden hatte; zumindest insoweit ist auch diese Sache von Bedeutung für den Rauswurf von Herrn Ratzinger aus La Sapienza.
     Das Unschöne als solches an der Sache, ohne den heimlichen, verschwiegenen Hintergrund, ist offenbar auch von den Studenten und Professoren der Universität La Sapienza verstanden worden.
    Und was ist der ganz allgemeine menschliche Hintergrund – auch abgesehen von fachtheologischer Eigenliebe? Die US-Hochfinanz hat den Vatikan finanziell in der Hand! Das ist es. Und sie will nicht den besagten theistischen Gedanken – wir werden es noch sehen – sondern den „Kreationismus“ oder das „Intelligent Design“; je primitiver, desto besser; je mehr Einwände, je mehr Schwierigkeiten, je mehr Unmöglichkeiten für den Theismus, desto besser, denn selber denkt man ja atheistisch in den inneren Kreisen der Hochfinanz; allerdings, der Kreationismus ging denn doch nicht so ganz - wir werden auch das noch sehen – . Nur so auch ist das Eintreten Herrn Ratzingers z.B. für den EU-Beitritt der Türkei zu begreifen, der für Glauben und Kirche eine Katastrophe wäre! Und Goldhagens Forderung nach einem Verzicht der Kirche auf die Eigenstaatlichkeit des Vatikans erscheint in diesen Zusammenhängen erst in seiner ganzen politischen Tiefe: als Wink mit dem Telegraphenmast im Auftrag der Hochfinanz; Universitäts-Schreiber wie Goldhagen schreiben solche Dinge nicht aus eigener Machtvollkommenheit – und, Freunde, sie tun es auch nicht aus wissenschaftlichem Eros.
    Ist der Papst aber schön gehorsam, der Stellvertreter Christi gegenüber den Atheisten dieser Welt, dann wird er auch gelobt, z.B. von der US-hörigen Springer-Presse (siehe „Die Welt“ vom 31.1.08):  Nicht müde wird Papst Benedikt XVI., mit der Fackel der Aufklärung der Welt den rechten Pfad der Erkenntnis zu erleuchten. Glauben und Vernunft müsse immer im Einklang miteinander stehen. Nur so könne der Mensch „Gott und sich selbst erkennen“, sagte der gestern bei seiner Generalaudienz im Vatikan. Das Verhältnis zwischen Rationalität und Christusglauben müsse jedem „am Herzen liegen, der sich auf die Suche nach der Wahrheit begibt.“ Note: 2. Nur, der Papst weiß nicht, wie; wie komme ich aber auch auf die ausgefallene Idee, etwas Echtes und Wirkliches zu verlangen? – „Die Welt“ tut so, als ob die „Note“ etwas mit Humor zu tun hätte; aber in Wirklichkeit ist sie so gemeint, wie sie wirkt: nämlich als arrogante, primitive Schulmeisterei.
    Freunde, Brüder, die Menschheit wird, teils mittelbar, teils unmittelbar Klarheit darüber schaffen müssen, mit welchen Konzepten welche entscheidenden Männer zum passenden Zeitpunkt die Hochfinanz auf humane Art entmachten. Gaius Iulius Caesar hat uns in der Welt der griechisch-römischen Antike, der Welt der abstrakten Freiheit, ein Beispiel dafür vorexerziert. Es war natürlich nur eine Analogie zu dem, was bei uns, in unserer Kultur der konkreten, existenziellen Freiheit, des „Seins aus sich selber“, getan werden muss. Im Verhältnis dazu ist es von geringerer Bedeutung, wie viel und was im Einzelnen die Leute der Universität La Sapienza über Herrn Ratzinger gewusst haben; oder wie weit sie nur etwas geahnt haben.
     Aber für jetzt steht jedenfalls fest: Auch wer das Verhalten Herrn Ratzingers genau kennt, alles das, was er relativiert, banalisiert, verdirbt, verhunzt, verschweigt, geradezu ausdrücklich leugnet und auf diese u.a. stupide Weise der geistigen Wiedergeburt unserer Völker entzieht, und auch die Gründe, warum er es tut – oder richtiger: gerade der, der das alles weiß, wird das ganz bestimmt nicht als berechtigten Grund dafür betrachten können, die Fragen nach Freiheit, Gott und unserer Fortexistenz nach dem Tod nicht so zu beantworten, wie es denen möglich ist, die selbst die freien Wesen sind, aus deren Freiheit, aus deren „aus sich Selber“, sich auf Gott und auf unsere Fortexistenz schließen lässt.

Die „Fachleute“.

