Wider die ausufernde Macht der Mietshauswächter.


Eine Institution besteht in Frankreich wohl schon solange, wie es dort Wohngebäude gibt: sämtliche privaten, beruflichen, gewerblichen und finanziellen Beziehungen zwischen den Bewohnern eines solchen Hauses und der Außenwelt laufen über eine Person, den Hausmeister alias Mietshauswächter bzw. -wächterin. Die Schlüssel zu geheimen Kellertüren sowie anderen kaum besuchten Orten innerhalb des Hauses liegen in der Regel in seiner oder ihrer Obhut, und benötigt man einen Handwerker für die Reparatur oder Wartung der einzelnen Gemeinschaftsgeräte und -anlagen, sei es für Strom, Telefon, usw., so muss zuallererst der Mietshauswächter um seine freundliche Genehmigung und die Schlüssel ersucht werden. Ja sogar die vollständig privaten Räumlichkeiten entziehen sich nicht seiner Überwachung: muss eine Wohnung während einer unvermeidlichen Abwesenheit der Bewohner renoviert werden, so ist es derselbige Hausmeister, der die Schlüssel für die jeweilige Wohnung oder die einzeln vermieteten Zimmer in Verwahrung hat.

Die gesamte Briefpost geht notwendigerweise durch seine Hände, bevor sie zu ihrem Adressaten gelangen kann. Und wenn jemand wissen möchte, ob eine Person in gesellschaftlicher Hinsicht zu empfehlen ist oder nicht, hat er die Möglichkeit, sich in der Loge zu erkundigen. Von allen Besuchern, die das Gebäude durch die hohe Eingangstür betreten, wird erwartet, zumindest in der Theorie, dass sie sich in einem ersten Schritt beim Hausmeister vorstellen, dessen Familiennamen im Übrigen nur die Eigentümer kennen.

Selbstverständlich muss der Hausmeister seinen verantwortungsvollen Aufgaben entsprechend vergütet werden,...kurz und gut, ein Gehalt dürfte hier kaum ausreichen. Aus diesem Grunde pflegen die Wohnungseigentümer, – die Betonung liegt hier auf „- eigentümer", – natürlich nicht die mittellosen Mieter – , dem Hausmeister Geschenke zu bereiten, sobald die Festlichkeiten zum Jahresende näherrücken . Schachteln mit Pralinen etwa? Lächerlich! Die Gaben bemessen sich an dem Wert seines Amtes: hohe Summen sind nun im Umlauf, damit alles reibungslos verläuft.

Nun geschah es eines Tages, dass sich ein schlichter Mieter mit dieser gewichtigen Instanz überwarf: er hatte es abgelehnt, sie in sein Dachkämmerchen hineinzulassen, und das, obwohl sie ganz überraschend gekommen war und sehr kräftig an seine Tür geklopft hatte. Ein weiser Eigentümer aus einem benachbarten Wohnhaus klärte ihn kurze Zeit später auf: „Huhu, mit einem Hausmeister darf es niemals Zwist geben..."
Oft wirkt der Wächter mit seinem gutmütigen Wesen vertrauenerweckend; die Chemie stimmt, wie man sagt, und man hat einfach Vertrauen; jedenfalls würde man sich mit Zweifeln nicht beliebt machen.

Ich könnte noch länger über Irrungen und Wirrungen in der weiten Welt plaudern...tatsächlich hat sich die Tyrannei so ausgewachsen, dass die Bewohner immer zahlreicher werden, die nach einem Ende dieses ungeheuerlichen Schauspiels fragen oder auch, wie lange noch an einer archaischen Einrichtung festgehalten werden müsse.

– Noch sumpfiger allerdings gestaltet sich die Lage, wenn die jeweilige Hausmeisterin, bzw. der Hausmeister gar kein Hausmeister im formellen Sinne ist, sondern in Wahrheit einer der Wohnungseigentümer und Vermieter diesen Posten innehat: so stellt er eine Art verborgene Oberhoheit über die jeweilige Person, die in der Loge lebt, und zugleich die überaus praktische Verbindung zum Rat der Eigentümer dar...ein bloßer Mieter sollte sich schon darum in jedem Fall und stets demütig zeigen!

In diesem Sinne konnte sich Monsieur Serviable denn auch mit Vergnügen einem x-beliebigen einfachen Mieter in den Weg stellen, um mal kurz mit breitem Lächeln an das am häufigsten genannte Grundprinzip der Französischen Revolution zu erinnern: NOUS SOMMES TOUS PAREILS, Babette! (WIR SIND ALLE GLEICH, Babette!)

Möchte hieran noch jemand Zweifel äußern?



Annette Rochol
auf Französisch
im November 2006,
überarbeitet u.
ins Deutsche übersetzt
im März 2015.







© Annette Rochol, http://www.traductionrochol.com