Soweit  Kants Voreiligkeit,  erstens!  Und soweit,  zweitens,  das dumme Vorurteil „der Moderne“, Prototyp:  USA! Sowie drittens die elende Durchschnittlichkeit Herrn Ratzingers und ähnlicher Leute! Samt und sonders zum Nachteil der Freiheit: des Gedankens von „Freiheit, Gott und Fortexistenz nach dem Tod“, alias „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ – eine Dreiheit, die ihre Wurzel im Gedanken der Freiheit hat.
    Wir haben gesehen, die Skala der Beeinträchtiger geht bis hierher nach unten. Aber was jetzt kommt, die „Fachleute“, ist weder besser noch schlechter als Herr Ratzinger.
     Freunde, ich bin selbst ein Fachmann. Ich habe meine Prüfung im Fach der Begriffe (früher konnte man von „Philosophie“ reden) nicht schlechter abgelegt, als irgendjemand sie ablegen kann, zumindest, was die Zensuren betrifft – um es so zu konkretisieren.
    Aber was einen Teil der Fachleute angeht, Freunde, so kann ich es kurz machen; jeder kennt die Wertlosigkeit, einschließlich des Herumredens um die Sache, also die absolute Wertlosigkeit dessen in unserer Zeit, was man einmal Philosophie genannt hat. Lest als Besprechung eines Beispiels, wenn ihr wollt, das erste PS zu „Fortsetzung und Abschluss zum Begriff der Hochfinanz“ (auf dieser Netzseite, nicht auf der politischen).
     Aber Brüder, es gibt etwas noch Minderwertigeres. Man sagt von meinen philosophischen Schriften ganz allgemein: „Ausgezeichnet, zu gut“ – man sagt wirklich und wahrhaftig „zu gut“ – und man fährt dann fort: „aber es muss eingeschränkt werden; wir wollen nicht ständig daran erinnert werden, was uns alles bisher entgangen ist.“ Sind es die Falschen, die sich vorgedrängt haben? Schon! Vor allem aber: Es sind die Falschen, nach den falschen Prinzipien, die eine kulturell, politisch und wirtschaftlich ungeeignete Hochfinanz dahin gebracht hat, wo sie nicht hingehören. Und: keine Sorge, Freunde, wir brauchen dieses Mal nicht die Brauen zusammenzuziehen, um zum Ergebnis zu kommen; ich lege euch einen einfachen schriftlichen Beweis vor. Hier sind die Links, für den, der will:


Erster Brief                                            Zweiter Brief



    Fangen wir also an mit den beiden Vortrags-Texten, die einige oder viele schon kennen, über Freiheit und Gott! Und akzeptieren wir für das Übrige vorläufig einige gescannte Texte aus Kierkegaard-Kommentaren, die im Druck veröffentlicht sind, bis auch diese Themen im Stil der beiden Vortragstexte bearbeitet sind – und so eine handliche Ganzheit zu „Ratio. Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ zustande gekommen ist.


Hans Rochol                          
Im März 2008.                        


1.PS: HEGEL



2.PS:  „Die Welt“ schreibt am 10.3.08:
Vatikan würdigt Galileo Galilei mit eigener Statue
Ausgerechnet Galileo Galilei, der mit seinen Entdeckungen den Zorn der Inquisition auf sich zog, wird nun mit einer eigenen Statue im Vatikan geehrt. Die lebensgroße Abbildung aus Marmor werde auf ausdrücklichen Wunsch der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften im kommenden Jahr in den vatikanischen Gärten aufgestellt, meldet die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Die Vereinten Nationen haben 2009 zum internationalen Jahr der Astronomie ausgerufen, um an den ersten Gebrauch eines Teleskops durch Galilei zu erinnern. Der 1564 in Pisa geborene Mathematiker, Physiker und Philosoph hatte mit Hilfe eines Nachbaus des kurz zuvor in Holland erfundenen Fernrohrs die These von Kopernikus bestätigt, dass die Erde um die Sonne kreist und nicht umgekehrt. Daraufhin wurde ihm vor der Inquisition der Prozess gemacht: 1633 musste er „seinem Irrtum“ abschwören, um dem Tod auf dem Scheiterhaufen zu entgehen. Bis zu seinem Tode 1642 stand Galileo unter Hausarrest. Erst im Oktober 1992 verkündete Papst Johannes Paul II. als Ergebnis von 13-jährigen Untersuchungen, dass sich die Kirche geirrt habe.
DW

Freunde, urteilt selbst; in mehr als einer Hinsicht!



© www.rochol.net, September 2003.